Interview

Interview "Von Fairsharing profitieren alle"

Stand: 27.08.2007 01:41 Uhr

Oliver Moldenhauer vom Netzwerk "Attac" gehört zu den Mitinitiatoren der Fairsharing-Kampagne. Im Gespräch mit tagesschau.de erläutert er, wie das System funktionieren soll und wo mögliche Probleme liegen.

Oliver Moldenhauer vom Netzwerk "Attac" gehört zu den Mitinitiatoren der Fairsharing-Kampagne. Im Gespräch mit tagesschau.de erläutert er, wie das System funktionieren soll und wo mögliche Probleme liegen.

tagesschau.de: Würde eine anonyme Vergütung von Downloads nicht ausreichen, um die Datenschutzprobleme des Digital Rights Managements zu lösen?

Oliver Moldenhauer: Dadurch würde zumindest das Problem gelöst, dass über jeden Nutzer zahlreiche Daten gesammelt werden. Für die Industrie ist es jedoch wichtig, jede einzelne Kopie eindeutig verfolgen und abrechnen zu können. Sie würde sich also darauf nicht einlassen.

tagesschau.de: Was für Vorteile hätten die Inhaber von Rechten, wenn sie diese zu Gunsten von Fairsharing aufgeben?

Oliver Moldenhauer: Wir gehen davon aus, dass zehn Millionen Menschen in Deutschland Filesharing betreiben - und die lassen sich gar nicht alle verklagen. Das wäre so ähnlich, als ob man in der DDR den Empfang von Westfernsehen verboten hätte. Außerdem werden immer mehr Dateien nicht mehr über das Internet, sondern direkt privat getauscht. Man müsste schon einen Polizeistaat errichten, um diese Entwicklung zu kontrollieren. Die Rechtebesitzer werden also auf Dauer diese Verluste erleiden und würden von unserem Modell nur profitieren. Ohnehin hat es in der Musikindustrie immer wieder massive Umbrüche gegeben. Bei der Einführung des Plattenspielers fürchteten die Notendruckereien um ihr Geschäft, die Plattenverlage sahen sich durch das Radio, später durch Tonbandgeräte und Cassettenrecorder bedroht. Die ganze Industrie ändert sich etwa alle zwei Jahrzehnte massiv. Jetzt neigt sich die Ära der CD dem Ende, so wie es vor 20 Jahren mit der Vinylplatte geschah. Es wird der Industrie nichts anderes übrig bleiben, als sich damit auseinanderzusetzen. Bisher geschieht dies jedoch nicht auf technischer, sondern auf ideologischer Ebene.

tagesschau.de: Wie soll das so eingenommene Geld gerecht verteilt werden?

Oliver Moldenhauer: Wir haben dazu zwei Modelle entwickelt. Das erste registriert, wie oft ein Musikstück oder Video heruntergeladen wird. Hierbei besteht die Gefahr, dass Rechteinhaber die Zahl künstlich in die Höhe treiben, um einen größeren Anteil an der Vergütung zu erhalten. Außerdem wird so der direkte Tausch zwischen Nutzern nicht erfasst. Das zweite Modell orientiert sich an der Erfassung von Zuschauerzahlen: Hierfür lässt eine repräsentative Gruppe zu, dass alle Downloads und Abspielvorgänge anonym registriert werden, gleichgültig, aus welcher Quelle sei stammen werden . Diese Zahlen werden dann hochgerechnet. Natürlich erzielt man damit keine hundertprozentige Genauigkeit, das System wäre aber immer noch exakter als zum Beispiel die Gema-Abrechnungen.

tagesschau.de: Wäre ein solches System praktisch realisierbar?

Oliver Moldenhauer: Der Aufwand wäre hoch, man muss jedoch bedenken, dass gleichzeitig die Kosten für die digitale Rechteverwaltung sowie für die Überwachung und Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen wegfallen würden. Auf diese Weise würden auch keine qualitative Faktoren in die Vergütung eingehen: Wer ein Film ansieht, ein Musikstück hört, dem ist es etwas wert, der Urheber wird dafür bezahlt.

tagesschau.de: Würde eine rein digitale Weitergabe von Musik und Filmen nicht zu einem weiteren Mediensterben führen, zum Beispiel das Kino gefährden?

Oliver Moldenhauer: Nein. Kino, Radio und Fernsehen sind immer wieder tot gesagt worden. Dabei wird Kino als soziales Erlebnis immer wichtiger, auch Live-Auftritte von Künstlern gewinnen an Bedeutung. Trotzdem wird es auch solche Effekte geben: Musik auf silbernen Plastikscheiben zu verkaufen ist absurd aufwändig. Plattenläden und Presswerke werden also massive Probleme bekommen, Arbeitsplätze vernichtet werden. Dies geschieht jedoch unanhängig davon, welches Vergütungsmodell sich im digitalen Vertrieb durchsetzen wird.

tagesschau.de: Was ist mit Menschen, die das Internet nicht nutzen – würden diese durch einen vornehmlich digitalen Vertrieb nicht ausgeschlossen?

Oliver Moldenhauer: Das stimmt, so etwas passiert aber immer wieder. Wer sich keinen CD- oder DVD-Player anschaffen will, kann heute viele Angebote nicht nutzen. Aber auch hier gilt: Dieses Problem existiert unabhängig vom Vergütungsmodell.

Das Gespräch führte Wulf Rohwedder, tagesschau.de.