EU beschließt schärfere Regeln für Ratingagenturen Ein Fortschritt, aber nicht der große Wurf

Stand: 16.01.2013 15:53 Uhr

Ab Frühjahr gelten für Moody's und Co. in der EU schärfere Regeln: Die Ratingagenturen sollen für falsche Noten haften sowie Länderratings vorher ankündigen. Entsprechende Auflagen beschloss das EU-Parlament. Vielen Parlamentariern gehen die Maßnahmen dennoch nicht weit genug.

Von Martin Bohne, MDR-Hörfunkstudio Brüssel

Standard & Poors, Moodys und Fitch - diese drei dominierenden US-amerikanischen Ratingagenturen sind für viele die schwarzen Schafe in der Finanz- und Schuldenkrise. Die Vorwürfe: Sie hätten gefährlichen Ramschpapieren Bestnoten erteilt. Und sie würden immer wieder zum falschen Zeitpunkt und ungerechtfertigterweise die Kreditwürdigkeit von schwächelnden Eurostaaten herabsetzen - mit potentiell dramatischen Folgen: Je schlechter das Rating, umso höhere Zinsen müssen die Schuldenstaaten in der Regel für frische Kredite bieten.

"Brandbeschleuniger" - so nennt der sozialdemokratische Europaabgeordnete Udo Bullman diese drei Agenturen. "Indem sie vor jedem Gipfel Bewertungen herausgeben, wo Staaten entweder dafür geprügelt werden, dass sie nicht sparen oder dass sie zu viel sparen und Hand in Hand mit den entsprechenden Investmentbankern dann Manipulation an den Märkten entstehen", sagt er.

Stärker in die Pflicht nehmen

Jetzt sollen der Selbstherrlichkeit der großen Ratingagenturen Zügel angelegt werden: "Wir schränken ihre Fähigkeit ein, sich auch selber zu wirtschaftlichen Spielern zu machen, die daraus Vorteile ziehen, dass sie intransparente Ratings abgeben", sagt Bullmann.

Zum Beispiel, in dem die Ratingagenturen für Fehler mehr in die Pflicht genommen werden. Für den CSU-Politiker Ferber ist das die Kernbotschaft der neuen Regelung: "Das heißt, fehlerhaftes Rating kann auch beklagt werden. Ratingagenturen müssen auch die Verantwortung übernehmen, wenn sie mit bewussten falschen Informationen zu Fehlinvestitionen geführt haben. Das halte ich für einen ganz entscheidenden Punkt. Denn nur wer Haftung übernimmt, wird auch seriös benoten."

Martin Bohne, M. Bohne, MDR Brüssel, 16.01.2013 14:23 Uhr

Ratings begründen und offenlegen

Außerdem müssen die Agenturen ihre Ratings besser begründen und die Kriterien für die Notenvergabe offenlegen. Unternehmen dürfen künftig nicht mehr größere Anteile an den Agenturen halten, von denen sie sich selbst bewerten lassen. Mögliche Interessenkonflikte müssen offengelegt werden: "Dass sie auch klar machen, wer ihr Auftraggeber ist", sagt Ferber. "Es kann so nicht sein, dass ich mir ein gutes Rating einkaufe."

Besondere Regeln werden künftig für die Bewertung der Bonität von EU-Staaten gelten. Um nervösen Marktreaktionen vorzubeugen, dürfen diese Ratings nur noch dreimal im Jahr und zu vorher angekündigten Terminen veröffentlicht werden. Und dann auch nur außerhalb der Börsen-Handelszeiten.

"Das bedeutet, dass es schwerer für Ratingagenturen wird, kurz vor einem kritischen Gipfel nochmal ein negatives Rating herauszugeben, wo man Eindruck hat, dass es weniger durch die Ökonomie als durch politische Wünsche bestimmt ist", sagt Sven Giegold, der Finanzexperte der Grünen.

Der große Wurf fehlt

Aber die Europaparlamentarier machen sich keine Illusionen. Die beschlossenen Maßnahmen seien ein Fortschritt, aber nicht der große Wurf. Giegold bedauert vor allem, dass es in den Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten nicht gelungen sei, die Dominanz der drei US-amerikanischen Agenturen aufzubrechen. "Das Grundproblem ist: Warum haben drei große Privatakteure so viel Marktmacht? Das heißt, wenn ein Akteur eine Meinung ändert, das dass dann einen Markt verschiebt, so etwas sollte es in einer sozialen Marktwirtschaft gar nicht geben."

Forderung nach unabhängiger Agentur

Viele Europaabgeordnete wünschten sich daher die Schaffung einer unabhängigen europäischen Agentur, zum Beispiel in Form einer öffentlichen Stiftung. Im jetzigen Gesetz wird die EU-Kommission aber lediglich aufgefordert, die Möglichkeiten für eine solche alternative Agentur auszuloten.

Der Sozialdemokrat Udo Bullmann macht auch die Bundesregierung als Spielverderber aus: "Ich halte es für einen Skandal, dass wir bei den Finanzministern, Herrn Schäuble und seinen Kollegen, so wenig Mumm erleben, eine unabhängige eigene europäische Ratingagentur ins Leben zu rufen. Das müssen wir nacharbeiten, das wäre der entscheidende Strukturbruch."

Und so plädiert Bullmann für eine baldige Reform der Reform.