Anbau genetisch veränderter Pflanzen Jetzt sollen die EU-Staaten selbst entscheiden

Stand: 13.07.2010 12:57 Uhr

Keine europaweite Regelung: Die EU-Kommission will den Mitgliedstaaten künftig die Entscheidung über den Anbau genetisch veränderter Pflanzen selbst überlassen. Die Behörde hofft, damit die jahrelange Blockade bei der Zulassung genetisch veränderter Organismen zu überwinden.

Von Sylvie Ahrens, HR-Hörfunkstudio Brüssel

Die Zukunft ist in der Europäischen Union längst angekommen. Gentechnisch veränderte Pflanzen wachsen in vielen Ländern - auch wenn das ein Großteil der Bürger gar nicht will. Der größte Widerstand kommt bisher aus Deutschland und Österreich. Ein prominenter Gentechnik-Kritiker ist der Naturkost-Hersteller Joseph Wilhelm. Vor einem Jahr ist er mehr als 1000 Kilometer zu Fuß nach Brüssel gelaufen um zu protestieren: "Die Kunden erwarten Gentechnik-Freiheit."

Regelmäßige Pattsituation

In Brüssel entscheiden die EU-Mitgliedstaaten, ob gentechnisch veränderte Pflanzen für den Anbau zugelassen werden. Allerdings gibt es regelmäßig eine Pattsituation: Den Befürwortern stehen genauso viele Kritiker gegenüber. Das zieht die Verfahren in die Länge. Die EU-Kommission macht nun einen neuen Vorschlag: Die Länder stimmen schneller zu, dafür dürfen sie aber den Anbau zu Hause verbieten.

Sylvie Ahrens, S. Ahrens, HR Brüssel, 13.07.2010 11:46 Uhr

Bisher ist das nur möglich, wenn es Bedenken aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse gibt. So war es in Deutschland beim genveränderten Mais MON810, wie sich die CDU-Parlamentarierin Renate Sommer erinnert: "Es ist eine rechtliche Grauzone, weil man eigentlich nur etwas verbieten darf, wenn sich neue wissenschaftliche Erkenntnisse ergeben haben, dass es doch einen negativen Einfluss gibt, zum Beispiel auf die Umwelt."

"Freiwilliger Wettbewerbsnachteil"

Sommer selbst spricht sich für die grüne Gentechnik aus. Sie verweist auf die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA. Ihre Experten hatten in der Vergangenheit den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen für unbedenklich erklärt. Darauf beruft sich auch die EU-Kommission. Die Europa-Abgeordnete Sommer unterstützt deshalb den Vorschlag aus Brüssel, mit all seinen Konsequenzen: "Wenn ein Mitgliedsstaat in seinem ganzen Hoheitsgebiet den Anbau von Gentechnik durch entsprechende nationale Regelungen verhindert, dann setzt er sich freiwillig in einen Wettbewerbsnachteil gegenüber den anderen, und das ist erlaubt."

Dass der Umgang mit der grünen Gentechnik neu überdacht werden muss, finden auch die Sozialdemokraten. Sie haben deshalb vor kurzem eine Konferenz dazu abgehalten. Fazit des Deutschen Jo Leinen: "Europa muss sich dem Thema stellen. Wir sehen, dass rund um die Welt Gentechnik angewandt wird. Wir sind nicht grundsätzlich gegen Gentechnik, sondern wollen ganz genau wissen: Was sind die Folgen der Anwendung und was sind die möglichen Gefahren für die Gesundheit der Menschen?"

Greenpeace kritisiert "sehr mangelhafte" Prüfung

Die größten Einwände kommen von den Umweltschützern. Stefanie Hundsdorfer von Greenpeace warnt davor, dass gentechnisch veränderte Pflanzen durch die Hintertür in die gesamte EU gelangen könnten: "Das ist deswegen sehr gefährlich, weil bereits jetzt die Überprüfung der Risiken dieser Gentechnikpflanzen auf europäischer Ebene sehr, sehr mangelhaft ist."

Was vielen dabei gar nicht bewusst ist: Schon heute sind genveränderte Pflanzen in der EU nicht mehr wegzudenken. Zwar werden sie nicht unbedingt überall angebaut, aber sie werden im Form von Futtermais importiert. Der kommt zum großen Teil aus Brasilien und Nordamerika - und dort macht man sich über Gentechnik weit weniger Gedanken als hier.