Laster in einem Kohlebergwerk im russischen Kemerovo

Neue Embargo-Pläne Wie wichtig ist die russische Kohle?

Stand: 05.04.2022 16:34 Uhr

Rund die Hälfte der importierten Steinkohle in Deutschland kommt bislang aus Russland. Allerdings haben Unternehmen längst damit begonnen, zu Lieferanten aus anderen Staaten zu wechseln.

Von Lilli-Marie Hiltscher, ARD-Finanzredaktion

Die EU-Kommission hat angesichts des Kriegs in der Ukraine unter anderem einen Einfuhrstopp russischer Steinkohle vorgeschlagen. Laut Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen importiert die EU jährlich Kohle im Wert von vier Milliarden Euro aus Russland.

Über einen Stopp der Energieimporte aus Russland wird bereits seit längerem diskutiert, doch vor allem Deutschland stellt sich bislang gegen ein Komplett-Embargo. Denn die deutsche Wirtschaft ist wie keine andere in Europa von den Energieimporten aus Russland abhängig - vor allem beim Erdgas. Nun aber könnte die EU-Kommission mit einem Stopp der Steinkohleimporte einen Kompromiss gefunden haben, dem alle EU-Staaten zustimmen und der die Gasimporte speziell nach Deutschland zunächst unangetastet lässt.

50 Prozent der Kohle kommt aus Russland

Die Bundesrepublik importierte im vergangenen Jahr laut Statistischem Bundesamt Kohle im Wert von rund 2,2 Milliarden Euro aus Russland. Das entspricht mehr als 50 Prozent der gesamten Einfuhren von Steinkohle nach Deutschland. Abnehmer der russischen Kohle sind etwa die Energiekonzerne RWE, Uniper und EnBW. Sie müssen Steinkohle importieren, denn in Deutschland wurde die Förderung Ende 2018 eingestellt - sie war international nicht mehr wettbewerbsfähig.

Im Jahr 2020 hatte Russland an der weltweiten Kohleförderung einen Anteil von rund fünf Prozent - und gehörte zugleich mit einem Exportvolumen von 199 Millionen Tonnen zu den drei größten Kohleexporteuren weltweit. Nur Indonesien und Australien exportierten 2020 mehr Kohle als Russland.

Importe können ersetzt werden

Einem Embargo russischer Kohle zustimmen, dürfte der deutsche Regierung nicht besonders schwer fallen. Denn wie das Netzwerke EconPol Europe mithilfe eines Simulationsmodells errechnet hat, kann Deutschland die Einfuhren von Steinkohle aus anderen Ländern ersetzen. So zählen neben Indonesien und Australien auch die USA und China zu den weltweit größten Förderern des "schwarzen Goldes".

Steinkohle machte im Jahr 2021 mit 35,9 Millionen Tonnen Steinkohleeinheiten etwa 8,5 Prozent des Primärenergieverbrauchs in Deutschland aus. Die Hauptnutzer von Steinkohle sind laut Bundeswirtschaftsministerium in Deutschland die Kraftwerke zur Stromerzeugung und die Stahlindustrie. Die Ampel-Parteien haben in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, dass die den kompletten Kohleausstieg bis 2030 erreichen wollen.

Als nächstes Stopp der Öllieferungen?

Nach Russlands Angriff auf die Ukraine hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bereits angekündigt, dass bis zum Frühsommer "ein Großteil der Betreiber gänzlich auf russische Steinkohle verzichtet haben" werde. Bis Ende des Sommers werde Deutschland frei von russischen Kohle-Lieferungen sein. "Unternehmen lassen Verträge mit russischen Lieferanten auslaufen, verlängern sie nicht und stellen auf andere Lieferanten um. Und das in einem Wahnsinnstempo", so der Grünen-Politiker.

Heute hieß es laut Nachrichtenagentur dpa aus Kreisen des Wirtschafts- und Klimaschutzministeriums, dass der Wirtschaftsminister den aktuellen Vorschlag der EU-Kommission unterstütze. Auch aus der SPD kamen entsprechende Signale. Außenministerin Annalena Baerbock sagte, die EU wolle den "Komplettausstieg" aus der Energie-Abhängigkeit von Russland einleiten, "beginnend bei Kohle, dann Öl".

Ein komplettes Embargo russischer Energie - also auch ein Verbot der Gaslieferungen - hat der Wirtschaftsminister auch nach Bekanntwerden der Gräueltaten im ukrainischen Butscha immer wieder abgelehnt. "Auch wenn wir unabhängiger von russischen Importen werden, ist es für ein Energieembargo zum jetzigen Zeitpunkt zu früh", so Habeck. "Noch wären die ökonomischen und sozialen Folgen zu gravierend."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 05. April 2022 um 17:00 Uhr.