Fragen und Antworten zum Gasstreit Ist die Gasversorgung in Deutschland sicher?

Stand: 08.01.2009 14:15 Uhr

Woher kommt das Gas für Deutschland? Wer ist besonders von der Krise betroffen? Und kann Europa unabhängiger werden von russischem Gas? tagesschau.de hat Fragen und Antworten zu den Folgen des Gasstreits zwischen Russland und der Ukraine zusammengestellt.

Woher kommt das Gas für Deutschland? Wer ist besonders von der Krise betroffen? Und kann Europa unabhängiger werden von russischem Gas? tagesschau.de hat Fragen und Antworten zu den Folgen des Gasstreits zwischen Russland und der Ukraine zusammengestellt.

Warum ist Gas so wichtig?

Erdgas ist nach Öl der zweitwichtigste Energieträger in Deutschland. Sein Anteil am gesamten Energieverbrauch lag im vergangenen Jahr bei 22,8 Prozent, der des Mineralöls bei 34,6 Prozent. Eine herausragende Bedeutung hat Erdgas bei der Wärmeversorgung: In fast jedem zweiten deutschen Haushalt wird mit Gas geheizt und für warmes Wasser gesorgt.

Wer sind unsere wichtigsten Gas-Lieferanten?

37 Prozent des in Deutschland verwendeten Gases kommen aus Russland, 24 Prozent aus Norwegen, 18 Prozent aus den Niederlanden.

Wird auch in Deutschland Gas gefördert?

Ja. 2007 wurden 17 Milliarden Kubikmeter Gas aus inländischen Quellen gefördert, vor allem in Niedersachsen. 15 Prozent des in Deutschland verbrauchten Erdgases stammen aus heimischen Quellen. Weil die Fördermenge aus älteren Feldern kontinuierlich sinkt und es hierzulande technologisch und geologisch immer schwieriger wird, neue Felder zu erschließen, geht die Produktion in Deutschland seit einigen Jahren aber zurück. In zwölf Jahren dürfen die Gasvorkommen, die unter Deutschland liegen, erschöpft sein. Die weltweit größten Gasvorräte liegen in Russland. Bei gleichbleibender Förderung dürften sie noch fast 60 Jahre reichen.

Wie kommt das Gas aus Russland nach Deutschland?

Das russische Gas kommt auf zwei Wegen nach Deutschland: Über die Ukraine, mit der Russland im Streit liegt, und über Weißrussland. Den Transitleitungen durch die Ukraine kommt dabei mit rund 80 Prozent der Gaslieferungen eine Schlüsselrolle zu. Nur rund ein Fünftel des russischen Gases fließt durch Weißrussland über die rund 4000 Kilometer lange Jamal-Pipeline nach Westen. Die Ostsee-Pipeline von Russland nach Lubmin am Greifswalder Bodden ist hoch umstritten und wohl nicht vor 2011 oder 2012 fertig.

Ist unser Gas noch sicher?

Vorerst ja. "Keiner wird frieren. Das gilt auch für die nächsten Wochen und Monate", sagt E.ON-Ruhrgas-Chef Bernhard Reutersberg. Zwar kommt auch in Deutschland laut des wichtigsten Versorgers E.ON Ruhrgas "dramatisch weniger" Gas aus Russland an. Aber Deutschland bezieht fast zwei Drittel des Erdgases aus Westeuropa und damit aus Ländern, die von dem russisch-ukrainischen Konflikt nicht betroffen sind. Zudem gibt es gut gefüllte Gasspeicher, mit denen der nationale Bedarf laut Experten für mindestens 70 Tage gedeckt ist.

Wie kompensieren die Versorger den Ausfall?

E.ON Ruhrgas und andere Versorger setzen verstärkt auf Lieferungen über Weißrussland, eigene Gasspeicher und andere Lieferländer.

Wird der Gaspreis wegen der Krise steigen?

Das ist nicht zu erwarten. Der Gaspreis ist an den Ölpreis gekoppelt und folgt dessen Entwicklung mit etwa einem halben Jahr Verzögerung. Daher werden die Gasversorger ihre die Preise eher senken als anheben.

Wer ist besonders von der Krise betroffen?

Die Abhängigkeit vom russischen Energieriesen Gasprom in Europa ist unterschiedlich: Während Tschechien, die Slowakei, Rumänien oder Bulgarien fast zu 100 Prozent vom russischen Gas abhängen, versorgen sich Länder wie Belgien, Frankreich oder Großbritannien vorwiegend über andere Länder wie die Niederlande. Schwierig ist die Lage in Osteuropa. Dort frieren Zehntausende Menschen. In Sofia soll ein Drittel der Straßenbeleuchtung abgeschaltet werden. Bäcker kündigten wegen der teureren Alternativenergie Erhöhungen bis zu fünf Prozent an.

Wie können diese Länder die Krise überstehen?

Länder wie Bulgarien oder Serbien haben nur geringe Gasvorräte. Deshalb muss die Industrie ihre Produktion drosseln. Bulgariens Haushalte und Unternehmen können angesichts der dramatischen Lage nur noch 4,5 Millionen Kubikmeter Gas pro Tag statt normalerweise zwölf Millionen Kubikmeter verbrauchen. In Serbien stellen Heizkraftwerke von Gas auf Öl um. Viele Kraftwerke vor allem im Norden des Landes und in der drittgrößten Stadt Novi Sad können aber nicht umgestellt werden und sind daher abgeschaltet. Ungarn versucht aus anderen Ländern Gas zu beziehen: E.ON Ruhrgas will Ungarn in den nächsten Tagen täglich 2,5 Millionen Kubikmeter Gas liefern. Auch Italien und die Slowakei sollen "Stützungslieferungen" von E.ON erhalten, wie ein Sprecher des Konzerns mitteilte.

Wie kann Europa unabhängiger werden?

Hoffnung setzt die Europäische Union auf die Ostsee-Pipeline und die 3000 Kilometer lange Nabucco-Pipeline, die ab 2013 Gas vom Kaspischen Meer über die Türkei nach Österreich bringen soll. Zudem könnten mehr Gasspeicher angelegt werden, um eigene Reserven deutlich zu vergrößern. Letztlich ist aber der beste Weg, den Gasverbrauch deutlich zu reduzieren und auf alternative Energien zu setzen. Für Gebäudeisolierungen, Biomassekraftwerke oder Solaranlagen bräuchten die Europäer schließlich keine Partner in risikobehafteten Transitländern.

Könnte eine Verlängerung der Laufzeit von Atomkraftwerken helfen, unabhängiger vom Gas zu werden?

Nur sehr begrenzt. Denn Atomkraftwerke werden vor allem zur Stromerzeugung eingesetzt, bei der Erdgas keine große Rolle spielt. Die Domäne des Erdgases ist hingegen die Wärmeerzeugung, bei der wiederum die Atomkraft keine große Bedeutung hat.