Hintergrund

Armutslöhne: Union und SPD suchen Kompromiss Streit um Mindestlohn: Die Lösungsvorschläge

Stand: 28.03.2008 20:53 Uhr

Die Union will den Mindestlohn nicht, zumindest nicht, wenn er so heißt. Es zeichnet sich in der Koalition allerdings ein Kompromiss ab, der auf einen Mindestlohn für einzelne Branchen hinausläuft. Als politische Krücke dazu soll das Entsendegesetz dienen.

Immer noch streiten sich Union und SPD um den Mindestlohn. Einig sind sich Union und SPD darüber, dass es nicht hinnehmbar ist, wenn Menschen trotz eines Arbeitsplatzes ihren Lebensunterhalt kaum bestreiten können. Allerdings haben die Koalitionspartner verschiedene Vorstellung, wie das Problem am besten zu lösen ist. Als Kompromiss zeichnet sich eine Ausweitung des Entsendegesetzes ab.

Die SPD fordert nach wie vor einen allgemeinen Mindestlohn. Dieser helfe nicht nur den Geringverdienern, sondern kurbele auch die Wirtschaft an, argumentieren die Sozialdemokraten: Die Kaufkraft der Arbeitnehmer werde gestärkt und das komme der Binnenwirtschaft zugute. Bei der Höhe eines Mindestlohnes legt sich die SPD nicht fest. Die Gewerkschaften halten 7,50 Euro als gesetzlich fixierten Stundenlohn für angebracht.

Union schlägt Gesetz von 1952 vor

Für die Union ist der Mindestlohn ein Schreckgespenst, das Unternehmen von Investitionen in Deutschland abhalte und die Konkurrenzfähigkeit gefährde. Allerdings zeigen CDU/CSU den Willen, gegen Niedriglöhne vorzugehen. Dafür grub Union ein Gesetz aus dem Jahr 1952 aus: Das Mindestarbeitsbedingungsgesetz. Wie der Name sagt, gibt dieses dem Staat das Recht, Mindestbedingungen für Arbeit festzulegen. Und zwar für den Fall, dass es keine Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen gibt oder die beteiligten Personen zu schwach sind, die Bedingungen nach ihren Bedürfnissen auszuhandeln. Allerdings wären weitreichende Änderungen nötig, um das Gesetz aus den Anfangstagen der Bonner Republik in der Gegenwart anwenden zu können. Außerdem müsste geklärt werden, welches Staatsorgan die Bedingungen festlegt.

Durchschnittlohn als Messlatte

Als weiteres Angebot schlägt die Union vor, Löhne zu verbieten, die 25 Prozent unter dem ortsüblichen Schnitt liegen. Lohndumping wird damit allerdings nicht verhindert: Ist es in einer Gegend etwa üblich, einem Friseur vier Euro Stundenlohn zu zahlen, dürften hier also drei Euro Stundenlohn nicht unterboten werden. Allerdings werden die Arbeitgeber nicht daran gehindert, allen Friseuren nur noch drei Euro zuzugestehen.

Ausweitung des Entsendegesetzes

Als Kompromiss könnte sich die Ausweitung des Entsendegesetzes eignen. Dieses wird bereits in einigen Zweigen der Baubranche angewendet: Der unterste Tariflohn gilt flächendeckend als Mindestlohn. Sollten sich die Arbeitgeberverbände allerdings weigern, überhaupt einen Mindestlohn-Tarifvertrag abzuschließen, wie zum Beispiel im Hotel- und Gaststättengewerbe oder der Fleischindustrie, greift das Gesetz nicht. Ungeklärt ist bei dieser Lösung auch noch, wer den Tariflohn dann für flächendeckend erklären soll. Die SPD sieht dafür den Arbeitsminister vor, die Union das Kabinett oder den Bundestag.

Stichwort

Im Baugewerbe und im Gebäudereinigerhandwerk gibt es bereits seit längerem Mindestlöhne. Geregelt sind sie durch das Arbeitnehmer-Entsendegesetz, das für gleiche Wettbewerbsbedingungen sorgen und Lohndumping durch ausländische Billigarbeiter verhindern soll. Das Gesetz wurde nun auch auf die Postzusteller ausgedehnt. Grundlage ist ein zwischen ver.di und dem von der Deutschen Post AG dominierten Arbeitgeberverband vereinbarter Tarifvertrag. Der Vertrag sieht einen Mindestlohn von 8,00 bis 9,80 Euro vor. Das Berliner Verwaltungsgericht hat die von der Bundesregierung verabschiedete Verordnung für rechtswidrig erklärt. Das Bundesarbeitsministerium hat dagegen Berufung eingelegt.

Mit Kombilohn auf Hartz-IV-Niveau

Möglich scheint auch die Einigung über den Kombilohn. Dadurch können Armutslöhne von Seiten des Staates beispielsweise bis auf das Niveau von Hartz-IV-Empfängern aufgestockt werden, also auf zirka fünf Euro Stundenlohn. Die SPD steht dem allerdingsskeptisch gegenüber: Die Arbeitgeber könnten den Kombilohn ausnutzen, um die Löhne weiter zu senken und es dem Staat zu überlassen, den Menschen ihr Auskommen zu sichern. Lieber solle gleich ein Mindestlohn auf Hartz-IV-Niveau erlassen werden.