HRE: Ackermann kritisiert Bund "Regierung hat uns sehr weit getrieben"

Stand: 28.07.2009 23:09 Uhr

Ende September 2008 verhandelten Banken und Bankenaufsicht ein Wochenende lang über die Rettung der HRE. Der Bund als Retter kam erst spät dazu - zu spät? Fast, sagte Deutsche-Bank-Chef Ackermann vor dem Untersuchungsausschuss. Erst in letzter Minute habe die Regierung eingelenkt und Hilfen zugesagt.

Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann hat der Bundesregierung vorgeworfen, zu langsam auf die Krise der Immobilienbank Hypo Real Estate (HRE) reagiert zu haben. Das Finanzministerium habe sich in Person von Staatssekretär Jörg Asmussen im September 2008 erst sehr spät in die Gespräche zur Rettung des Instituts eingeschaltet, sagte Ackermann vor dem HRE-Untersuchungsausschuss des Bundestages. Erst persönliche Telefonate mit Bundesfinanzminister Peer Steinbrück und Bundeskanzlerin Angela Merkel hätten eine Wende gebracht.

"Es war eine Minute vor Zwölf"

Am letzten Wochenende im September 2008 hatten Vertreter von Privatbanken, Bundesbank und Finanzaufsicht zunächst ohne die Regierung über Liquiditätshilfen für die strauchelnde HRE verhandelt. Ackermann zeichnete jetzt vor den Parlamentariern einen weitaus dramatischeren Verlauf der damaligen Beratungen als bisher bekannt. Die Rettung der HRE wäre um Haaresbreite gescheitert, sagte Ackermann. Es sei "eine Minute vor Zwölf" gewesen.

Zudem äußerte Ackermann scharfe Kritik am Liquiditätsmanagement der Hypo Real Estate, die in den letzten beiden Septemberwochen immer neue Zahlen zu ihrer Finanzsituation abgeliefert habe. "Die Zahlenqualität war mangelhaft, die Bank hatte selbst keine klare Sicht. Eine gut geführte Bank hätte diese Probleme nicht gehabt." Auch sei er vom HRE-Geschäftsmodell nie richtig überzeugt gewesen.

"Die Botschaft war: Die Regierung kann nicht helfen"

Die Bank war in Schwierigkeiten geraten, weil sich die Banken weltweit nach der Pleite der US-Bank Lehman-Brothers aus Unsicherheit über weitere Schieflagen gegenseitig kein Geld mehr liehen. Ackermann sagte, die HRE habe sich am 22. September bei der Deutschen Bank direkt um einen abgesicherten Kredit von 15 Milliarden Euro bemüht. Im Verlauf der Beratungen seien die Schätzungen dann weiter auf 35 Milliarden Euro gestiegen.

Diese Summe hätten die Banken nicht alleine tragen können. Bei den Rettungsbemühungen sei für die Regierung Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen allerdings erst Sonntag gegen 17.00 Uhr zu der Runde gestoßen. "Bis 22.00 Uhr war die klare Botschaft von Asmussen, die Regierung kann nicht helfen, das ist zeitlich gar nicht drin, das heißt Nein", sagte Ackermann.

Zu diesem Zeitpunkt seien alle von einem Scheitern der Verhandlungen ausgegangen. Er habe dann Steinbrück spätabends persönlich die voraussichtliche Lage für den kommenden Tag, den Montag, geschildert: Ohne eine staatliche Lösung für die HRE hätte eine "sehr schwierige Situation" bis hin zu einem Zusammenbruch der Finanzmärkte gedroht. Steinbrück habe vorgeschlagen, die Hilfen von 35 Milliarden Euro je zur Hälfte durch den Bund und die Banken abzusichern. Das hätte die Banken aber überfordert.

"Das war gefährlich"

Ackermann sagte, er habe daraufhin seitens der Banken sieben Milliarden Euro angeboten. Steinbrück habe dann Rücksprache mit Merkel gehalten, die ihn danach angerufen und auf zehn Milliarden Euro habe festlegen wollen. Zum Schluss habe man sich auf 8,5 Milliarden Euro geeinigt. "Merkel ist es gelungen, noch 1,5 Milliarden Euro mehr aus mir herauszupressen", sagte Ackermann.

"Wenn Merkel mich um 0.45 Uhr nicht mehr am Handy erreicht hätte, wäre es zu spät gewesen." Er kritisierte, dass sich das Finanzministerium erst so spät eingeschaltet habe, habe viel Zeit gekostet. "Wenn man taktisch gespielt hat, hat man es sehr gut getan und uns sehr weit getrieben - das war gefährlich."

Koalition und Opposition sehen sich bestätigt

Die Aussage von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann vor dem HRE-Untersuchungsausschuss des Bundestages hat Koalition und Opposition gleichermaßen Auftrieb gegeben. Der FDP-Obmann im Ausschuss, Volker Wissing, sagte nach der mehrstündigen Vernehmung Ackermanns, dieser habe bestätigt, dass die Regierung nicht vorbereitet gewesen sei auf die Rettung der HRE. "Die Regierung hat die Lage unterschätzt", kritisierte Wissing. Und nicht nur das: "Die Situation ist ganz klar so, dass der Staat hier über den Tisch gezogen wurde."

Die SPD-Finanzpolitikerin Nina Hauer sagte dagegen, Ackermann habe den haltlosen Vorwürfen der Opposition die Grundlage entzogen. Niemand in der Finanzwelt, auch nicht Ackermann, habe die Lehman-Pleite vorhergesehen. Zudem habe Ackermann anerkannt, dass die Regierung damals im Interesse der Steuerzahler hart mit den Banken verhandelt habe. Die Grünen forderten, Merkel vor den Ausschuss zu laden.

Löwenanteil fließt nach Irland

Inzwischen ist die Garantiesumme für die HRE auf 102 Milliarden Euro gestiegen, wovon rund 87 Milliarden der Staat schultert. Der neue HRE-Vorstandschef Axel Wieandt berichtete vor dem Untersuchungsausschuss, dass der Löwenanteil der Nothilfe nach Irland abfließt. Nach seinen Worten wurde die von Bundesbank und Privatbanken bereitgestellte und vom Bund garantierte Milliardensumme zu 80 Prozent verwendet, um die irische HRE-Tochter Depfa zu retten. Der Obmann der Grünen, Gerhard Schick, stellte in einer Sitzungspause die Frage, warum die Bundesregierung nicht versucht habe, die Regierung in Dublin in die Rettungsverhandlungen einzubeziehen, "wenn es doch um irische Probleme geht".

Fehlerhaftes Krisenmanagement der Bundesregierung?

Die HRE hatte im Oktober 2007 die Pfandbriefbank Depfa übernommen, die langfristig Geld an Staaten verlieh und sich die nötigen Summen immer wieder kurzfristig am Kapitalmarkt besorgte. Das profitable, aber riskante Geschäftsmodell platzte, als die US-Bank Lehman Brothers im September 2008 pleiteging.

Der Untersuchungsausschuss soll klären, ob durch fehlerhaftes Krisenmanagement der Bundesregierung der Steuerzahler belastet wurde und welche Lehren daraus zu ziehen sind. Sollte der HRE-Ausschuss bis zur Konstituierung eines neuen Bundestags nach der Wahl am 27. September keine Ergebnisse vorweisen, verfallen seine bis dahin erhobenen Beweise.