Finanzmarktbesteuerung Transaktionen oder Gewinne besteuern?

Stand: 19.05.2010 18:17 Uhr

Eine neue Steuer könnte dazu beitragen, Spekulationsgeschäfte einzudämmen und die Finanzkonzerne an den Krisenkosten zu beteiligen. Derzeit werden zwei Modelle diskutiert: Finanztransaktionssteuer und Finanzaktivitätssteuer. tagesschau.de erklärt, wie sie funktionieren.

Wie funktioniert die Finanztransaktionssteuer?

Wie eine Umsatzsteuer soll sie auf sämtliche Geschäfte an den Finanzmärkten erhoben werden. Jeder Kauf oder Verkauf von Aktien, Anleihen, Zinspapieren, Finanz- und Rohstoffderivaten würde besteuert.

Für jede Transaktion müsste eine prozentuale Steuer entrichtet werden, die sich nach der Höhe des Umsatzes richtet. Wer zum Beispiel eine vergleichsweise teure Aktie kauft, muss auch mehr Steuern zahlen als derjenige, der ein günstiges Papier erwirbt. Fachleute und Politiker diskutieren derzeit einen Prozentsatz zwischen 0,01 und 0,05 Prozent. Da diese Geschäfte nicht an Staatsgrenzen gebunden sind, müssten Regeln gefunden werden, wie die Einnahmen Staaten oder Institutionen zugeordnet werden.

Wie viel Geld würde die Abgabe einbringen?

Bei einem Steuersatz von 0,01 Prozent auf Geschäfte mit Aktien, Devisen und Derivaten könnten weltweit jährlich 200 Milliarden Dollar eingenommen werden, zitiert der Internationale Währungsfonds (IWF) Expertenschätzungen. Allein in Deutschland könnten die jährlichen Einnahmen durch die Steuer, je nachdem ob ein Steuersatz von 0,01 oder 0,05 Prozent gelte, zwischen 12 und 37 Milliarden Euro betragen, schätzt das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung.

Es gibt allerdings ein Problem bei solchen Schätzungen. "Es ist schwer zu sagen, ob diese Summen tatsächlich zustande kommen, weil man nicht weiß, wie viele Transaktionen im Zuge der Steuereinführung nicht mehr stattfinden würden", sagt Matthias Bergner, Leiter der Abteilung Bankaufsicht und Sparkassenpolitik beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband im Gespräch mit tagesschau.de. Weniger Transaktionen bedeuteten weniger Steuerertrag. Wenn durch die Steuer weniger spekulative Geschäfte getätigt würden, wäre damit aber ein anderes Ziel vieler Verfechter dieser Steuer erreicht.

Welche Auswirkungen hätte die Steuer?

Jeder, der an den Finanzmärkten handelt, wäre von der Finanztransaktionssteuer betroffen: Privatanleger genauso wie institutionelle Investoren. Besonders trifft die Steuer aber Anleger, die mit schnellen Kapitalumschichtungen arbeiten. "Computergestützte Geschäfte, bei denen es um die dritte Nachkommastelle geht, würden sich dann nicht mehr lohnen", sagt Bankenexperte Bergner. Die "obsessive kurzfristige Orientierung" werde eingedämmt, und die Investoren würden sich, so meint Bergner, wieder stärker auf langfristige Produkte konzentrieren.

Altersvorsorge-Produkte etwa in Fonds würden nach Einschätzung von Experten nur wenig belastet. Gustav Horn, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, sagte tagesschau.de: "Die Finanztransaktionssteuer ist eine Bagatellsteuer, die nur bei sehr hohen und kurzfristigen Umsätzen signifikant ins Gewicht fällt."

Wäre die Abgabe auch sinnvoll, wenn andere Länder nicht mitziehen?

In diesem Punkt gehen die Meinungen der Fachleute auseinander. "Die beste Lösung wäre sicher eine international abgestimmte Finanztransaktionssteuer", meint Bergner. Er fürchtet, dass die Investoren ihrer Geschäfte dann an anderen Finanzplätze tätigen würden, die der Steuer nicht unterliegen.

Andererseits könnte es auch sinnvoll sein, erst einmal nur in der Europäischen Union eine solche Steuer einzuführen. Schließlich könnte es Nachahmer geben, meint Bergner. Gustav Horn vom IMK zeigt sich gegenüber tagesschau.de zuversichtlich: "Wenn Europa eine Finanztransaktionssteuer einführt, werden die Amerikaner nachziehen."

Wie funktioniert die Finanzaktivitätssteuer?

Das derzeit diskutierte Modell basiert auf einer Idee des Internationalen Währungsfonds (IWF) und funktioniert ähnlich der Gewerbesteuer. Es sieht vor, dass Finanzinstitute eine Steuer auf erzielte Gewinne und gezahlte Gehälter und Boni entrichten. Diskutiert wird, auch Versicherungen, Kapitalanlagegesellschaften oder Hedgefonds einzubeziehen.

Die Vorstellungen zur Finanzaktivitätssteuer sind bislang noch recht vage. Die Steuer zielt nicht speziell auf spekulative Geschäfte ab. Vorrangig geht es dabei darum, Banken und Fonds an staatlichen Kosten bei der Bewältigung der Finanzkrise zu beteiligen. Ersten Schätzungen zufolge wären die Einnahmen aber deutlich geringer als bei einer Transaktionssteuer.

Weil auch Gehaltszahlungen Gegenstand der Besteuerung werden könnten, befürchten Unternehmen mit vielen Mitarbeitern jetzt schon eine Benachteiligung. Generell sei es schwierig, eine gemeinsame Bemessungsgrundlage zu finden, die beispielsweise auch Unternehmen mit vielen Mitarbeitern nicht benachteilige, sagt Bergner vom Sparkassenverband.   

Zusammengestellt von Georg Thomas für tagesschau.de