Mahr Fertigungsmesstechnik "Als hätte jemand den Stecker gezogen"

Stand: 07.04.2009 11:33 Uhr

Das Familienunternehmen aus Göttingen verkauft Präzisionsmessmaschinen - vor allem an die Autoindustrie. 65 Prozent gehen in den Export. Voraussetzungen, die es dem Unternehmen in der Krise nicht leicht machen. Geschäftsführer und Eigentümer Thomas Keidel versucht, das Steuer herumzureißen.

Teil 1: Mahr Fertigungsmesstechnik

Das Familienunternehmen aus Göttingen ist weltweit der drittgrößte Hersteller mit einem kompletten Angebot an Fertigungsmesstechnik. Mahr verkauft seine Präzisionsmessmaschinen, mit denen sich kleinste Längen-, Form- und Oberflächenabweichungen an Werkstücken messen lassen, vor allem an die Automobilindustrie und den Maschinenbau. 65 Prozent gehen in den Export. Voraussetzungen, die es dem Unternehmen in der Krise nicht leicht machen: Der Export lahmt und die Autoindustrie ist schwer getroffen. Geschäftsführer und Eigentümer Thomas Keidel versucht, das Steuer herumzureißen.

Thomas Keidel: "Die Krise hat uns im Herbst letzten Jahres erreicht. Dabei war 2008 ein blendendes Jahr, wir hatten bei Umsatz und Ertrag das beste Geschäftsjahr unserer Geschichte. Mitte Oktober brach es dann aber plötzlich ein, als ob einem der Stecker aus der Dose gezogen wird.

Die Lage: Auftragseinbrüche um 50 Prozent

Wir sind ein typisches Maschinenbauunternehmen, so wie es in der Presse steht: mittelständisch geprägt, Familienunternehmen. Es hat uns zweifach erwischt: 65 Prozent Exportanteil und dann auch noch 60 Prozent unseres Geschäfts in der Autoindustrie. Zu unseren Kunden gehören alle Zulieferer der Autoindustrie und alle großen Automobilhersteller.

Mahr Gruppe

Unternehmenssitz: Göttingen
Mitarbeiter: 1600 weltweit, davon 850 in Deutschland
Umsatz 2008: 190 Mio. Euro
gegründet: 1861

Wir haben im Januar dieses Jahres 50 Prozent der Aufträge gehabt, die wir im Januar des Vorjahres hatten. Das sind dramatische Einbrüche, auf die sie gar nicht so schnell reagieren können, wie es dann passiert ist. Dass es nach 16 Quartalen des Aufschwungs zu einem Abschwung kommen würde, das hatten wir erwartet. Wir sind auf solche Abschwünge vorbereitet. Aber nicht in der Größenordnung von 50 Prozent. 20, 25 Prozent, das halten wir aus.

Die Strategie: Ringen um neue Kunden

Wir gehen jetzt noch viel aggressiver an den Markt. Wir müssen weg aus der Ecke der Automobilindustrie zu anderen Kunden - etwa in der Medizintechnik und in den energieerzeugenden Branchen wie Windkraft und Solartechnik. Denn die Automobilindustrie ist mehr oder minder tot, da herrscht Investitionsstopp. Wir haben jetzt alle Mitarbeiter sozusagen auf der Straße, die müssen Kunden besuchen. Und zwar nicht mehr VW, Audi und BMW, sondern die müssen jetzt zu Repower und Solartech, um zu schauen, ob es dort Projekte gibt, die zu Aufträgen werden können.

Und wir haben auf die Kostenbremse getreten, sowohl bei den Sachmitteln als auch im Personalbereich. Wir versuchen, die Kapazität herunter zu nehmen - wir haben Personal an Bord für das Doppelte von dem, was im Moment läuft. 25 Leiharbeiter sind raus, 10 Zeitverträge ausgelaufen - das haben wir alles durch. Wir haben heute am Standort Deutschland 50 Prozent Kurzarbeit.

Wir wollen so lange wie möglich keine Mitarbeiter entlassen, weil wir sehr viel qualifiziertes Personal brauchen. 80 Prozent unserer Mitarbeiter sind Facharbeiter. Aber wenn die Krise zu lange anhält, über den Sommer hinaus und möglicherweise ins nächste Jahr geht, dann kann ich das nicht mehr ausschließen. Und wenn es zum Aufschwung kommt, dann geht es nicht wieder in einem Sprung nach oben.

Der Ausblick: Die Banken als Partner

Wir arbeiten daran, uns so aufzustellen, dass wir im Aufschwung wieder gut dabei sind. Aber es kostet Kraft, und es kostet Geld. Wir brauchen die Banken als Partner, damit sie uns helfen, in der Finanzierung durch das Tal zu kommen. Und wenn der Aufschwung kommt, dann brauche ich Geld zur Vorfinanzierung, damit ich zum Beispiel Material einkaufen kann. Die Banken sind aber sehr zurückhaltend.

Dennoch darf man nicht verzagen. Mahr ist seit 148 Jahren unterwegs. Meine Vorfahren haben die Weltkriege überstanden. Wir werden auch diese Krise überstehen. Es wird ein paar Wunden geben, aber die verheilen dann wieder. Da müssen wir jetzt durch."

Protokoll: Claudia Witte, tagesschau.de

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