Interview

Kritik am Handel mit Agrarrohstoffen "Dürre kann man nicht ändern - Spekulation wohl"

Stand: 13.08.2012 12:32 Uhr

Spekulationen mit Agrarrohstoffen sorgen dafür, dass weltweit die Preise für Nahrungsmittel steigen, mehr Menschen hungern müssen. Auch deutsche Banken sind an dem Milliarden-Geschäft beteiligt. Sie müssen aussteigen, fordert Martin Rücker von der Verbraucherorganisation Foodwatch im Gespräch mit tagesschau.de.

tagesschau.de: Nach der Kritik von Verbraucherschützern hat die zweitgrößte deutsche Bank - die Commerzbank - nun Konsequenzen gezogen und ist aus dem Geschäft ausgestiegen. Wie wollen Sie die andere Institute dazu bewegen?

Martin Rücker: Der Schritt der Commzerbank ist in jedem Fall ein sehr wichtiges Signal an den Markt. Denn es ist ja keine kleine Bank, die ausgestiegen ist, sondern die zweite Großbank am Platz.

Wir fragen uns jetzt natürlich: Was macht die größte deutsche Bank, also die Deutsche Bank, die seit einem dreiviertel Jahr angibt, angeblich dieses Geschäftsfeld zu überprüfen? Aber während sie prüft, müssen Menschen Hunger leiden. Und deshalb gibt es nur einen verantwortlichen Schritt: auszusteigen. Und das erwarten wir von der Deutschen Bank, wie von den anderen Banken auch. Wir brauchen aber auch eine politische Regulierung, um sicherzustellen, dass niemand auf Kosten der Ärmsten seine Spekulationen betreibt.

Zur Person

Martin Rücker ist Sprecher der Verbraucherschutzorganisation foodwatch. Der gemeinnützige Verein setzt sich nach eigenen Angaben für das Recht der Verbraucher auf qualitativ gute, gesundheitlich unbedenkliche und ehrliche Lebensmittel ein.

"Ein Signal über Deutschland hinaus"

tagesschau.de: Selbst wenn die Deutsche Bank aussteigt - Wäre der Effekt weltweit nicht eher gering?

Rücker: Das ist richtig. Wir müssen aber anfangen. Wenn es nach uns ginge, dann würden mit dem heutigen Tage alle Banken aufhören zu spekulieren, das ist völlig klar. Die Deutsche Bank ist aber ein großer Player am Markt, auch international eine der größten Investmentbanken. Also, das wäre schon ein gewisses Signal, eine Botschaft, die sich auch über Deutschland hinaus an die anderen Banken richten wird. Deshalb fordere ich ja auch eine Bankenregulierung, eine Finanzmarktregulierung.

Institutionelle Anleger, denen es nicht um die Agrarrohstoffe selbst geht, sondern allein um die Vermehrung von Kapital, müssen vom Rohstoffgeschäft ausgeschlossen werden. Das ist der wichtigste Schritt, der jetzt erfolgen muss.

"Kein Ausstieg, es sei denn, es droht ein Imageverlust"

tagesschau.de: Das müsste aber sicherlich international geschehen. Denn wenn die Deutsche Bank das Geschäft nicht macht, macht es ein anderer, oder? Zumal gerade sehr viel billiges Geld zirkuliert.

Rücker: Richtig, die Banken haben kein übermäßig großes Interesse aus diesem Feld auszusteigen. Das liegt daran, dass die Anleger Wetten auf die Entwicklung der Preise abschließen. Die Bank aber gewinnt immer - ganz egal wie diese Wette ausgeht - weil sie die Gebühren für diese Anlagegeschäfte kassiert.

Die Banken sind nicht so stark an einem Ausstieg interessiert, es sei denn sie müssen einen Imageverlust befürchten. Diese Situation haben wir jetzt offensichtlich in Deutschland mit einer gewissen Diskussion erreicht. Das muss sich internationalisieren. Aber an der politischen Regulierung - natürlich auf internationaler Ebene - führt überhaupt kein Weg vorbei.

tagesschau.de: Sie sehen die Banken als Preistreiber. Aber sind nicht auch Dürren, wie jetzt in den USA, Schuld?

Rücker: Mich stört an der Diskussion, dass wir immer über ein "Entweder/Oder" sprechen. Das führt nicht zum Ziel. Natürlich haben die Fundamentaldaten, die Entwicklung von Angebot und Nachfrage, die Dürre, die Ernteausfälle Einfluss auf die Entwicklung.

Wenn man aber sieht, dass der Getreidepreis in den vergangenen zwei Monaten um über 50 Prozent gestiegen ist, dann spiegelt das nicht allein die Situation in den USA mit den Dürren wieder. Wir haben hier Effekte, die wir nicht allein durch die Fundamentaldaten erklären können. Wir haben also eine spekulative Übertreibung der Preise. Wir können an den Dürren nicht viel ändern, bei der Spekulation aber wohl. Dort wo es diesen Effekt auf den Preis gibt, und wo Menschen in den Hunger getrieben werden, müssen wir diese Geschäfte beenden.

Das Gespräch führte Katrin Prüfig, tagesschau24