Nach italienischen Bankenskandal Neuer Chef für Notenbank gefunden

Stand: 26.08.2007 00:05 Uhr

Mario Draghi soll neuer Chef der italienischen Notenbank werden. Die Regierung in Rom und der Zentralbankrat nominierten den Finanzexperten für den Posten. Er muss nun noch von Präsident Carlo Azeglio Ciampi formell ernannt werden. Draghi soll Nachfolger des zurückgetretenen Antonio Fazio werden, gegen den die Staatsanwaltschaft seit Sommer wegen Verwicklung in Bankenskandale ermittelt.

Von Jörg Seisselberg, ARD-Hörfunkstudio Rom

Zur Zeit arbeitet er als Vizepräsident für die US-Investmentbank Goldman Sachs in London. Seine Heimat aber ist Rom. Hier ist Mario Draghi geboren, hier hat er jahrelang die nationale Finanzpolitik mitbestimmt. Von 1991 bis 2002 war der studierte Wirtschaftswissenschaftler Generaldirektor im Schatzministerium – und damit eine der Schlüsselfiguren der italienischen Finanzwelt.

In dieser Zeit hat sich Draghi den Respekt verschafft, der ihm jetzt den Sprung auf den Stuhl des Zentralbankpräsidenten ermöglichte. Ein entscheidender Vorteil im politisch gespaltenen Italien: Draghi ist ein hoch angesehener Fachmann, der sowohl von der Rechten, als auch von der Linken geschätzt wird.

Verdienste unter linken und rechten Regierungen

Der beste Beweis: Die neun Regierungen in den elf Jahren von 1991 bis 2002 wechselten bei ihrem Antritt die Führungsetage des Schatzministeriums fast immer komplett aus – nur einer blieb und diente allen Kabinetten von links bis rechts: Mario Draghi.

Unter dem jetzigen Oppositionsführer Prodi war Draghi entscheidend daran beteiligt, dass Italien von Beginn an zum Kreis der Euro-Länder gehörte. Auch die Privatisierung diverser Staatsbetriebe lag in den Händen Draghis. Im Jahr 2002 wechselte der auch international hoch angesehene Finanzexperte zu Goldman Sachs, weil er – wie er sagte – noch einmal eine neue Herausforderung wollte. Die Rückkehr nach Rom ist für Draghi der vorläufige Höhepunkt seiner Karriere. Der heute 58-jährige steht vor der schwierigen Aufgabe, Italiens angeschlagene Zentralbank aus der Krise zu führen.

Ermittlungen gegen Ex-Notenbankchef...

Der bisherige Präsident Fazio war kurz vor Weihnachten nach einer Reihe von Skandalen zurückgetreten. Er soll bei Übernahmeauseinandersetzungen gegen Gesetze verstoßen und einseitig italienische Banken bevorzugt haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt auch wegen möglicher Insidergeschäfte, in die Italiens bisheriger Topbanker angeblich verwickelt ist.

... waren nationaler Schock

Die Fazio-Affäre war für das Land ein nationaler Schock: Denn die Zentralbank galt im politisch häufig unruhigen Italien als eine der angesehensten Institutionen, als ein Organ, das Stabilität und Sicherheit garantiert. Dieser Ruf ist nach den Skandalen um Fazio schwer beschädigt, auch international hat Roms Zentralbank durch die Affären der vergangenen Monate an Ansehen verloren. Draghi wird zugetraut, dieses Vertrauen zurückzugewinnen.

Draghi war nicht Berlusconis erste Wahl

International besitzt er beste Kontakte, national hat der Vater von zwei erwachsenen Kindern die Unterstützung von Regierung und Opposition. Zwar war Draghi zunächst nicht der Wunschkandidat von Ministerpräsident Silvio Berlusconi, weil er als zu oppositionsnah galt. Als aber andere Lösungen sich nicht durchsetzen ließen – unter anderem weil Staatspräsident Ciampi sein Veto einlegte –, schwenkte Berlusconi sehr schnell auf den Namen Draghi ein.

Ein Sprecher des Ministerpräsidenten heute, die Nominierung Draghis sei eine Entscheidung „für hohe Professionalität“, eine Entscheidung jenseits des politischen Lagerdenkens. Vertreter der Opposition sprechen in ersten Reaktionen von einer „optimalen Lösung“. Draghi soll sein neues Amt am 1. Februar antreten.

Gesetzliche Konsequenzen aus Fazio-Skandal

Anders als seine Vorgänger wird er für sechs Jahre ernannt. Bislang war die Amtszeit der Notenbankpräsidenten in Italien unbegrenzt. Diese Regelung wurde im Zuge der Fazio-Skandal abgeschafft. Draghi ist der erste italienische Zentralbankchef, der nach den neuen Gesetzen direkt von der Regierung vorgeschlagen wurde. Seine Ernennungsurkunde bekommt Draghi von Ciampi.