Interview

Debatte über Nothilfe für Banken "Die ganze Stresstesterei war nichts wert"

Stand: 07.10.2011 18:10 Uhr

Das Ergebnis des Banken-Stresstests im Sommer war eindeutig: Nur acht der 91 europaweit getesteten Institute fielen durch. Die große Mehrheit erwies sich als finanziell krisenfest. Und doch wird jetzt über Milliardenhilfe für Banken gesprochen. Jetzt zeige sich, dass die ganze Stresstesterei nichts wert war, sagt ARD-Korrespondent Rolf-Dieter Krause. Und dies nur wegen des fahrlässigen Umgangs mit der wichtigsten Währung überhaupt: Glaubwürdigkeit.

tagesschau.de: Der Banken-Stresstest im Juli hat ergeben, dass die allermeisten Banken in Europa genug Kapital haben, um Krisen zu überstehen. Nun wird plötzlich wieder über neues Geld für die Banken gesprochen. Wie kann das sein?

Rolf-Dieter Krause: Das muss man sich in der Tat fragen, denn das passt nicht zusammen. Eine sichere Antwort gibt es nicht. Vieles spricht dafür, dass der Stresstest eher mild angelegt war, um mit einem positiven Ergebnis die Märkte beruhigen zu können. Und das rächt sich nun.

Andererseits ist nicht ausgeschlossen, dass die Lage sich verschlimmert hat. Die Frage ist allerdings, wo das der Fall sein soll. In den vergangenen Tagen hieß es verschiedentlich, dass auf die Banken eine Last in Höhe von 200 Milliarden Euro zukommen könne. Diese Last allerdings kann bei weitem nicht aus Griechenland kommen. Erstens ist der Wert der griechischen Anleihen, die von Banken gehalten werden, deutlich geringer. Und zweitens ist ja selbst im schlimmsten Fall nicht mit einem Totalausfall dieser Anleihen zu rechnen.

Zur Person

Rolf-Dieter Krause leitet seit 2001 das ARD-Fernsehstudio in Brüssel. Bereits 1992 veröffentlichte der gebürtige Lüneburger sein Buch "Europa auf der Kippe: Vierzehn Argumente gegen den Vertrag von Maastricht". 2012 wurde er vom Medium Magazin als "Journalist des Jahres" ausgezeichnet. Er sei im Schicksalsjahr der Eurokrise zum Erklärer Europas geworden.

tagesschau.de: Die Möglichkeit einer Staatspleite war im Juli als Szenario nicht eingeplant. Konnte man das damals noch nicht absehen?

Krause: Hier hat sich die Lage eigentlich nicht verändert: Offiziell wird auch heute jeder Gedanke an eine Pleite Griechenlands zurückgewiesen. Gleichzeitig fragen sich aber schon lange nahezu alle kundigen Beobachter, ob das Land überhaupt in der Lage ist, wieder auf die Beine zu kommen - dies vor allem angesichts einer Bevölkerung, die die Wirklichkeit nicht zur Kenntnis nehmen will.

tagesschau.de: Hat sich die Lage seitdem denn tatsächlich so gravierend verschlechtert?

Krause: In Griechenland kann man das nicht unbedingt sagen. Außer, dass die griechische Regierung den ganzen Sommer ungenutzt hat verstreichen lassen. Solchen Zeitverlust kann man sich eigentlich nicht leisten. Nein, die neueren Probleme scheinen eher woanders her zu kommen. Man weiß dazu nicht viel Genaues. Hier in Brüssel wird immer wieder Italien genannt, möglicherweise auch Spanien. Vor allem Italien macht Sorgen, weil die Politik dort - um es nett auszudrücken - eher locker mit den Problemen umgeht.

tagesschau.de: Welchen Sinn machen solche Stresstests überhaupt, wenn man nach wenigen Monaten feststellen muss, dass die Ergebnisse keine Relevanz haben?

Krause: Gute Frage, und eigentlich beantwortet sie sich von selbst. Andererseits muss man wissen, dass so ein Stresstest ja nicht nur eine Prüfung darstellt, sondern dass er auch wieder Wirkung entfaltet. Wenn etwa bei einer Bank öffentlich festgestellt würde, dass sie nicht allzu robust ist, dann würde sie erst recht in die Probleme geraten, weil Kunden aus Angst ihr Geld abziehen und weil ihre Aktionäre aussteigen würden. Hier muss man also eine Balance finden.

Nur: Wenn sich, wie jetzt schon nach ein paar Wochen, zeigt, dass die ganze Stresstesterei nichts wert war - dann werden sogar die Resultate für jene Banken entwertet, die eigentlich ein gutes Urteil verdient haben. Und das alles nur wegen des fahrlässigen Umgangs mit der wichtigsten Währung, die wir haben. Diese Währung heißt nicht Euro oder Dollar, sie heißt: Glaubwürdigkeit.

Die Fragen stellte Holger Schwesinger per E-Mail.