Hintergrund Fragen und Antworten zur Immobilienkrise

Stand: 26.09.2008 16:30 Uhr

Die weltweite Krise ist nicht von heute auf morgen über die Finanzmärkte hereingebrochen. Am Anfang stand ein beispielloser Boom auf dem amerikanischen Häusermarkt, der auf leichtsinnige Käufer und unseriöse Banker traf. Am Ende setzte ein Dominoeffekt ein, der die Märkte weltweit beben ließ. Was genau war geschehen? Fragen und Antworten zur Immobilienkrise.

Zusammengestellt von Andrea Krüger, tagesschau.de

Wie kam es zur Immobilienkrise?

Die heutige Krise hat ihre Ursprünge bereits am Anfang des Jahrzehnts. Seit Anfang 2001, verstärkt aber nach dem 11. September, hatte die US-Notenbank eine Politik der niedrigen Zinsen betrieben. Nach den Terroranschlägen sollte so eine Panik verhindert werden. Die Notenbank behielt ihre Niedrigzinspolitik allerdings auch bei, als es der Wirtschaft in den USA längst besser ging. Zwischen Anfang 2001 und Mitte 2003 sanken die Zinsen von 6,5 auf ein Prozent, erst Mitte 2004 begann die Fed, die Zinsen Schritt für Schritt zu erhöhen. Über Jahre hinweg war Geld also billig – und viele Amerikaner griffen zu. Vor allem der Traum von den eigenen vier Wänden rückte plötzlich auch für Menschen in greifbare Nähe, die sie sich eigentlich nicht leisten konnten. Die Folge: Die Nachfrage nach Häusern stieg schneller als das Angebot, die Immobilienpreise explodierten.

Wieso konnten Menschen Häuser kaufen, obwohl sie eigentlich kein Geld dafür hatten?

In dieser Situation traten willige Geldgeber auf den Plan: Immobilienfinanzierer und Regionalbanken verliehen viele Milliarden Dollar an Kreditnehmer mit zweifelhafter Bonität. Diese zweitklassigen Hypothekendarlehen – so genannte Subprime Loans – waren in der Regel teurer als herkömmliche Darlehen, dafür wurde großzügig darüber hinweggesehen, wenn Schuldner über wenig oder gar keine Sicherheiten verfügten. Für deutsche Verhältnisse unvorstellbar: Nicht wenige Häuser wurden ohne einen einzigen Cent Eigenkapital finanziert. Die Blase platzte 2006: Nach Jahren ungebremsten Baubooms hatte einerseits das Angebot an Immobilien die Nachfrage überholt und die Häuserpreise gingen wieder nach unten. Andererseits sorgten die nach und nach steigenden Zinsen bei vielen Hausbesitzern für ein böses Erwachen. Sie konnten ihre Raten nicht mehr bezahlen. Ende 2006 lag die Zahl der in Zwangsvollstreckung befindlichen Hypothekenkredite auf dem höchsten Stand seit fast 40 Jahren.

Wie wurde aus der Immobilienkrise die Bankenkrise?

Mit steigenden Zinsen wurde es für viele Hausbesitzer schwieriger, ihre Kredite zu bedienen. Viele Hypotheken platzten. In diesen Strudel gerieten schnell diejenigen, die den Kreditnehmern das Geld leichtfertig geliehen hatten – die Hypothekenfinanzierer, unter ihnen auch Schwergewichte der Branche.

Was genau war geschehen? Immobilienfinanzierer hatten in den Jahren des Booms ein scheinbar todsicheres Geschäft entwickelt, um die Risiken bei den Subprime Loans klein zu halten: Sie verkauften die Kredite einfach weiter. Die Käufer wiederum – Großanleger wie Banken und Hedge Fonds - stückelten sie oftmals bis zur Unkenntlichkeit, mischten gute und schlechte, bündelten das ganze neu und verkauften diese Pakete ebenfalls weiter. Am Ende der Kette standen oft Finanzkonstrukte wie die "Rhineland Funding", die im vergangenen Jahr die deutsche IKB ins Schleudern brachte. Diese Gesellschaften refinanzierten ihre Ankäufe, indem sie Spezialanleihen herausgaben, als deren Sicherheit die angekauften Kredite dienten.

Ein undurchsichtiges Geschäft? Sicher, obgleich Finanzexperten einwenden, dass auf diese Weise Risiken auf viele Schultern verteilt wurden. Als aber 2006 die Abwärtsspirale einsetzte, half das jedoch nichts – im Gegenteil. Die unzähligen faulen Kredite, auf denen das gesamte System fußte, rissen nach und nach alle Beteiligten mit. Nach den taumelnden Hypothekenfinanzierern erwischte es die Banken: Mitte vergangenen Jahres kündigten die ersten milliardenschwere Abschreibungen an. Im Sommer schließlich kam es zum Showdown: Weil niemand wusste, wer wie tief im Subprime-Sumpf steckten, wollten sich die Banken untereinander kein Geld mehr leihen. Erst als die Zentralbanken eingriffen und zusätzliches Geld in den Markt pumpten, beruhigte sich die Lage wieder. Doch es war die Ruhe vor dem Sturm: Viele Banken konnten das wahre Ausmaß der Krise bis ins letzte Quartal 2007 kaschieren.

