Ausblick auf 2012 Zuversicht trotz schlechter Prognosen

Stand: 10.01.2012 18:03 Uhr

Trotz Schuldenkrise, Sparpaketen und Rezessionsangst war es für viele Branchen ein gutes Jahr. Entsprechend zuversichtlich blicken viele Unternehmen auf 2012. Aber es gibt auch Branchen, für die es eng wird.

Von Jan Ehlert, tagesschau.de

Glaubt man den aktuellen Konjunkturprognosen, dann wird es ein schwieriges Jahr für die deutsche Wirtschaft. Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) rechnet nach dem starken Wachstum 2011 mit einer "drastischen wirtschaftlichen Abkühlung". Das Bruttoinlandsprodukt werde 2012 im Deutschland um 0,1 Prozent schrumpfen, in der Eurozone sogar um 0,6 Prozent. Andere Wirtschaftsforschungsinstitute und die Bundesregierung erwarten für das laufende Jahr zumindest ein geringes Wachstum.

Nach den vergangenen beiden Jahren voller Rekorde beurteilen viele Unternehmen die weiteren Geschäftsaussichten zurückhaltend. Laut einer Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) blicken die Vertreter von 23 der 46 befragten Branchen weniger optimistisch ins neue Jahr als zum Jahreswechsel 2010/2011. Dennoch: Großer Anlass zur Sorge besteht nicht. Trotz der Konjunkturlage rechnen nur elf Verbände mit sinkenden Umsätzen oder Produktionszahlen. Zwischen den einzelnen Branchen zeigen sich größere Unterschiede, als es die allgemeinen Zahlen für das deutsche Bruttoinlandsprodukt vermuten lassen.

Export verzeichnet Rekordergebnisse

Exportorientierte Unternehmen profitieren stärker denn je von der weltweiten Nachfrage. Laut Statistischem Bundesamt stiegen die Ausfuhren zwischen Januar und November 2011 um zwölf Prozent gegenüber dem Vorjahr. 2011 übertreffen die Exporteure damit zum ersten Mal Waren im Wert von einer Billion Euro - für 2012 sagt der Branchenverband BGA ein weiteres Wachstum um sechs Prozent voraus.

Zu den Gewinnern gehörte dabei schon im vergangenen Jahr die Automobilindustrie. 2011 führten die deutschen Hersteller 4,5 Millionen Autos aus, so viele wie noch nie zuvor. Und die Absatzmärkte in China und Indien wachsen weiter. Die Autoproduktion in Deutschland erreichte eine neue Rekordmarke.

Auch der Binnenmarkt stabilisierte sich, nachdem 2010 infolge des Auslaufens der Abwrackprämie die Verkaufszahlen eingebrochen waren. Für 2011 zählte das Kraftfahrt-Bundesamt 3,17 Millionen neu zugelassene Pkw. Das entspricht zwar einer Steigerung von 8,8 Prozent, doch die Neuzulassungen lagen damit deutlich unter dem Schnitt der vergangenen zehn Jahre.

Binnenmarkt als Konjunkturstütze

Der Einzelhandel ist dagegen anders als die Exporteure abhängig von den Verbrauchern in Deutschland und deren Kaufkraft. "Der Arbeitsmarkt ist gut, die Einkommen steigen, das Konsumklima ist stabil", sagt Kai Falk vom Branchenverband HDE. Das sorgt für wachsende Umsätze. Trotz der Schuldenkrise gelang den Händlern 2011 nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes ein Wachstum zwischen 2,7 und 2,9 Prozent. Hauptantriebsmotor ist dabei der boomende Internet- und Versandhandel. Bis November 2011 schaffte er ein Umsatzplus von 6,3 Prozent.

"Die Schuldenkrise hat sich weder in der Verbraucherstimmung noch im tatsächlichen Konsumverhalten nachhaltig bemerkbar gemacht", sagt auch Analyst Stefan Schilbe von HSBS Trinkaus. "Solange sich die Beschäftigungslage nicht merklich verschlechtert, bleibt der Konsum eine Stütze der Konjunktur."

