Streit um deutschen Vorschlag Beim EU-Gipfel geht der Sparkommissar um

Stand: 30.01.2012 16:10 Uhr

Abermals sind die Staats- und Regierungschefs zusammengekommen, um Wege aus der Schuldenkrise zu finden. Ein so genannter Fiskalpakt soll jedem Staat mehr Haushaltsdisziplin verordnen. Doch Polen droht auszuscheren. Und am Thema Sparkommissar für Athen scheiden sich die Geister.

Belastet vom Streit um einen EU-Sparkommissar suchen die Staats- und Regierungschefs der Union auf ihrem Gipfel neue Wege aus der Schuldenkrise. Bei dem Sondertreffen in Brüssel, das am Nachmittag begann, wollen sie einen neuen Fiskalpakt verabschieden, in dem sich die Unterzeichner zu strikter Haushaltsdisziplin und einer Schuldenbremse verpflichten.

So soll verlorenes Vertrauen der Finanzmärkte wiedergewonnen werden. Allerdings verweigert sich Großbritannien dem neuen Pakt. Nun ließ auch der polnische Ministerpräsident Donald Tusk Zweifel erkennen. Er drohte, den Fiskalpakt nicht zu unterschreiben, wenn sein Land kein Mitspracherecht bei Entscheidungen über die Eurokrise bekomme. Tusk sagte nach einem Gespräch mit EU-Parlamentspräsident Martin Schulz: "Wir werden nicht unsere Zustimmung zu einem Pakt geben, der unserer Meinung nach den gemeinschaftlichen Charakter der künftigen Entscheidungsfindung bedroht."

Streitpunkt Sparkommissar

Zweites großes Thema dürfte der Schuldensünder Griechenland sein, obwohl sich der Gipfel offiziell vor allem um das Thema Wachstum dreht. Am Wochenende hatte ein deutscher Vorschlag Kontroversen ausgelöst, wonach die Kontrolle über den griechischen Staatshaushalt einem EU-Kontrolleur übertragen werden soll. Damit würde der griechischen Regierung die Hoheit über ihren Staatshaushalt zumindest teilweise entzogen. Griechenland wird seit fast zwei Jahren nur mit Milliarden Hilfsgeldern vor dem Bankrott bewahrt. Das hochverschuldete Land ringt derzeit mit seinen Gläubigern um einen teilweisen Schuldenerlass. Außenminister Guido Westerwelle versuchte, den Streit zu entschärfen. "Ich bin sehr unglücklich über den Ton in dieser Debatte. Wenn wir wirklich etwas erreichen wollen, sollten wir eine Ermutigungsdebatte führen, keine Entmutigungsdebatte", sagte er bei seiner Nahost-Reise in Kairo.

In Brüssel hagelte es dennoch Vorwürfe - nicht nur von Seiten der Griechen, sondern auch aus anderen EU-Ländern. Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann sagte: "Beleidigen muss man niemanden in der Politik. Das bringt nichts und das führt nur in die falsche Richtung." Die amtierende EU-Ratspräsidentin, Dänemarks Regierungschefin Helle Thorning-Schmidt, versicherte, die EU werde die griechische Demokratie achten.

Griechenlands Ex-Ministerpräsident Giorgos Papandreou warnte, ein EU-Aufpasser könnte gar die Demokratie gefährden. "Wir glauben, dass wir uns entweder in demokratischer Weise verhalten, wo jedes Land für seine eigene Politik verantwortlich ist - oder wir werden die Demokratie in ganz Europa untergraben."

Eine gewisse Sympathie für die Sparkommissar-Idee zeigte der Chef der Euro-Gruppe, Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker. "Die Frage darf sehr wohl gestellt werden, wenn ein Land X dauerhaft sich nicht an die Vereinbarungen hält, ob wir dann zusätzliche Überwachungsmaßnahmen treffen müssen", sagte Juncker am Sonntagabend dem ZDF. Das sehe er aber nicht als ein spezifisch und exklusives griechisches Problem, "sondern dies muss dann für alle gelten."

ESM auf den Weg bringen

Die Staats- und Regierungschefs werden auch den künftigen dauerhaften Krisenfonds für schwächelnde EU-Länder (ESM) genehmigen. Dieser soll ein Jahr früher als geplant am 1. Juli starten und einen Umfang von 500 Milliarden Euro haben. Ob das Geld reicht, wollen die Staatenlenker im März überprüfen.

Wachstum ist das offizielle Thema

Offiziell dreht sich bei dem Gipfel alles um die Ankurbelung des Wirtschaftswachstums. Geplant sind gezielte Fördermaßnahmen für den Mittelstand, gegen Arbeitslosigkeit und für einen besser funktionierenden europäischen Binnenmarkt. Zur Sprache kommen dürfte aber auch die vom französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy angekündigte Einführung einer Finanztransaktionsteuer in Frankreich. Die Diskussion darum hat innerhalb der EU bereits für Streit gesorgt.