Hintergrund

Die Macht der Ratingagenturen Noten, die Staaten ins Wanken bringen

Stand: 29.06.2011 16:36 Uhr

Sie hatten bereits mit weiteren Abwertungen gedroht, wenn Griechenland den Sparkurs ablehnt: Die großen US-Ratingagenturen Fitch, Standard & Poor's und Moody's. Sie sind erfolgreich, mächtig und dabei doch verschwiegen, wenn es um ihre Arbeitsmethoden geht.

Von Oliver Feldforth, HR  

Drei große Agenturen teilen sich den Markt für Ratings auf, an ihnen kommt keiner vorbei. Etwas seltsame Namen stehen über ihren Türen: Fitch Ratings, Standard & Poor's (S&P) und Moody's. Es sind die Namen der Gründer: So heißt Moody's nach John Moody, der das Unternehmen mit Sitz in New York 1909 aufgebaut hat. Sie kontrollieren ungefähr neunzig Prozent des Marktes, bewerten die Kreditwürdigkeit, also die Bonität von Firmen, aber auch von Staaten.

Obwohl sie selbst privatwirtschaftliche Firmen sind, ist ihr Rating von großer Bedeutung. Geschäfts- und Notenbanken, aber auch Investoren schauen sehr genau auf den merkwürdigen Buchstabencode, den Ratingagenturen vergeben. "Aaa" bekommt ein finanziell stabiler Schuldner von höchster Qualität. Deutschland ist mit diesem Rating in der Lage, Geld für vergleichsweise niedrige Zinsen aufzunehmen. Ab "Ba" wird von einem Investment abgeraten.

Griechenland wird von den S&P-Experten nur noch mit "CCC" bewertet. Die Begründung: Eine Umschuldung, und damit natürlich formal ein Zahlungsausfall, wird aus Rating-Sicht immer wahrscheinlicher. Darunter liegt nur noch "D" für "default" - das bedeutet Ausfall.

Keine transparenten Entscheidungen

Um Informationen zu bekommen, reisen Teams der Ratingfirmen zu den Unternehmen beziehungsweise zu den Regierungen der Staaten. Sie prüfen die Bücher und halten auch kontinuierlich den Kontakt. Wie genau sie zu Ihren Bewertungen kommen, daraus machen die Rating-Multis jedoch ein großes Geheimnis. Deswegen fordert Dennis Snower, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel, dass sie ihre Rechenmodelle offenlegen, damit die Grundlagen ihrer Entscheidung transparent werden.

Das Rating hat Auswirkungen: So zwingen gesetzliche Vorschriften Investmentfonds Staatsanleihen zu verkaufen, wenn die Bewertung auf Ramschniveau fällt. "Obwohl es sich bei Ratingagenturen um gewinnorientierte Unternehmen handelt, kommt zu ihrer faktischen Bedeutung am Kapitalmarkt auch ein zwingende aufsichtsrechtliche Funktion", so die Einschätzung der Rechtsanwälte Gerhard Wildmoser und Jan Schiffer in der Zeitschrift "Recht in der internationalen Wirtschaft". Dies gibt den Ratingagenturen mehr Gewicht.

"Total versagt bei der Immobilienkrise"

Die Kritik an der Expertise der Agenturen bezieht sich auf die Finanzkrise. Als der amerikanische Immobilienmarkt 2008 zusammenbrach, hatten die Ratings nicht vor US-Hypothekenanleihen gewarnt. Inzwischen sprechen auch Einzelne aus den Ratingagenturen hinter vorgehaltener Hand davon, dass sie die Warnsignale damals nicht erkannt hätten. "Sie haben total versagt bei der Immobilienkrise", sagt Wirtschaftswissenschaftler Snower: "Ja, sie haben dazu beigetragen." Negativ sei auch, so Kritiker, dass das Rating vom bewerteten Unternehmen beziehungsweise Staat selbst bezahlt wird. Das schaffe Abhängigkeiten.

Europäische Agenturen als Gegengewicht?

Damit das Versagen einzelner Agenturen nicht mehr so gravierende Auswirkungen hat, fordern viele Ökonomen mehr Wettbewerb um die Dienstleistung Kreditwürdigkeits-Bewertung. Die Unternehmensberatung Roland Berger möchte, dass die Banken und Versicherungen eine europäische Ratingagentur gründen. "Mit etwas Glück können wir in sechs bis zwölf Monaten mit dem Aufbau beginnen", so Markus Krall, Partner bei Roland Berger. Die Unternehmensberatung ist sehr gut mit der deutschen Politik vernetzt. Und so überrascht es nicht, dass auch deutsche Politiker wie FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle, aber auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, sich eine solche europäische Agentur wünschen.

Aber wollen sie wirklich eine europäische Agentur als Gegengewicht zu den drei amerikanischen Platzhirschen, oder wollen sie nur mehr Einfluss auf das Bewertungsergebnis? Eine Stiftung soll die Unabhängigkeit gewährleisten. Genau diese Unabhängigkeit ist wichtig, aber es bleibt die Unsicherheit, ob eine solche Stiftung dies garantiert.

Die Frage bei der momentanen Kritik an den Ratingagenturen ist: Wird da der Bote für die unerwünschte Nachricht bestraft? Gerade die Politiker wünschen sich nichts mehr, als positive Wirtschaftsnachrichten aus Griechenland. Und wenn die Rating-Firmen die nicht liefern können, sind sie dann am Ende die Bösen? So befürchtet denn auch Volker Wieland, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Frankfurt, "dass ein Hintergedanke bei der Förderung einer europäischen Ratingagentur ist, dass auf deren Ratings von staatlicher Seite leichter Einfluss genommen werden könnte".  

"Ein langer und steiniger Weg"

Tatsächlich gibt es übrigens schon europäische Ratingagenturern, sogar mehrere. So ist die Creditreform Rating AG seit Anfang Juni als Ratingagentur von der BaFin anerkannt. Doch diese ist relativ klein und konzentriert sich auf den Mittelstand. "Wir sind auf dem Weg von unten nach oben", sagt Michael Bretz Leiter der Unternehmenskommunikation bei Creditreform: "Wir wollen auch große Unternehmen wie Siemens und auch Staaten bewerten, aber der Weg ist steinig und wird auch noch länger dauern."

"So kann es nicht bleiben, die Ratingagenturen sind ein intransparentes Monopol, es fehlt der Wettbewerb um Dienstleistungen", beklagt Wirtschaftswissenschaftler Snower. Doch Wettbewerb bedeutet nicht automatisch "weg von privatwirtschaftlichen Bewertungsfirmen", zumal, wenn sie von einer staatlichen Institution wie der BaFin lizenziert werden. Mehr Konkurrenz und mehr Transparenz bei der Erstellung der Ratings - das würde helfen. Dann muss die Politik die Ergebnisse einer solchen unabhängigen Bewertung aber auch klaglos akzeptieren, egal ob sie in die politische Gemengelage passt oder nicht.