Zeitungsverlage planen Einsparungen "Wirtschaftskrise spielt keine entscheidende Rolle"

Stand: 05.12.2008 14:49 Uhr

Die WAZ-Mediengruppe hat auf einer Betriebsversammlung drastische Kürzungspläne vorgestellt. Rund 260 Stellen sollen vor allem in den Lokalredationen gestrichen werden. Wie andere Zeitungsverlage begründet sie die Sparmaßnahmen offiziell mit der Wirtschaftskrise. Experten sehen aber ganz andere Gründe für die finanzielle Schieflage der Branche.

Von Niels Nagel, tagesschau.de

Gesucht wird die "eierlegende Wollmichsau": Ein Lokalredakteur der seinen Zeitungsartikel schreibt, gleichzeitig Fotos knipst, die Meldung für das Internet aufbereitet und am besten noch Interviews für das Radio mitschneidet. So sieht das zumindest Volker Dörken, Betriebsratsvorsitzender der "Westfalenpost" in Hagen, im Gespräch mit tagesschau.de. Was zurzeit noch von mehreren Journalisten erledigt wird, soll künftig nur noch einer machen. "Synergie-Effekte" nutzen heißt das im Wirtschaftsdeutsch. Arbeitsplatzabbau ist damit gemeint. Den plant die Geschäftsführung der WAZ-Mediengruppe, zu der die "Westfalenpost" gehört. Anfang November wurden gerüchteweise Pläne bekannt, nach denen von aktuell 900 Arbeitsplätzen in Nordrhein-Westfalen 300 gefährdet seien. Heute wurde die Geschäftsführung konkret: 260 Stellen sollen vor allem in den Lokalredationen wegfallen. Erhoffter Spareffekt: 30 Millionen Euro.

Verlage übertrumpfen sich mit Sparmaßnahmen

Schlägt die allgemeine Wirtschaftskrise nun auf die Medien durch? Die Verlage übertrumpfen sich zumindest mit Sparmaßnahmen, nicht nur bei der WAZ-Mediengruppe. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" kündigte an, zehn Prozent sparen zu wollen, ein Einstellungsstopp ist schon längst verhängt. Die Eigentümer der "Süddeutschen Zeitung" ließen verlauten, dass Einsparungen unabdingbar seien und der Abbau von Redakteursstellen ausdrücklich nicht ausgeschlossen werde. Der Zeitungskonzern Holtzbrinck will beim "Handelsblatt" und der "Wirtschaftswoche" die Kosten senken und das Medienunternehmen Gruner und Jahr durchforstet sein Angebot nach Titeln, die nicht mehr ausreichend rentabel sind. Erstes Opfer ist das Hochglanzmagazin "Park Avenue", das im Januar eingestellt wird. Seine Wirtschaftstitel, wie die "Financial Times Deutschland" oder "Capital", will der Verlag künftig von einer zentralen Wirtschaftsredaktion erstellen lassen. Hunderte von Arbeitsplätzen sind gefährdet.

Werbeeinbrüche eher gering

Die Gründe für die Zeitungsmisere sind für die Verlagshäuser schnell ausgemacht: Der seit Jahren zu verzeichnende Auflagen- und Anzeigenrückgang, das Internet, aber vor allem auch die momentan dramatische Wirtschaftslage. Branchenkennern kommt das irgendwie bekannt vor.

Schon vor sieben Jahren wurde die deutsche Medienlandschaft von einer tiefen Krise erschüttert. Nach dem Kollaps der New Economy 2000 brach vielen Zeitungen ihre Hauptfinanzierungsquelle weg: Werbung und Anzeigen, die bis zu zwei Drittel der Finanzierung ausgemacht hatten. Der "Süddeutschen Zeitung" ging es damals sehr schlecht, die Wochenzeitung "Die Woche" stellte ihren Betrieb ein.

Verglichen mit damals fällt die Krise von heute eher bescheiden aus. Zwar prognostiziert der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft einen Rückgang der Werbeinvestitionen für das Jahr 2009 um ein bis zwei Prozent. Doch droht der Branche "kein freier Fall in eine nachhaltige Werbekrise" heißt es im aktuellen Dossier "Werbebranche und Finanzkrise" des Verbands. Das dürfte auch die Zeitungsverlage beruhigen - Angst vor einer kompletten Anzeigenflaute müssen sie keine haben.

Zumal sie aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt und sich von allzu großen Abhängigkeiten befreit haben. Erzielten sie vor dem Zusammenbruch der New Economy gerade ein Drittel ihrer Einnahmen aus dem Verkauf der Blätter, sind es heute im Schnitt bereits 45 Prozent.

Die Angst vor der Konkurrenz im Internet mag da begründeter sein. Wissenschaftler der Fachhochschule Mainz schätzen, dass die deutschen Tageszeitungen bis zum Jahr 2018 rund 30 Prozent ihrer Leser an das Internet verlieren werden. Bis dahin werde das World Wide Web dann mindestens über so viele Werbeinnahmen verfügen wie die Printmedien. Die Zukunftsaussichten sind also tatsächlich nicht rosig, doch eine neue Erkenntnis ist dies nicht, sagen Medienexperten. Die aktuelle Wirtschaftskrise hätte daran nichts geändert. Tatsächlich verdienen zumindest einige Verlagshäuser, trotz der Krise, momentan nicht schlecht. Der Verlag Gruner und Jahr erreichte beispielsweise im ersten Halbjahr 2008 einen Vorsteuergewinn von 117 Millionen Euro.

Zeitungsverlage instrumentalisieren Krise

"Es sieht so aus, als ob die großen deutschen Verlage die Wirtschaftskrise zu einem guten Stück für ihre Zwecke instrumentalisieren", sagt der Dortmunder Medienexperte Horst Röper im tagesschau.de-Interview. Die aktuelle Medienkrise also eine Erfindung der Medien? Röper hat daran keinen Zweifel: "Es handelt sich hierbei um strukturelle Probleme von Tageszeitungen." Die verlieren seit zehn Jahren chronisch an Auflage - da spielt die aktuelle Krise wirklich nicht die entscheidende Rolle." Vielmehr scheint die Gelegenheit günstig, Personalkosten zu reduzieren, um so die Rendite der Verlagshäuser zu erhöhen. Diesen Verdacht hegt auch der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes, Michael Konken, wenn er sagt: "Die Geschäftsführer großer Verlage interessieren sich mehr für Gewinnmaximierung und nicht für das journalistische Produkt."

Journalistische Qualität leidet

Dass dieses Denken nicht folgenlos für den Zeitungsjournalismus bleibt, ist für den Dortmunder Medienwissenschaftler Röper klar. Der Ansatz, mit immer weniger Personal mehr gute Inhalte zu liefern, kann seiner Meinung nach auf Dauer nicht gut gehen. "Wo Pluralität verloren geht, leidet auch immer die Qualität der Berichterstattung", sagt er tagesschau.de.

Doch auch die WAZ geht diesen Weg. Zwar soll es künftig weiter vier eigenständige WAZ-Zeitungen in Nordrhein-Westfalen geben, jetzt allerdings gefüttert von einer Zentralredaktion aus Essen. Ereignisse, die bisher von allen vier Zeitungen mit eigenen Reportern besucht wurden, sollen dann nur noch einem WAZ-Journalisten abgebildet werden. Wie das in der Praxis funktionieren soll, vermag "Westfalenpost"- Betriebsrat Volker Dörken nicht wirklich abzuschätzen. "Gerade für die lokale Berichterstattung ist es doch wichtig, dass die örtlichen Journalisten über jedes Hühnerauge des Bürgermeisters Bescheid wissen."