Sitzungsmarathon zu Griechenlandhilfe Merkel wartet weiter ab

Stand: 28.04.2010 18:10 Uhr

Kanzlerin Merkel will keine deutschen Hilfsgelder für Griechenland auf den Weg bringen, bevor sich IWF und Athen auf ein Sanierungsprogramm geeinigt haben. Derweil dringen neue Zahlen über die Größe des Gesamtpakets nach außen: Sowohl Regierung als auch Opposition gehen von einem deutlich höheren Finanzbedarf Griechenlands aus.

Bundeskanzlerin Angela Merkel will vor weiteren Entscheidungen zur Finanzkrise Griechenlands die Ergebnisse der direkten Verhandlungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) mit dem Land über ein Sanierungsprogramm abwarten.   

"Wir haben jetzt im Augenblick erst einmal die Phase, dass der Internationale Währungsfonds und die Europäische Kommission mit Griechenland ein Programm ausarbeiten müssen", sagte Merkel und drängte zur Eile: "Ich hoffe, dass das bis zum Ende der Woche geschieht. Davon hängt dann alles Weitere ab."

Deutschland werde seinen Beitrag für die Griechenlandhilfe leisten, "um den Euro als Ganzes zu sichern", bekräftigte Merkel.

Angeblich viel höherer Finanzbedarf Athens

Griechenland braucht zur Abwehr einer Staatspleite offenbar viel mehr Geld als die bisher bekannten 45 Milliarden Euro. Deswegen gibt es Spekulationen, dass die EU und damit auch Deutschland ihre Hilfen kurzfristig erheblich aufstocken müssen. Hierzu äußerte Merkel sich nicht. Allerdings signalisierte Österreich bereits, dass es seinen Anteil an der Griechenlandhilfe noch erhöhen könnte.

Drei Jahre Laufzeit, insgesamt 135 Milliarden Euro?

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin und SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann zufolge liegt der Konsolidierungsbedarf in der Größenordnung zwischen 100 und 120 Milliarden Euro auf drei Jahre. Das sagten die beiden nach einem Treffen mit den Chefs des Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Zentralbank, Dominique Strauss-Kahn und Jean-Claude Trichet.

Wirtschaftsminister Rainer Brüderle zufolge sollen am Ende sogar 135 Milliarden Euro für drei Jahre fällig werden. Der IWF werde davon jährlich 15 Milliarden Euro tragen, die EU 30 Milliarden Euro. Die jährliche Belastung für Deutschland liege aktuell bei 8,4 Milliarden Euro. Die Risiken könnten aber weit größer sein. "Ich kann nicht ausschließen, dass es ein höherer Betrag wird", sagte Brüderle, der zurzeit Brasilien bereist.

Stündlich steigt der Druck auf die Politik

Angesichts der rapiden Herabstufung der Kreditwürdigkeit Griechenlands erhöht sich der Druck auf die Politik, nahezu stündlich. Bei einem Treffen unter der Leitung Merkels sollte heute innerhalb des Kabinetts das weitere Vorgehen abgestimmt werden. Eingeladen waren Außenminister Guido Westerwelle, Finanzminister Wolfgang Schäuble, Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Kanzleramtschef Ronald Pofalla sowie Vertreter der Ministerien für Wirtschaft und Inneres. Strauss-Kahn und Trichet hatten sich zudem mit Merkel und Schäuble zu Gesprächen getroffen.

Schäuble ohne "Blankovollmacht"

Schäuble sagte am Nachmittag, er werde die Fraktionschefs des Bundestags über die weitere Entwicklung auf dem Laufenden halten. Er sei nicht mit einer "Blankovollmacht" des Parlaments ausgestattet, so der Ressortchef. Dennoch könnte das Kabinett bereits am Montag die nächsten Entscheidungen für die Griechenlandhilfe treffen, sagte Vizeregierungssprecherin Sabine Heimbach.

Ratingagenturen zur Ordnung gerufen

Die EU-Kommission rief derweil die Ratingagenturen zur Ordnung. Eine Sprecherin des für Finanzdienstleistungen zuständigen EU-Kommissars Michel Barnier riet den Agenturen, bei ihren Bewertungen "verantwortungsvoll und streng" vorzugehen.

Gipfel der Eurogruppe geplant

EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy kündigte einen Krisengipfel der Staats- und Regierungschefs der Eurogruppe an. Das Treffen solle "um den 10. Mai herum" stattfinden, sagte Van Rompuy. Die Staats- und Regierungschefs würden dann - in Absprache mit der EU-Kommission, der EZB und dem IWF - über die Auszahlung der von Griechenland beantragten Finanzhilfen entscheiden. Die Beratungen über die Freigabe der Finanzhilfen seien "auf gutem Wege", sagte Van Rompuy. Es gehe nicht darum, private Gläubiger wie Banken an der Hilfsaktion zu beteiligen, betonte der EU-Ratspräsident: "Eine Restrukturierung der Schulden steht nicht zur Debatte."

Deutsche Bank signalisiert Entgegenkommen

Die Deutsche Bank schloss eine Beteiligung privater Geldinstitute an der Rettung Griechenlands nicht aus. Die Banken könnten dabei eine bestimmte Höhe des an den griechischen Staat verliehenen Geldes abschreiben, sagte Deutsche-Bank-Chefvolkswirt Thomas Mayer. 50 Milliarden Euro könnten beispielsweise von privaten Investoren übernommen werden.

Im Gegensatz zu anderen deutschen Kreditinstituten ist die Deutsche Bank von den Finanzproblemen Griechenlands kaum betroffen. Die Hypo Real Estate und Commerzbank, die selbst durch staatliche Rettungsmaßnahmen vor dem Kollaps bewahrt wurden, haben den Griechen indes rund elf Milliarden Euro geliehen.