Doch es war die Ruhe vor dem Sturm: Branchenriesen wie Citigroup oder Merill Lynch mussten Ende 2007 und in der ersten Hälfte 2008 Milliardenabschreibungen bekannt geben. Im Juli 2008 ging mit IndyMac die erste Hypothen- und Bausparbank pleite. Anfang September mussten die beiden größten Baufinanzierer der USA Fannie Mae und Freddie Mac wegen ihres drohendes Bankrotts in staatliche Obhut genommen werden. Es kam aber noch dicker. Wenig später meldete das Traditionshaus Lehman Brothers, Amerikas viertgrößte Investmentbank, Konkurs an. Auch der weltgrößte Versicherer, die AIG, geriet ins Wanken und konnte nur durch einen Kredit der US-Notenbank in Höhe von 85 Milliarden Dollar gerettet werden.

Wann und wie kam die Krise nach Deutschland?

Spätestens im Sommer 2007. Im Juli gab die IKB Deutsche Industriebank – ein Mittelstandsfinanzierer, an dem die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zu 38 Prozent beteiligt ist – eine Gewinnwarnung heraus, die es in sich hatte. Das als solide geltende Institut musste einräumen, dass es über eine undurchsichtige Gesellschaft in den USA namens "Rhineland Funding" in das Geschäft mit faulen Hypothekenkrediten verwickelt ist. Die "Rhineland Funding" – Eigenkapital 500 Dollar – hatte rund 13 Milliarden Dollar in Kredite und Spezialanleihen investiert und diese Geschäfte mit obskuren Wertpapieren gegenfinanziert. Die IKB hatte als Sicherheit für diese Geschäfte eine milliardenschwere Kreditlinie in Aussicht gestellt. Als die Rhineland diese Garantie wegen fauler Kredite tatsächlich in Anspruch nehmen musste, drohte der IKB das Aus. Nur eine eilends organisierte Rettungsaktion deutscher Banken unter Führung der staatlichen KfW konnte das schließlich verhindern. Der IKB-Schock blieb jedoch nicht der einzige: Nach und nach räumten auch andere deutsche Banken ein, von der Krise nicht verschont geblieben zu sein. Bemerkenswert ist, dass es in Deutschland vor allem öffentlich-rechtliche Institute traf. Auch Privatbanken sind betroffen – nach bisherigen Einschätzungen wohl aber in weit weniger großem Ausmaß als befürchtet.

Die Krise hat zeitweise die Aktienmärkte weltweit nach unten gerissen. Ich habe aber gar keine Aktien, was geht es mich also an?

Tatsächlich haben in Deutschland nur wenige Verbraucher in Aktien investiert - die Angaben schwanken zwischen sechs und acht Prozent. Zum Vergleich: In der Schweiz sind es rund 30 Prozent, in den USA etwa 25. Was viele allerdings vergessen: Auch bei Lebensversicherungen oder Pensionsfonds liegt das Geld nicht einfach auf der hohen Kante. Es wird investiert - und zwar unter anderem in Aktien. 2006 lag diese Aktienquote nach einer Studie von Ernst&Young und dem Fondsanbieter CAM bei rund 16 Prozent. Auch das ist vergleichsweise wenig, aber natürlich sind Einbrüche an dieser Stelle spürbar. Der Sprecher des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft, Peter Schwark, zerstreute jedoch allzu große Bedenken in einem Interview. Es sei nicht davon auszugehen, dass es durch die derzeitigen Aktienmarktschwankungen zu größeren Veränderungen komme. Auf die Überschussbeteiligung für das laufende Jahr hätten mögliche Kursrutsche ohnehin keinen Einfluss - diese hätten die meisten Versicherer bereits deklariert. Die Krise kann aber auch an anderen Stellen durchschlagen: Banken könnten in Zukunft weitaus vorsichtiger werden bei der Vergabe von Krediten. Folglich werden Verbraucher beim Konsum und Unternehmen bei ihren Investitionen Abstriche machen. Das wiederum könnte das Wachstum bremsen. In Deutschland dürfte die Kreditpolitik der Banken allerdings weit weniger stark betroffen sein als beispielsweise in den USA, da hierzulande weitaus stärker auf Sicherheiten und Eigenkapital des Kreditnehmers geachtet wird.