Hintergrund

Wer lebt vom Niedriglohn? 3,82 Euro für eine Stunde Haare schneiden

Stand: 24.08.2007 02:39 Uhr

Friseure in Sachsen haben wenig zu lachen: 615 Euro Lohn im Monat, und das brutto, nach drei Jahren Lehre. Aber auch andere Branchen zahlen wenig für ihre Arbeitnehmer. Drei Millionen Erwerbstätige müssen mit weniger als 940 Euro netto auskommen, so das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung.

Von Lena Wundenberg für tagesschau.de

Rund 4,6 Millionen Beschäftigte arbeiten in Deutschland für weniger als 7,50 Euro die Stunde, hat das Gelsenkirchener Institut für Arbeit und Qualifikation errechnet. Etwa 1,5 Millionen Menschen bekommen demnach sogar weniger als fünf Euro. Die Folge: Drei Millionen Erwerbstätige müssen mit weniger als 940 Euro netto im Monat auskommen, sagt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. Damit leben sie unterhalb der Armutsschwelle.

Nicht nur Hilfsarbeiter, deren Arbeit nicht tarifgebunden ist, sind betroffen. Auch viele nach Tarif bezahlte Fachkräfte erhalten wenig, nach wie vor besonders in Ostdeutschland. Die Zahlen dazu liefert das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Am schlechtesten entlohnt werden demnach Friseure in Sachsen. Nach der Lehre erhalten sie pro Stunde 3,82 Euro. Ein Umzug nach Hessen brächte mehr als doppelt soviel ein. Angestellte dortiger Salons bekommen 7,99 Euro.

Für 4,32 Euro die Nächte um die Ohren schlagen

Auch in anderen Branchen gibt es große Unterschiede zwischen Ost und West sogar bei den Niedriglöhnen. Beschäftigte im Fleischerhandwerk in Sachsen werden mit 4,50 Euro pro Stunde bezahlt, in Niedersachsen kommen sie auf 6,31 Euro. In beiden Bundesländern gab es seit Mitte der 90er Jahre keinen neuen Tarifvertrag – die Kollegen aus Nordrhein-Westfalen gehen seit dem Jahr 2005 mit 8,87 Euro die Stunde nach Hause.

Besonders gering sind die Löhne auch bei Wachdiensten. Zwar verdient ein Wachmann in der untersten Tarifgruppe in Baden-Württemberg 7,71 Euro die Stunde. Diese Höhe ist aber auch im Westen die Ausnahme. In Bayern gibt es nur 6,26 Euro. Zu den Schlusslichtern gehört Mecklenburg-Vorpommern: Hier schiebt ein Wachmann für 4,32 Euro die Stunde Dienst.

Kommt der Mindestlohn?

Als Konsequenz aus den Minilöhnen will das Bundesarbeitsministerium für bestimmte Branchen einen Mindestlohn einführen. Dazu soll auf das Friseurhandwerk, die Fleischverarbeitende Industrie und das Bewachungsgewerbe sowie sieben weitere Bereiche das Arbeitnehmer-Entsendegesetz ausgeweitet werden. Dieses Gesetz gilt bereits für die Baubranche und Gebäudereiniger. Es soll verhindern, dass sich Arbeitnehmer - vor allem aus dem Ausland, so war die Sorge - zu Dumping-Preisen auf dem Arbeitsmarkt anbieten können.

Wie hoch ein Mindestlohn in den ausgewählten Branchen sein soll, darauf sollen sich nach Vorstellungen des Arbeitsministeriums die Tarifpartner einigen. Auf dem Bau liegen die Mindestlöhne derzeit bei 8,90 Euro im Osten und 10,36 Euro im Westen. Gebäudereiniger erhalten im Osten mindestens 6,36 Euro und im Westen 7,87 Euro.

Die Gewerkschaften fordern einen gesetzlichen Mindestlohn für alle - und der soll 7,50 Euro betragen. Arbeitgeberverbände lehnen dagegen einheitliche Mindestlöhne ab. Viele Betriebe könnten höhere Löhne nicht aufbringen und würden ihren Angestellten deshalb kündigen, so ihre Argumentation. In anderen Ländern ist der gesetzliche Mindestlohn dagegen selbstverständlich. In Frankreich zum Beispiel gibt es ihn bereits seit über 50 Jahren. Derzeit beträgt er 8,27 Euro.

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