Fragen und Antworten zum Ökostrom Wie grüner Strom die Steckdosen erobert

Stand: 16.02.2010 14:02 Uhr

"Atomkraft - nein danke." Das Ziel der Anti-Atombewegung ist durch Aussagen von Umweltminister Röttgen wieder in die Schlagzeilen gekommen. Doch welches Potenzial steckt in alternativen Energien? Zum Auftakt der Weltmesse "SolarEnergy" beantwortet tagesschau.de die wichtigsten Fragen zum grünen Strom.

Was ist Ökostrom?

Laut dem Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) gibt es keine einheitliche Definition für Ökostrom. Der BEE spricht von Ökostrom, wenn mindestens 50 Prozent des erzeugten Stromaufkommens aus erneuerbaren Energien gewonnen wird und der Rest aus Kraft-Wärmekopplungsanlagen bezogen wird. Dadurch, dass "Ökostrom" kein geschützter Begiff ist, werden auch Produkte unter diesem Namen gehandelt, die eine solche Bezeichnung nicht verdienen.

Das Verbraucherportal Verivox legt eine strengere Definition zu Grunde und rät dazu, bei der Wahl eines Ökostrom-Tarifs auf zwei Dinge zu achten: Zum einen sollte der Anbieter nur Strom liefern, der zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien gewonnen wurde. Zum anderen sollte der Anbieter seine Gewinne in den Ausbau von regenerativen Anlagen reinvestieren. Nur wenn das der Fall sei, werde sich der Energiemix zu Gunsten von erneuerbaren Energien wie Biomasse, Wasserkraft oder Wind- und Sonnenenergie verändern. 

Woran erkenne ich, ob ein Tarif reinen Ökostrom liefert?

Über Herkunft und Zusammensetzung des Stroms informieren Ökostromzertifikate. Diese Zertifikate können aber an der Strombörse gehandelt werden und ermöglichen es einem Versorger, Atom- oder Kohlestrom durch den Zukauf von Zertifikaten als Ökostrom auszuweisen. Verkäufer solcher Zertifikate dürfen dann ihren zum Beispiel aus Wasserkraft erzeugten Strom nur noch als konventionellen Strom verkaufen, als sogenannten Graustrom. Durch den Zertifikathandel ist nach Angaben des BEE nicht gewährleistet, dass nur eine Kilowattstunde reiner Ökostrom zusätzlich produziert wird.

Bei Gütesiegeln ist es hingegen Voraussetzung, dass ein bestimmter Teil der Einnahmen in den Bau neuer Anlagen wie Wind-, Wasser- oder Bioenergiekraftwerke investiert wird. Beispielhaft ist hier das Gold-Zertifikat des Grüner Strom Label e. V. (GSL), zu dessen Trägern unter anderem der Bund für Umwelt- und Naturschutz (Bund) und der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) gehören. Von allen Ökosiegeln wendet es die strengsten Kriterien an.  

Bekomme ich als Ökostromkunde ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energien?

Da "Ökostrom" kein geschützter Begriff ist, können auch Tarife unter diesem Namen firmieren, die zwar einen Anteil Ökostrom beinhalten, aber auch konventionell erzeugten Strom. Oft hilft schon ein Blick auf das Unternehmen, das hinter dem Tarif steht. Der Strombezug von reinen Ökostromanbietern wird regelmäßig von der Umweltorganisation Robin Wood untersucht und in einem Recherchebericht zum Ökostrom-Wechsel veröffentlicht.

Sonnenenergie

Werden zum ersten Juni um bis zu 16 Prozent gekürzt: Förderungen für Photovoltaikanlagen.

Doch auch die von Robin Wood untersuchten Anbieter können bei Engpässen gezwungen sein, zusätzlich Strom aus Atom- und Kohlekraftwerken an ihre Kunden zu liefern. Dies ist laut dem Anbieter Lichtblick manchmal notwendig, um die Differenz zwischen dem prognostizierten und tatsächlichen Verbrauch zeitgleich zu decken. Diese Bedarfslücke mache aber nur ein bis drei Prozent aus.

Ökostrom und konventionell erzeugter Strom fließen durch dieselben Netze. Daher kann nicht garantiert werden, dass in den Steckdosen nur ökologisch erzeugter Strom ankommt. Allerdings speisen Anbieter, die ein Gütesiegel mit strengen Kriterien besitzen, die von ihren Kunden verbrauchte Menge an Ökostrom selbst in das Netz ein oder kaufen sie an.

Wie hoch ist der Ökostrom-Anteil gemessen am gesamten Stromverbrauch?

Im Jahr 2009 betrug der Anteil von erneuerbaren Energien am gesamten Stromverbrauch nach Angaben des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) 16 Prozent. Windenergie und Biomasse trugen mit 6,4 und 4,4 Prozent von allen erneuerbaren Energien am meisten zum Energiemix bei. Seit 1997, als der Anteil regenerativer Energien bei gerade mal vier Prozent lag, hat die Produktion von Ökostrom jährlich zugenommen.

Welche unabhängigen Anbieter liefern reinen Ökostrom?

