Interview

Regierung debattiert über Hypo Real Estate "Die HRE gehört verstaatlicht!"

Stand: 04.02.2009 12:34 Uhr

Die Regierung versucht, eine gemeinsame Linie zur Hypo Real Estate finden - bislang ohne Ergebnis. Doch das sei ohnehin eine Schattendebatte, so der Ökonom Otte gegenüber tagesschau.de. Die Öffentlichkeit sollte "das bisschen Gegenwert bekommen, das noch da ist". Daher gehöre die HRE "natürlich verstaatlicht".

Die Bundesregierung versucht, eine gemeinsame Linie zur Verstaatlichung der Hypo Real Estate zu finden - bislang ohne Ergebnis. Dies sei ohnehin nur eine Schattendebatte, so der Ökonom Otte gegenüber tagesschau.de. Die Öffentlichkeit sollte "das bisschen Gegenwert bekommen, das noch da ist". Der Regierung warf Otte vor, sich von den Banken instrumentalisieren zu lassen.

tagesschau.de: War es richtig, die HRE zu retten?

Max Otte: Im Rückblick nein. Ein Konkurs hätte zwar sicherlich hier und da zu Kettenreaktionen geführt. Es wäre vielleicht besser gewesen, die Banken in der zweiten Reihe zu retten, die besser gewirtschaftet haben.

tagesschau.de: Wie viel Geld steckt denn jetzt schon in der HRE?

Otte: Fast 100 Milliarden Euro, das sind mehr als 1000 Euro pro Bundesbürger. Das ist unvorstellbar, wenn man überlegt, dass durch das Konjunkturpaket II jeder Bundesbürger um zehn Euro entlastet wird.

"Schattendebatte" um Verstaatlichung

tagesschau.de: Was halten Sie von der Verstaatlichung der HRE?

Otte: Das ist eine Schattendebatte, natürlich gehört die HRE verstaatlicht. Man könnte die HRE pleite gehen lassen, aber dafür wurde bereits zu viel Geld hineingesteckt. Das Management hat sich verzockt, und die Aktionäre, die die Bank letztlich nicht richtig beaufsichtigt haben, sollten am Kapitalmarkt das Risiko des Kapitalverlustes tragen. Wenn 100 Milliarden Euro öffentliches Geld hineingeben wird, dann gehört diese eigentlich insolvente Institution auch der Öffentlichkeit. Der Bund würde die Bank ja nicht staatswirtschaftlich leiten, sondern einen Sanierungsplan erstellen, neue Manager einstellen, die Bank möglicherweise teilweise reorganisieren und verkaufen. Für das viele Geld sollte die Öffentlichkeit auch das bisschen Gegenwert bekommen, das noch da ist. 

tagesschau.de: Die Banken haben offenbar eine Salamitaktik gefahren, um den Staat ins Boot zu holen. Haben sich Kanzlerin Merkel und Finanzminister Steinbrück instrumentalisieren lassen?

Otte: Sie haben sich dagegen gestemmt, aber viel genützt hat es nicht. Steinbrück sprach davon, man müsse Brandstifter bestrafen, Brandbeschleuniger entfernen, Brandschutzwände einziehen. Damit hat er recht, aber letztlich haben er und Kanzlerin Merkel sich vor den Karren spannen lassen – trotz des guten Willens. Denn in der Politik fehlen hohe Verwaltungsbeamte, die solche Aufgaben stemmen können. Die Politik ist nicht grundsätzlich unfähig, solche Problem zu lösen, aber es wurde versäumt, gute Leute zu entwickeln und einzubinden.

"Der Staat muss gute Leute anwerben"

tagesschau.de: Sie beklagen das Fehlen fähiger Leute auf staatlicher Seite – andererseits fordern Sie eine Verstaatlichung der HRE. Wie passt das zusammen?

Otte: Der Staat muss auf dem freien Markt gute Leute anwerben, die sich dann auch in die Pflicht nehmen lassen. Ich denke an Leute wie Hannes Rehm, der aber jetzt den SoFFin übernommen hat. Man findet solche Leute nur, wenn man aktiv sucht. Aber stattdessen überlässt man den Banken teilweise die Ausarbeitung des ersten Rettungspaketes mit. In dieser geheimen Arbeitsgruppe saßen laut Medienberichten neben Verwaltungsbeamten auch die Vorstände großer Privatbanken, die jetzt das Geld bekommen. So geht das eigentlich nicht.

tagesschau.de: Gegner von staatlichen Interventionen argumentieren, der Staat sei viel zu klein, um internationale Märkte zu regulieren.

Otte: Das ist eine reine Schutzbehauptung. Alles wird gerne auf die globale Vernetzung geschoben, aber irgendwo muss man anfangen. Deutschland kann durchaus hier und da strengere Regeln einführen und dies auch auf EU-Ebene versuchen umzusetzen. Man müsste in der EU eine europäische Rating-Agentur anpacken. Nach dem Totalversagen der privaten US-Agenturen kann eine staatliche Agentur nicht schlechter sein. Auch die Tobin-Steuer wäre eine Maßnahme. Ein Prozent Steuer auf alle internationalen Kapitaltransaktionen ist völlig marktkonform und würde den Handel fast nicht behindern, auch Direktinvestitionen wären kaum beeinträchtigt. Aber diese wahnsinnigen spekulativen Kapitalflüsse wären mit einem Schlag massiv reduziert.

tagesschau.de: Letztendlich werden die gescheiterten Banker jetzt also noch belohnt?

Otte: Ja, es ist wirklich grotesk. Wenn Obama eine flammende Rede hält und die Ausschüttung von 18 Milliarden Dollar an Boni an der Wall Street für 2008 anprangert, ist dies eine Geste der Machtlosigkeit. Das ist bestenfalls Beruhigung für das Volk.

Das Gespräch führte Patrick Gensing, tagesschau.de