Hintergrund

Griechenlands Kampf gegen die Schuldenkrise Ein Teufelskreis aus Zeit und Geld

Stand: 27.08.2012 17:52 Uhr

Seit drei Jahren kämpft Griechenland gegen seine Schuldenkrise. Doch die massiven Einsparungen gehen in den Bilanzen leicht unter: Mit den reduzierten Ausgaben sind auch die Einnahmen gesunken. Ein Kreislauf, in dem es für Athen schwer ist, die Schuldenkrise zu überwinden.

Von Anna-Mareike Krause, tagesschau.de

In der vergangenen Woche hat Antonis Samaras um mehr Zeit gebeten: Erst bis 2016 könne seine Regierung die Defizitquote auf EU-Norm senken - zwei Jahre später als vereinbart. Auch das bereits für 2011 vorgesehene Ziel, die Defizitquote auf 7,6 Prozent zu senken, hat Griechenland nicht erreicht - trotz intensiver Sparmaßnahmen.

Fast 24 Milliarden Euro gab der Staat im Jahr 2012 nach Schätzungen des IWF weniger aus als im Jahr 2009 - ein Fünftel der Ausgaben wurde gestrichen. 24 Milliarden, das entspricht etwa den kompletten Einnahmen, die Deutschland jährlich aus Solidaritätszuschlag, KFZ-Steuer und Erbschaftssteuer hat.

Die Liste, mit der die Regierung diese Sparanstrengungen erreicht hat, ist lang: Mehr als tausend Stadtverwaltungen wurden zusammengelegt auf nur noch 370, Beamtengehälter über 2000 Euro eingefroren und das 13. und 14. Monatsgehalt im öffentlichen Dienst gestrichen, Mindestlohn und Renten wurden gesenkt. Im öffentlichen Dienst soll nur noch jede fünfte frei werdende Stelle besetzt werden, für den Rest gilt Einstellungsstopp. Der aufgeblähte Beamtenapparat soll um 150.000 Arbeitsstellen reduziert werden, kompensiert durch längere Arbeitszeiten für die verbliebenen Beamten. Allerdings hatte bereits die sozialistische Vorgängerregierung im vergangenen Jahr versucht, 30.000 Stellen in diesem Bereich abzubauen. Tatsächlich wurden aber nur 6500 Stellen gestrichen.

Zudem erhöhte die Regierung in zwei Schritten die Mehrwertsteuer auf 23 Prozent, die Vermögenssteuer soll angehoben und eine "Solidaritätssteuer" eingeführt werden. Steuerbefreiungen sollen wegfallen. Vor der Krise hatte die damalige griechische Regierung unter der Partei Nea Demokratia, der auch der jetzige Ministerpräsident Samaras angehört, einige Steuern gesenkt, so dass Einkommen aus Gewinnen und Vermögen mit nur 15,9 Prozent besteuert wurden.

Sinkende Ausgaben, sinkende Einnahmen

Diese seit 2009 beschlossenen Reformen haben zwar die Ausgaben reduziert - doch die Gesamtverschuldung ist noch gestiegen: 2009 war Griechenland mit knapp 300 Milliarden Euro verschuldet, in diesem Jahr werden es voraussichtlich 15 Milliarden Euro mehr sein - trotz massiven Sparkurses. Denn die Reformen der griechischen Regierung haben zu einem Einbruch der Wirtschaftskraft geführt. Niedrigere Löhne und Gehälter bedeuten niedrigere Steuereinnahmen für den Staat und gleichzeitig weniger Kaufkraft.

Die Industrie steuert nur etwa 15 Prozent zu der griechischen Wirtschaftsleistung bei, das Land lebt zu einem großen Teil vom Tourismus. Außerdem sind 700.000 Menschen im öffentlichen Dienst angestellt, eine Verschlankung der Bürokratie trifft deshalb die Wirtschaft des ganzen Landes. Momentan liegt die Arbeitslosigkeit bei 24 Prozent und droht, bis Jahresende auf 30 Prozent zu steigen.

Ein Teufelskreis: Alle Maßnahmen, die eine Senkung der Ausgaben zum Ziel haben, führen bisher zwangsläufig zu niedrigeren Einnahmen. Die ursprünglich durch die Finanzkrise 2007 ausgelöste Rezession wurde so durch die harte Einsparpolitik verlängert und dauert bis heute an. Das Bruttoinlandsprodukt, also die Summe aller Löhne und Waren, ist seit 2009 um 25 Milliarden Euro gesunken.

Das hat auch dramatische Folgen für die Einhaltung der EU-Vorgaben: Mit IWF und EU hatte Athen ausgehandelt, dass das Haushaltsdefizit bis 2014 die Drei-Prozent-Grenze gemäß der Maastricht-Kriterien einhält. Die Defizitquote aber misst das Haushaltsdefizit am BIP. Wenn das BIP bei gleichbleibenden oder langsamer schrumpfenden Ausgaben sinkt, dann steigt die Quote. Dass Athen im vergangenen Jahr die Zielvorgaben nicht erreicht hat, liegt also auch daran, dass das Bruttoinlandsprodukt seit 2008 konstant sinkt.

Notwendig wäre also ein Wachstumsprogramm, doch im Sparpaket steht das Gegenteil: 700 Millionen Euro hat Athen 2011 weniger für Investitionen ausgegeben - dauerhaft will die Regierung jedes Jahr die Hälfte dieser Summe einsparen.

Entwicklung der griechischen Staatsfinanzen 2002-2012
Einnahmen
(in Mrd. Euro)
Ausgaben
(in Mrd. Euro)
Defizit
(in Mrd. Euro)
Defizitquote
2002 63,041 70,614 7,573 4,8%
2003 67,290 77,143 9,853 5,7%
2004 70,583 84,333 13,750 7,4%
2005 75,219 86,097 10,879 5,6%
2006 81,844 94,407 12,563 6,0%
2007 90,915 106,009 15,094 6,8%
2008 94,833 117,963 23,130 9,9%
2009 88,601 124,646 36,045 15,6%
2010 90,247 114,106 23,859 10,5%
2011 88,075 107,769 19,694 9,2%
2012 85,963* 100,799* 14,837* 7,2%*
Entwicklung der griechischen Staatsfinanzen 2002-2012
Schuldenstand
(in Mrd. Euro)
Verschuldungsquote BIP
(in Mrd. Euro)
2002 159,214 101,7% 156,615
2003 168,025 97,4% 172,431
2004 183,157 98,6% 185,266
2005 195,421 100,0% 193,050
2006 224,204 106,1% 208,893
2007 239,300 107,4% 222,771
2008 263,284 113,0% 232,920
2009 299,685 129,4% 231,642
2010 329,535 145,0% 227,318
2011 355,617 165,3% 215,088
2012 315,844* 153,2% 206,116*

*IWF-Schätzung (vom März)