In Deutschland gibt es über 100 Anbieter, die Ökostrom-Tarife verkaufen. Marktführer ist mit über einer halben Million privater Stromkunden die Lichtblick AG. Im Vergleich zum vorherigen Jahr konnte Lichtblick in diesem Bereich eine Wachstumsrate von 20 Prozent erzielen. Unter den 29.000 Gewerbe- und Firmenkunden finden sich Unternehmen wie Puma oder Tchibo. Auch der Deutsche Bundestag bezieht Lichtblick-Ökostrom.

Zweitgrößter unabhängiger Ökostromanbieter ist Greenpeace Energy e. G. Greenpeace Energy hat 95.000 Kunden. Auch dieser Ökostrom-Anbieter konnte 2009 eine Wachstumsrate von 17 Prozent verbuchen und zählt große Unternehmen wie Edding oder Jack Wolfskin zu seinen Kunden. Nach Lichtblick und Greenpeace Energy gehören die Elektrizitätswerke Schönau (90.000 Kunden) und Naturstrom (62.000 Kunden) zu den bekanntesten Anbietern. Auch viele große Energiekonzerne bieten inzwischen Ökostrom-Tarife an. Hier ist darauf zu achten, ob die Tarife auf dem Handel mit Zertifikaten basieren.

Wie viel teurer ist Ökostrom im Vergleich mit herkömmlichem Strom?

Dem Verbraucherportal Verivox zufolge ist Ökostrom nicht automatisch teurer als Strom, der von Atom- oder Kohlekraftwerken hergestellt wird. Es komme genau wie bei konventionellen Energiequellen darauf an, die einzelnen Tarife zu vergleichen. Beim Wechsel vom günstigsten Tarif des örtlichen Versorgers in einen Ökostrom-Tarif kann man laut Verivox sogar bis zu 200 Euro im Jahr sparen.

Die Deutsche Energie-Agentur (Dena) sieht das jedoch kritisch. Die Agentur bezweifelt, dass ein Ökostrom-Tarif, mit dessen Hilfe ein Kapazitäts-Ausbau im Bereich erneuerbare Energien vorangetrieben werden soll, günstiger sein kann als ein Tarif, der auf traditionellen Strom setzt. Ökostrom sei schließlich ein "Premium-Produkt", für das die Verbraucher einen Aufpreis zahlten, um den Energiemix der Zukunft mitzugestalten.

Wie setzt sich der Strompreis zusammen?

Die Ausgaben für die Strombeschaffung und für den Vertrieb des Stroms haben laut Bundesnetzagentur mit 37,6 Prozent den größten Anteil am Strompreis. Den zweitgrößten Anteil machen mit  25 Prozent die Netznutzungsentgelte aus, die die Netzbetreiber für den Transport und die Verteilung der Energie bekommen. 24,8 Prozent gehen als Öko- und Umsatzsteuer an den Staat. 6,4 Prozent des Strompreises kassieren die Kommunen als Konzessionsabgabe für die Einräumung von Wegerechten. Die Umlage, die laut Kraft-Wärme-Gesetz (KWKG) fällig wird, macht einen Prozent des Preises aus und die EEG-Umlage beträgt 5,2 Prozent. Beide Umlagen werden von allen Stromkunden bezahlt - nicht nur von Ökostromkunden.

Wie werden sich die Kürzungen bei den staatlichen Förderungen für Solarstrom auf den Ökostrom-Preis auswirken?

Laut Dena ist eine Preissteigerung nicht zu erwarten. Vielmehr geht die Agentur davon aus, dass die Preise für Ökostrom um bis zu fünf Prozent pro Jahr sinken werden. Trotz anstehender Kürzungen der staatlichen Beihilfen, sei das Geschäft mit Renditen zwischen sieben und zehn Prozent noch immer attraktiv genug, lautet die Begründung.

Was besagt das Erneuerbare-Energien-Gesetz und wen betrifft es?

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) fördert Betreiber, die Energie aus regenerativen Quellen gewinnen. Bezuschusst wird die Erzeugung von Strom aus Wasserkraft, Deponiegas, Biomasse, Geothermie sowie Wind- und Sonnenenergie. Der einer solchen Anlage nächstgelegene öffentliche Netzbetreiber ist verpflichtet, die Anlage anzuschließen und den gesetzlich festgelegten Preis, die so genannte Einspeisevergütung, zu zahlen.

Zurzeit ist diese im Vergleich mit allen anderen regenerativen Energien für Photovoltaik-Anlagen auf Dachflächen mit 39,14 Cent pro Kilowattstunde am höchsten. Die Mehrkosten, die entstehen, weil ein Netzbetreiber verpflichtet ist, Strom aus regenerativen Quellen zu beziehen, die sogenannte EEG-Umlage, werden von allen Stromkunden getragen, egal, ob sie sich für einen Ökostromtarif oder für einen konventionellen Tarif entschieden haben. Sie liegt derzeit bei ungefähr einem Cent pro Kilowattstunde.

Zusammengestellt von Melanie Stinn für tagesschau.de