Die Aussichten dafür sind gut: Nicht nur der Einelhandel, sondern insgesamt 38 der 46 befragten Branchenverbände gehen davon aus, dass es 2012 bei ihnen nicht zu einem Stellenabbau kommen wird. Sieben Verbände rechnen sogar mit neuen Arbeitsplätzen. Das gilt nicht nur für den Einzelhandel, der nach eigenen Angaben 2011 bereits 50.000 neue Stellen geschaffen hat, sondern auch für die Metall- und Elektroindustrie, deren Firmen nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr fast 200.000 zusätzliche Mitarbeiter einstellten und für 2012 weitere Jobs in Aussicht stellen.

Gute Chancen für Zeitarbeiter

Neue Arbeitsplätze verspricht ebenfalls der Maschinen- und Anlagenbau, der 2011 Rekordumsätze verzeichnete. "Der Produktionszuwachs führt auch zu zunehmenden Einstellungen", sagt der Hauptgeschäftsführer des Verbandes VDMA, Hannes Hesse, in seiner Prognose für 2012. Profitieren könnten davon vor allem die Zeitarbeiter. "Die Wahrscheinlichkeit einer dauerhaften Übernahme ist hoch und unsere Firmen nutzen das Instrument vornehmlich nicht aus Kostengründen", betonte VDMA-Präsident Thomas Lindner. Laut einer Studie des Verbands vom September 2011 beschäftigen die Mitgliedsunternehmen rund 57.000 Zeitarbeiter zusätzlich zur festangestellten Stammbelegschaft.

Trübe Aussichten für Stahlindustrie

In Industriebranchen, die stärker vom Rohstoffmarkt abhängen, sind die Aussichten für 2012 dagegen pessimistischer. Dies gilt insbesondere für die Stahlindustrie sowie die Branche der Mineralöl verarbeitenden Betriebe. Beide Verbände rechnen damit, dass das Produktionsergebnis 2012 schlechter ausfallen wird als im Vorjahr.

"Die wirtschaftliche Lage der deutschen Raffinerien bleibt angespannt, nicht zuletzt weil im Nahen Osten und Asien weiterhin neue hochmoderne Anlagen entstehen, die zur weltweiten Raffinerieüberkapazität beitragen", heißt es in der Stellungnahme des Mineralölwirtschaftsverbands (MWV). Darüber hinaus werde durch die Entwicklung effizienterer und sparsamer Fahrzeuge sowie den höheren Anteil von Bio-Kraftstoffen und die anhaltenden Effizienzsteigerungen beim Energieeinsatz in der Industrie und im Wärmemarkt der Absatz von Mineralölprodukten weiter zurückgehen.

Die deutsche Stahlindustrie leidet nach eigenen Angaben dagegen besonders unter der Schuldenkrise. Der Branchenverband Wirtschaftsvereinigung Stahl musste im November 2011 die Produktionsprognose für das Jahr nach unten korrigieren. " Die Stahleinkäufer warten derzeit ab, wie sich die Konjunktur weiter entwickeln werde", sagte Verbands-Präsident Hans Jürgen Kerkhoff. Für 2012 erwartet die Branche niedrigere Umsatz- und Produktionszahlen als im Vorjahr. Allerdings sei auch kein deutlicher Einbruch zu erwarten.

Stellenabbau im Bankensektor wahrscheinlich

Zu den möglichen Verlierern des Jahres zählt nach Angaben des zuständigen Bundesverbandes (BdB) auch der Bankensektor. Insbesondere die hohe Staatsverschuldung und die nur langsam sinkenden Haushaltsdefizite in den Industrieländern sorgten für große Verunsicherungen, heißt es in der Prognose des Verbandes. Durch die insgesamt schwächere Konjunktur sinke auch die Kreditnachfrage, zudem stünden zusätzliche Belastungen infolge der Finanzkrise bevor. 2012 sei daher auch ein Abbau von Arbeitsplätzen wahrscheinlich.

Trotzdem: Einen starken Einbruch befürchtet auch der Bankensektor nicht. Und auch die Konjunkturprognosen der Wirtschaftsinstitute zeigen langfristig einen positiven Trend: Spätestens im Sommer soll der Aufschwung zurückkommen. Voraussetzung aber ist eine schnelle Lösung der Schuldenkrise in Staaten der Eurozone. Falls die derzeitige Unsicherheit in Europa über das Frühjahr hinaus anhalte, könne auch die deutsche Wirtschaft eine längere Schwächephase durchlaufen, warnt der Konjunkturchef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Ferdinand Fichtner. Dann könne das deutsche Bruttoinlandsprodukt im ganzen Jahr 2012 noch stärker schrumpfen.