Debatte über mögliche Insolvenz Griechenlands FDP ignoriert Merkels Schweigegebot

Stand: 14.09.2011 09:04 Uhr

Der Streit um die Griechenland-Hilfen geht weiter. Ungeachtet der Kritik von Kanzlerin Merkel besteht die FDP auf einer Debatte über eine mögliche Insolvenz. So wandte sich Wirtschaftsminister Rösler erneut gegen ein "Denkverbot" und FDP-Fraktionschef Brüderle im ARD-Morgenmagazin gegen ein "Tabu".

In der Bundesregierung ist ein Ende des Streits über die Griechenland-Hilfen nicht in Sicht. Ungeachtet der Appelle ihres Koalitionspartners wollen die Liberalen weiter über eine mögliche Insolvenz debattieren.

Der Fraktionsvorsitzende Rainer Brüderle wies im ARD-Morgenmagazin die Kritik an Äußerungen seines Parteivorsitzenden Philipp Rösler über eine mögliche Insolvenz Griechenlands zurück. Diese bewegten sich genau auf der Linie dessen, was die Euro-Finanzminister für den dauerhaften Stabilitätsmechanismus formuliert hätten. Auch dort sei eine Beteiligung privater Gläubiger als Möglichkeit erwähnt worden.

Zwar müsse man "mit dieser schwierigen Situation umsichtig umgehen", so Brüderle weiter. Es gehe aber nicht an, "dass man einfach ein Tabu darüber legt".

Über alles reden

Ähnlich äußerte sich FDP-Generalsekretär Christian Lindner gegenüber der "Financial Times Deutschland". Die Menschen in Deutschland, die Finanzmärkte und die Griechen bräuchten langfristig Klarheit. Das lasse sich nicht durch ein "Schweigegelübde" erreichen, wie von der Kanzlerin verordnet. Lindner beteuerte, die FDP wolle nicht die Insolvenz Griechenlands herbeireden, jedoch bringe ein "Kurieren an den Symptomen" keine Ruhe in die Märkte.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger vertrat die Ansicht, Rösler habe eine Debatte aufgenommen, die in die Zukunft blicke. Im Moment besitze die EU keine Regeln für den Fall, dass Euro-Länder in eine dramatische Schulden- und Finanzkrise geraten. "Die sollten wir schaffen, auch wenn es schwierig ist", sagte die bayerische FDP-Landesvorsitzende den Dortmunder "Ruhr Nachrichten".

Rösler hatte für Aussagen breite Kritik geerntet. Innerhalb der Koalition waren Bundeskanzlerin Angela Merkel und weitere Unionspolitiker auf Distanz zum FDP-Chef gegangen. Aber Rösler legte nach: Er wiederholte seine umstrittenen Überlegungen zu Griechenland und betonte erneut, dass es "keine Denkverbote" bei der Frage geben dürfe, wie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Griechenlands wiederhergestellt werden könne.

Hartmann: Merkels Worte - "eine Schimäre"

Auch der liberale Wirtschaftsminister im Saarland, Christoph Hartmann, kritisierte das "kategorische Denkverbot", das Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Frage einer Insolvenz Griechenlands ausgesprochen habe. "Die von Frau Merkel beschworene Alternativlosigkeit ihrer Euro-Politik ist eine Schimäre", sagte Hartmann der "Saarbrücker Zeitung". "Sie muss aufpassen, dass sie sich nicht von den Menschen entfremdet. Wir müssen jetzt ein Signal an die Menschen in diesem Land senden, dass Griechenland kein Fass ohne Boden wird."

Machtwort für abgewogene Worte

Merkel hatte zu Zurückhaltung gemahnt, nachdem Rösler öffentlich die Möglichkeit einer Insolvenz Griechenlands in Erwägung gezogen hatte. Im RBB-Inforadio hatte sie erklärt, dass sich mit dem Euro die Zukunft Europas entscheide. "Und deshalb sollte jeder auch seine Worte sehr vorsichtig wägen."

Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble verwies noch einmal in der "Rheinischen Post" darauf, mit Worten sorgfältig umzugehen. Er warnte nachdrücklich davor, über eine Insolvenz Griechenlands zu spekulieren.

Bosbach: Die CDU muss Wort halten

Doch Schäubles CDU-Parteikollege, Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach, will eine Insolvenz Griechenlands nicht ausschließen. Allerdings sei sie nicht das politische Ziel. Im ZDF warnte er seine Partei vor einem Wortbruch. Er wolle, dass die CDU bei dem bleibe, was sie bei der Einführung des Euro versprochen habe. "Es ging um die Einführung einer Währungsunion und nicht um eine Transferunion und schon gar nicht um eine Schuldenunion", ergänzte Bosbach.

Die Antwort auf die hohen Schulden Griechenlands könne nicht lauten, "dass die Staatengemeinschaft auf Dauer haften oder zahlen muss". Es müsse die Eigenverantwortung der Länder gestärkt werden.

Trittin: Kanzlerin muss Rösler entlassen

Auch führende Oppositionspolitiker von SPD, Grüne und Linkspartei hatten tags zuvor bereits harsche Kritik gegen Rösler gerichtet.

Der Grünen-Bundestagsfraktionsvorsitzende Jürgen Trittin stellte in der "Passauer Neuen Presse" nun erneut die Forderung: "Die Kanzlerin hat die Richtlinienkompetenz. Sie muss Herrn Rösler entlassen." Er frage sich, wie lange Merkel "dem amateurhaften Treiben der FDP-Truppe" noch zuschauen wolle. Trittin sagte, Rösler sei als Wirtschaftsminister eingestellt und nicht als "Dampfplauderer".

Das öffentliche Spekulieren eines Amtsträgers über einen Konkurs eines EU-Mitgliedslandes sei leichtsinnig und abenteuerlich. Die Reaktion der Börsen auf Röslers Äußerung verteure die Euro-Rettung. "Das sollte man auch als Praktikant im Wirtschaftsministerium begriffen haben", sagte Trittin. Für ihn gibt es im Bundestag nur noch drei Europa-Parteien: CDU, SPD und Grüne. Linkspartei, CSU und FDP hingegen entwickelten sich zu anti-europäischen Parteien. "Wenn die Kanzlerin ihre Dissidenten nicht auf Kurs bringt, muss sie Neuwahlen anstreben", sagte er.