Hintergrund

Neue globale Leitwährung gefordert Chinesischer Angriff auf den Dollar

Stand: 24.03.2009 21:41 Uhr

Wer Erdöl, Gold oder Anleihen auf dem Weltmarkt kauft, muss meist in Dollar zahlen. Die globale Leitwährung war lange konkurrenzlos. Doch die Dollar-Dominanz leidet unter der Finanzkrise. China forderte kurz vor dem Weltfinanzgipfel in London eine neue Leitwährung - und hat dabei vor allem die Wechselkurse im Blick.

Von Natalia Bachmayer, HR Frankfurt

Jahrzehntelang erschien er übermächtig, der US-Dollar. Egal ob Rohstoffe oder Anleihen: Wer auf den globalen Märkten etwas kaufen wollte, musste fast immer in der US-Währung bezahlen. Das hat sich zwar in den vergangenen Jahren relativiert. So gilt mittlerweile der Euro als Leitwährung Nummer zwei, die im Eiltempo zum Dollar aufschließt. Chinas Wirtschafts-Funktionäre scheinen dem Prozess aber nicht zu trauen: Sie möchten eine dauerhafte Alternative zum Dollar schaffen. Und so lässt der Chef der chinesischen Zentralbank nun verlauten, man solle die sogenannten Sonderziehungsrechte des Internationalen Währungsfonds (IWF) zur neuen Leitwährung küren.

Diese Sonderziehungsrechte (SZR) sind gewissermaßen ein Korb, in dem vier wichtige Weltwährungen liegen: US-Dollar, Euro, Pfund Sterling und Yen. Das Verhältnis der vier zueinander wird regelmäßig angepasst und spiegelt die Bedeutung der jeweiligen Devisen für den Welthandel wider. Stellt der IWF fest, dass ein weltweiter Bedarf an zusätzlicher Liquidität besteht, kann er seinen Mitgliedsländern Sonderziehungsrechte zuteilen.

Rätselraten über Chinas Vorschlag

Warum die Chinesen ausgerechnet die SZR als neue Leitwährung sehen, dürfte unter Experten weltweit Rätselraten auslösen. Schließlich führen sie seit ihrer Einführung vor 30 Jahren eher ein Schattendasein. Auch stellt sich die Frage, wie so ein Wechsel durchgesetzt werden kann in einem System, das die Leitwährung frei definiert: Es ist schlicht die, die bei Transaktionen am häufigsten verwendet wird. Und da war der Dollar nun mal über Jahrzehnte unschlagbar.

"Im Grunde geht es wohl darum, die Wechselkurse international festzuschreiben", glaubt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka-Bank, im Gespräch mit der ARD-aktuell-Redaktion in Frankfurt. Denn dies wäre fast unweigerlich die Folge einer Einführung der IWF-Sonderziehungsrechte als Leitwährung.

Die Wechselkurse bereiten den Chinesen Kummer: Je schwächer der Dollar wird, desto stärker wird ihre eigene Währung - und das ist nun mal schlecht, wenn man seine Produkte auf dem Weltmarkt absetzen will. Die Lösung lautet: Dollar aufkaufen. Dann sind - im Verhältnis - mehr Yuan auf dem Markt, die dadurch wiederum billiger werden. Schon seit Jahren erwirbt China in großem Stil US-Dollar - ein Vorgehen, das international argwöhnisch beäugt wird. "Vielleicht wollen die Chinesen mit einer Festschreibung der Wechselkurse und der Kontrolle durch eine internationale Behörde wie den IWF einfach die leidige Debatte um ihre Dollarkäufe beenden", vermutet Kater.

Sorge um Wertverfall der Devisenreserven

Volker Wieland, Wirtschaftswissenschaftler am Center for Financial Studies der Universität Frankfurt am Main, sieht in der immensen Dollar-Akquise noch ein weiteres Risiko für die chinesische Regierung: Verliert der Dollar im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise weiter an Wert, gehen auch die Währungsreserven der Chinesen - mittlerweile fast zwei Billionen Dollar - in den Keller. "China kann daran arbeiten, dass es seine Währungsreserven langsam umschichtet", meint Wieland im Gespräch mit ARD-aktuell. "Möglicherweise muss es dann aber eine gewisse Aufwertung der eigenen Währung gegenüber dem Dollar in Kauf nehmen."

Ein fast unlösbares Dilemma für die Exportnation. Verständlich also, dass chinesische Politiker den einfachen Ausweg bevorzugen: Stabilität durch Festschreibung der Wechselkurse als voraussichtliche Folge einer Einführung der IWF-Sonderziehungsrechte als Leitwährung.

Experten gegen feste Wechselkurse

Eine schlechte Idee, findet Wieland. So eine Maßnahme sei vergleichbar mit dem 1971 abgeschafften Währungssystem von Bretton Woods oder dem Europäischen Währungssystem EWS mit seiner künstlichen Leitwährung ECU. "Die hatten letztlich keinen Bestand. Ich sehe das daher eher skeptisch", sagt der Wirtschaftswissenschaftler.

Deka-Bank-Chefvolkswirt Kater sieht einen weiteren Nachteil: Gerade für krisengeschüttelte Staaten seien freie Wechselkurse derzeit eine wichtige Möglichkeit, über eine Abwertung der eigenen Währung beispielsweise den Export anzukurbeln und die Volkswirtschaft zu stabilisieren. Würde ein Wechselkurssystem mit engen Bandbreiten eingeführt, könnte das ausgerechnet den Schwachen schaden.

Ob sich dennoch Unterstützer für solche Gedankenspiele finden, wird sich in der kommenden Woche zeigen. Da treffen sich die G20-Finanzminister in London. Die Chinesen dürften die Gelegenheit nutzen, einen weiteren Vorstoß in Sachen Sonderziehungsrechte zu wagen. Kater bezweifelt allerdings, dass die chinesische Delegation Erfolg haben wird: Die Ursachen der internationalen Finanzkrise lägen schließlich nicht in den freien Wechselkursen - da habe das Thema Leitwährung derzeit sicherlich nicht oberste Priorität.