Griechen protestieren gegen Sparprogramme "Wir können den Gürtel nicht mehr enger schnallen"

Stand: 01.12.2011 21:05 Uhr

In Griechenland haben Zehntausende Menschen gegen die Sparpolitik der Regierung demonstriert. Zahlreiche Behörden blieben geschlossen und Zug- und Fährverbindungen waren eingeschränkt. Allerdings macht sich eine gewisse Streikmüdigkeit bei den Arbeitern und Angestellten bemerkbar.

Von Thomas Bormann, ARD-Hörfunkstudio Istanbul

"Wir können unseren Gürtel nicht mehr enger schnallen, er hat keine Löcher mehr", riefen die Demonstranten in Athen. Es waren zwar deutlich weniger Demonstranten als beim letzten großen Streiktag Ende Oktober, aber immerhin rund 20.000 Protestierende versammelten sich in Athen und rund 6500 in Thessaloniki. "Wir müssen hart bleiben", sagte einer der Demonstranten. "Wenn wir nicht auf die Straße gehen und unsere Rechte einfordern, dann wird alles nur noch schlimmer. Die Lösung heißt: kämpfen, kämpfen, kämpfen." Er marschierte mit beim Zug der kommunistisch orientierten Gewerkschaft.

Thomas Bormann, T. Bormann, ARD Istanbul, 01.12.2011 20:15 Uhr

"Dieser Streik ist Zeitverschwendung"

Etwas kleiner war der Protestzug der beiden größten Gewerkschaften Griechenlands. Ein Angestellter, der das Ganze am Rande verfolgt hat und heute eigentlich lieber gearbeitet hätte anstatt zu streiken, sagte: "Ich finde, es gibt hier so oft Streiks, fast jeden Tag irgendwo. Das bringt gar nichts mehr, da achtet keiner drauf. Das macht es den Leuten nur schwer, zur Arbeit zu kommen. Die könnten doch auch protestieren ohne alles lahmzulegen." Ein anderer Mann aus Athen, er ist 52 Jahre alt, lehnt ebenfalls den Streik ab, obwohl er strikt gegen den Sparkurs der Regierung ist: "Streiks haben völlig ihre Bedeutung verloren. Irgendwann werden alle Völker Europas gemeinsam aufstehen, dann gibts das große Chaos. Aber diese Streiks hier sind Zeitverschwendung."

Es ist schon das siebte Mal in diesem Jahr, dass die Gewerkschaften versuchen, das Land mit einem so genannten Generalstreik lahmzulegen. Auch heute blieben Behörden und Banken geschlossen, ebenso viele Schulen. Die Fähren werden noch bis in die Nacht hinein in den Häfen bleiben und erst dann wieder die Inseln anfahren. U-Bahnen und Busse fahren nur nach einem eingeschränkten Fahrplan. Aber Geschäfte und Restaurants sind geöffnet, Überlandbusse fahren, der Flugverkehr läuft ebenfalls nach Plan.

"Der Kampf der Arbeiter wird weitergehen"

Yannis Papagopoulos, Chef der Gewerkschaft von Angestellten in staatlichen Betrieben, kündigt aber schon die nächsten Proteste und Streiks an: "Die Regierung hat gewechselt, aber die Politik bleibt dieselbe. Die ist ungerecht und einseitig. Das können wir schon aus dem Entwurf für den Staatshaushalt des nächsten Jahres herauslesen: Da sollen einmal mehr die Arbeiter, die Angestellten und die Rentner die ganze Last tragen. Viele werden in die Arbeitslosigkeit getrieben. Solange diese Politik so weitergeht, wird auch der Kampf der Arbeiter dagegen weitergehen."

Viele Arbeiter aber sind streikmüde. Das hat der Tag heute bewiesen. Der neue Regierungschef Lucas Papademos stellte in den letzten Tagen mehrfach klar, dass es keine Alternative zum strikten Sparkurs gibt. Es bleibt also dabei: Der griechische Staat wird 30.000 Angestellte entlassen, die Lohnkürzungen werden nicht zurückgenommen. Im Parlament kann sich Papademos auf eine breite Mehrheit stützen. Nächste Woche schon soll das Parlament den Sparhaushalt für das kommende Jahr beschließen.