Deutsch-italienische Regierungskonsultationen Montis Coup passt nicht in Merkels Welt

Stand: 04.07.2012 12:33 Uhr

Die öffentliche Meinung nach dem EU-Gipfel war eindeutig: Italiens Premier Monti und Spaniens Ministerpräsident Rajoy haben Kanzlerin Merkels Widerstand gebrochen. Sie sieht das anders. Heute treffen sich Monti und Merkel, um über ihre verschiedene Sicht des Gipfels zu sprechen.

Von Stefan Troendle, ARD-Hörfunkstudio Rom

Eines ist klar: Ein normales Gipfeltreffen ist das nicht. Die ansonsten regelmäßig etwa einmal pro Jahr stattfindenden sogenannten deutsch-italienischen Regierungskonsultationen - sprich ein Treffen der beiden Regierungschefs und mehrerer Fachminister - stehen diesmal unter genau einem Thema, das alles andere überdeckt: das Ergebnis des EU-Gipfels in Brüssel Ende vergangener Woche. Denn hier gibt es durchaus unterschiedliche Wahrnehmungen.

Stefan Troendle, S. Troendle, ARD Rom, 04.07.2012 13:52 Uhr

Monti reklamiert Gipfel-Ergebnisse als Erfolg für Italien

Italiens Ministerpräsident Mario Monti hatte die Verhandlungen als Erfolg verkauft und betont, dass auch Bundeskanzlerin Angela Merkel Zugeständnisse beim Einsatz der Euro-Rettungsfonds EFSF und ESM gemacht habe. "Wir haben eine Einigung über drei Dinge erzielt: den Wachstumspakt, die ersten Rahmenbedingungen für die Arbeit der zukünftigen wirtschaftlichen und monetären Einheit und - sehr wichtig - kurzfristige Maßnahmen für die Stabilisierung der Eurozone", sagte er damals bei seiner nächtlichen Pressekonferenz.

Das war ein kommunikativer Coup, heißt es in deutschen Diplomatenkreisen - denn das Gipfelergebnis sei ja sehr interpretationsfähig. Schließlich müsse bei einer ESM-Zahlung der Gouverneursrat einstimmig zustimmen. In dem sitze aber auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble - und der benötige für so einen Beschluss die Billigung des Bundestages.

Merkel: Weiter keine Leistung ohne Gegenleistung

Deutschland ist also weiter der Meinung, dass sich inhaltlich nicht viel geändert hat. Kanzlerin Merkel bleibt bei ihrer Auffassung, es gebe keine Leistung für Krisenländer ohne Gegenleistung. Sie hatte ja in Brüssel gesagt: "Also, ich habe mich gestern bestimmt an die zehn Mal mit Mario Monti irgendwo an die Seite gestellt. Und ein spezielles Treffen, also dass wir irgendwo in einen Raum gegangen sind und uns zusammen gesetzt haben, das kann ich nicht bestätigen - aber wir haben dauernd über bestimmte Formulierungen gesprochen. Und uns dann noch ein bisschen mit Fußball beschäftigt."

Ein bisschen mit Fußball beschäftigt hatte sich auch Monti, als er in Kiew die italienische Nationalmannschaft nach der Niederlage im EM-Finale besucht und für den zweiten Platz gelobt hatte: "Die Erfolge waren ja nicht meine, und in Brüssel war das auch nicht so - das war die ganze Regierungsmannschaft mit der Unterstützung des Parlaments. Wenn Italien ernsthaft und gemeinsam arbeitet, dann kommt etwas Vernünftiges dabei raus."

Ein Beschluss - zwei Sichtweisen

Sprich: Die Sichtweisen, auf das, was da in Brüssel vereinbart wurde, sind komplett verschieden. Tatsächlich wurde ja beschlossen, dass die Euro-Rettungsschirme flexibel für Länder genutzt werden können, die die Brüsseler Auflagen beachten. Welche Auflagen das aber sein sollen, soll in einem "Memorandum of Understanding" festgelegt werden - auch wenn Rom der Meinung ist, dass es keine weiteren Auflagen gibt, ist zumindest klar, dass die Beachtung der Brüsseler Auflagen dann zur Verpflichtung wird.

Einen Anlass zum Triumphieren gibt es also aus Berliner Sicht für Italien kaum - und darum dürfte es heute bei den Gesprächen in der römischen Villa Madama vor allem gehen: um die - auch atmosphärische - Annäherung bei der Interpretation des Gipfelergebnisses.

Monti musste einen Erfolg vorweisen

Klar ist ebenfalls: Monti stand innenpolitisch unter Druck, im Parlament drohte ihm die Unterstützung seiner "Technokraten-Regierung" wegzubrechen. Daher musste er einen Erfolg in Brüssel vorweisen. Die Kanzlerin ihrerseits dürfte Wert auf die Feststellung legen, dass sie nicht nachgegeben und keine roten Linien überschritten hat. Hohe Politik also, die die deutsch-italienischen Beziehungen und das derzeit eher negative Deutschlandlandbild in Italien nachhaltig beeinflussen kann.

Mit Kanzlerin Merkel reisen auch Außenminister Guido Westerwelle, Finanzminister Schäuble, Wirtschaftsminister Philipp Rösler, Verkehrsminister Peter Ramsauer und Arbeitsministerin Ursula von der Leyen nach Rom, um sich mit ihren jeweiligen italienischen Kollegen zu treffen.

Außerdem dabei: eine hochrangig besetzte Wirtschaftsdelegation unter anderem mit BDI-Chef Hans-Peter Keitel, Deutsche-Bank-Chef Jürgen Fitschen und E.ON-Chef Johannes Teyssen. Bei deren Gesprächen dürfte wohl ein anderes für die Eurozone derzeit wichtiges Thema eine große Rolle spielen: der Wachstumspakt.