Abstimmung über EU-Gesetz zur Netzneutralität Sorge vor Zweiklassensystem im Internet

Stand: 03.04.2014 01:42 Uhr

Für Internet-Aktivisten steht die Zukunft der digitalen Welt auf dem Spiel, wenn das Europaparlament heute über ein neues Gesetz für den Telekommunikationsmarkt abstimmt. Darin geht es auch um die Netzneutralität, die viele in Gefahr sehen.

Von Christian Feld, ARD Berlin

Von Christian Feld, ARD-Europastudio Brüssel

"Am 3. April wird über die Zukunft des Internets abgestimmt", sagt Thomas Lohninger von der Organisation EDRi, die sich für Bürgerrechte in der digitalen Welt einsetzt. "Verlieren wir diese Abstimmung, verlieren wir auch den Lebensraum Internet mit seinen Zukunftschancen für Demokratie, Wirtschaft und Wissensgesellschaft." Es sind große Worte, mit denen über ein geplantes EU-Gesetz für einen einheitlichen Telekommunikationsmarkt gestritten wird. Das soll zum Beispiel die Roaming-Gebühren für Handy-Nutzung im Ausland bis Ende 2015 ganz abschaffen. In dem Gesetz - und da wird es kontrovers - geht es aber auch um die so genannte Netzneutralität.

Was verbirgt sich dahinter? Wenn wir im Netz surfen, eine Mail verschicken oder ein Video anschauen, dann werden dabei Datenpakete über die Leitungen hin und her geschickt. Zu den Grundprinzipien des Internet zählt, dass alle Daten gleich behandelt werden, egal ob sie von einem Giganten wie Youtube oder einem kleinen Blog kommen. Diese Form der Netzneutralität sehen manche jetzt in Gefahr.

Streit um ein Zwei-Klassen-Internet droht

Die Aktivisten sehen besonders ein Vorhaben der EU-Kommission als problematisch. Internet-Provider sollen neben dem freien und offenen Internet zusätzlich Sonderdienste (specialised services) anbieten. Diese Dienste seien im Gesetzestext nur schwammig definiert. Es drohe ein Zwei-Klassen-Internet. Das, so Katharina Nocun vom Kampagnen-Netzwerk Campact, mache eine "Überholspur für Großkonzerne" möglich und verhindere Wettbewerb und Innovation im Internet. Nadja Hirsch, die netzpolitische Sprecherin der FDP im EU-Parlament, sieht vor allem Start-Ups und kleine Unternehmen als mögliche Opfer: "Die Köpfe, die wir brauchen, um uns unsere Unabhängigkeit in der IT-Infrastruktur zurückzugewinnen, würden unter die Räder der großen Konzerne geraten, wenn diese sie im Internet überholen."

EU-Kommissarin Neelie Kroes, von der das Gesetz stammt, kann den lauten Protest nicht verstehen. Man wolle doch, dass alle EU-Bürger endlich einen Zugang zu einem freien und offenen Internet bekommen - ohne Blockieren oder Drosseln. Und die Sonderdienste? Die gebe es schon, jetzt würden sie endlich reguliert. Gedacht seien sie vor allem für Angebote, die unbedingt eine höhere Netz-Qualität brauchen wie Video-Konferenzen, Telemedizin oder Fernsehen über das Netz. Neelie Kroes in dieser Woche im EU-Parlament: "Sie können nie eine Alternative zum Internet sein, nie das Internet für alle anderen langsamer machen, nie den Nutzern gegen ihren Willen aufgezwungen werden." Es gehe nicht darum, dass Menschen plötzlich für Youtube zahlen müssten.

Kampagne für Netzneutralität

Das sind Worte, die ihre Kritiker nicht beruhigen werden. Es prallen hier ganz unterschiedliche Vorstellungen von Netzneutralität und von einem freien, offenen Internet aufeinander. Am Dienstag übergab Campact in Brüssel dicke Mappen an EU-Abgeordnete. 170.000 Unterschriften sammelte das Kampagnen-Netzwerk nach eigenen Angaben innerhalb einer Woche. Am Vormittag stimmt das Parlament über das Gesetz ab. Das hat jedoch noch einen längeren Weg vor sich. Auch die 28 Mitgliedsstaaten müssen sich noch damit befassen.