Buchungsfehler bei Bad Bank der HRE Schuldfrage nach der Milliardenpanne

Stand: 31.10.2011 15:50 Uhr

Wie konnte sich die Bad Bank der verstaatlichten HRE um 55,5 Milliarden Euro verrechnen? Das Finanzministerium weist die Verantwortung für den Buchungsfehler von sich. Auch die Wirtschaftsprüfer von PricewaterhouseCoopers wehren sich gegen Schuldvorwürfe. Viele Fragen bleiben unbeantwortet.

Nach dem Buchungsfehler bei der Bad Bank "FMS Wertmanagement" der verstaatlichen Hypo Real Estate hat das Bundesfinanzministerium jede Verantwortung für die Milliardenpanne zurückgewiesen. "Wir hatten einen testierten Jahresabschluss 2010, der gesagt hat, es ist alles gut", sagte Ministeriumssprecher Martin Kotthaus. Das Ministerium übe nicht die Fachaufsicht über die Bad Bank aus. Für die Aufstellung der Bilanz seien die Gesellschaft selbst und der Wirtschaftsprüfer verantwortlich, sagte er.

Ministerium prüft Verantwortung für Panne

Das Ministerium will nun prüfen, wer für den Buchungsfehler in Höhe von 55,5 Milliarden Euro verantwortlich ist. Forderungen und Verbindlichkeiten aus Derivategeschäften mit demselben Vertragspartner wurden offenkundig nicht miteinander verrechnet. Für Mittwoch wurde eine Besprechung mit Vertretern der HRE, der Bad Bank, der zuständigen Wirtschaftsprüfer PricewaterhouseCoopers (PwC) und der Finanzmarktstabilisierungsanstalt anberaumt. "Wir nehmen die Sache sehr, sehr ernst", sagte Kotthaus. Infolge des Fehlers hatte sich für Deutschland rechnerisch eine deutlich höhere Gesamtverschuldung ergeben, die auch für die Einhaltung der Maastricht-Kriterien wichtig ist.

Am vergangenen Freitag war die Buchungspanne bei der FMS Wertmanagement öffentlich bekannt geworden. Schäubles Sprecher erklärte, dass das Bundesfinanzministerium erstmals am 4. Oktober über einen eventuellen Korrekturbedarf in Milliardenhöhe unterrichtet worden sei. Endgültig bestätigte Zahlen hätten am 11. Oktober vorgelegen, zwei Tage später sei die europäische Statistikbehörde Eurostat unterrichtet worden. Am 21. Oktober sollten diesen Angaben zufolge das Finanzmarktgremium des Bundestages informiert werden. Da die Sitzung ausgefallen sei, seien die Abgeordneten dann am 28. Oktober umfassend unterrichtet worden.

Hinweise lagen seit Wochen vor

Den neuen Angaben des Bundesfinanzministeriums steht eine Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf eine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Klaus Ernst, Vorsitzender der Partei Die Linke, entgegen. Koschyk nannte darin bereits am 13. September die alten und neuen Zahlen zum Schuldenstand mit Blick auf die FMS Wertmanagement. Die konkreten Umstände hatte er damals allerdings nicht benannt, sodass die Öffentlichkeit nicht darauf aufmerksam wurde.

Koschyk hatte in seiner Antwort von "einer erwarteten Verringerung des Schuldeneffektes durch die Abwicklungsanstalt der Hypo Real Estate (HRE), FMS-WM" gesprochen. Aus der beigefügten tabellarischen Übersicht ergibt sich, dass der Schuldenstand in Bezug auf das Engagement bei der FMS Wertmanagement von 216,5 Milliarden Euro auf geschätzte 161 Milliarden Euro zurückgehen wird.

SPD: Schäuble trägt volle Verantwortung

Die SPD sprach von "unfassbaren Fehler in Schäubles Ministerium". Der Parlamentarische Geschäftsführer Thomas Oppermann erklärte, das Finanzministerium habe die Brisanz der Fehler entweder nicht erkannt oder bewusst zurückgehalten. "Selbstverständlich trägt Schäuble die volle Verantwortung", sagte er. Es handle sich um eine staatliche Bank und es gebe niemand anderen, "der dafür verantwortlich sein könnte".

Die FDP stellte sich dagegen hinter den Finanzminister. "Es gibt volles Vertrauen für Wolfgang Schäuble von unserer Seite", sagte FDP-Generalsekretär Christian Lindner. Auch Unionsfraktionsvize Michael Meister nahm Schäuble gegen Kritik in Schutz. "Das färbt in keinster Weise auf den Minister ab", betonte er. Meister rückte stattdessen die Rolle der Wirtschaftsprüfer von PwC in den Vordergrund. "Auf diese Bilanz hat ja nicht nur einer geschaut. Auch die Rolle der Wirtschaftsprüfer muss aufgeklärt werden", sagte der CDU-Politiker der "Rheinischen Post".

Wirtschaftsprüfer weisen Schuld von sich

PricewaterhouseCoopers wies jedoch jede Schuld von sich. Im Jahresabschluss 2010 der FMS Wertmanagement habe es zunächst keine Anhaltspunkte für Fehler gegeben, teilte PwC mit. Erst mit dem verkürzten Halbjahresabschluss zum 30. Juni 2011 sei aufgefallen, dass Forderungen und Verbindlichkeiten aus Derivategeschäften gegenüber demselben Vertragspartner nicht miteinander verrechnet worden seien. Die Buchungen seien dann vor Veröffentlichung des verkürzten Halbjahresabschlusses korrigiert und die Vergleichszahlen im Jahresabschluss 2010 angepasst worden, teilten die Wirtschaftsprüfer zunächst mit.

In einer weiteren Mitteilung hieß es später, dass der fragliche Differenzbetrag von 55,5 Milliarden Euro "mit einer nicht zur Veröffentlichung vorgesehenen Darstellung einzelner Bilanzposten gegenüber dem Anteilseigner der FMS Wertmanagement" zusammenhänge. Eigentümer der Bad Bank ist die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung und damit indirekt die Bundesregierung. Laut PwC wurde dann im Zwischenabschluss zum 30. Juni 2011, der dem Verwaltungsrat der FMS Wertmanagement vorgelegt wurde, "die bisherige Abbildung von Forderungen und Verbindlichkeiten aus Derivategeschäften gegenüber demselben Vertragspartner korrigiert". Die Differenz von 55,5 Milliarden Euro ergebe sich durch den Vergleich zwischen "den intern kommunizierten Daten" und den im Zwischenabschluss veröffentlichten Angaben.

PwC wies zudem ausdrücklich darauf hin, dass wesentliche Teile der Rechnungslegung der Bad Bank an einen "externen Dienstleister" ausgelagert worden seien. Laut Angaben aus Finanzkreisen handelt es sich bei dem Dienstleister um die HRE selbst, also die frühere Eigentümerin der risikoreichen Wertpapiere, die sich nun in der FMS Wertmanagement finden. Denn die HRE, die mittlerweile in Deutsche Pfandbriefbank umbenannt worden ist, wollte sich zu Vorgängen nicht äußern.