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Fragen und Antworten zum zweiten Banken-Stresstest Was wurde geprüft - und wie gründlich?

Stand: 15.07.2011 21:13 Uhr

Europaweit haben sich 91 Institute dem Banken-Stresstest unterzogen. Der Test - eine Konsequenz aus der Weltfinanzkrise 2008 - ist nicht unumstritten. Welche Szenarien wurden durchgespielt und welche Aussagekraft hat der Test? tagesschau.de beantwortet die wichtigsten Fragen.

Europaweit haben sich 91 Institute dem Banken-Stresstest unterzogen. Der Test - eine Konsequenz aus der Weltfinanzkrise 2008 - ist nicht unumstritten. Welche Szenarien wurden durchgespielt - und welche Aussagekraft hat der Test? tagesschau.de beantwortet die wichtigsten Fragen.

Warum gibt es Stresstests für Banken?

Hintergrund des Stresstests ist die weltweite Finanzkrise, die zahlreiche Banken zu Fall brachte, ausgelöst durch die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers im Jahr 2008. Um Bankenpleiten in Europa zu verhindern, prüften die europäischen Bankenaufseher bereits im vergangenen Jahr die Widerstandsfähigkeit der Institute in Krisensituationen. 91 Banken nahmen daran teil, sieben fielen durch, unter ihnen der verstaatlichte deutsche Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate.

Verantwortlich für die Stresstests ist in diesem Jahr erstmals die neu geschaffene Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) mit Sitz in London, die im Januar ihre Arbeit aufgenommen hat. Getestet werden 91 Banken, die als systemrelavant gelten - deren Zusammenbruch also andere Banken und Institutionen mit sich reißen könnte.

Was wurde getestet – und welche Anforderungen mussten die Banken erfüllen?

Die EBA hat sich verschiedene Stressszenarien überlegt, die die Finanzinstitute durchrechnen mussten. Dabei wurde geprüft, ob sie genug Kapitalpuffer haben, wenn sich die Lage der Wirtschaft drastisch verschlechtern sollte. Im Mittelpunkt steht das harte Kernkapital der Institute, das auch in Stresssituationen bei mindestens fünf Prozent liegen muss. Damit verlangt der Test einen Prozentpunkt weniger als 2010, allerdings lässt die EBA Mischformen aus Eigen- und Fremdkapital, wie etwa Stille Einlagen, nicht mehr zu.

Man berechnet die Kernkapitalqoute, indem man das Kernkapital (damit ist das unmittelbar haftende Eigenkapital gemeint) durch die Summe der Risikoposten (etwa Kredite und Wertpapiere) teilt. Die Kernkapitalquote sagt also aus, inwieweit die Risikopositionen durch eigene Mittel gedeckt sind, sprich wie dick der Risikopuffer der Bank ist.

Stichwort

Bei einer Stillen Einlage tritt der Gesellschafter in der Regel nach außen nicht in Erscheinung. Die stille Beteiligung an einer Aktiengesellschaft muss jedoch veröffentlicht werden. Der Gesellschafter ist am Gewinn und - sofern vertraglich ausdrücklich vereinbart - am Verlust des Unternehmens beteiligt, nicht jedoch am Vermögen der Gesellschaft. Stille Einlagen werden dem Eigenkapital zugerechnet.

Wie sehen die Stressszenarien aus?

Die EBA unterstellt darin ein Serie von Schocks in diesem und im kommenden Jahr. Untersucht werden vor allem die Folgen einer Verschärfung der EU-Schuldenkrise für die Gewinne und die Kapitalausstattung der Institute. Für 2011 spielte die EBA die Folgen eines Rückgangs des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 0,5 Prozent durch. Für 2012 legte sie einen weiteren Rückgang um 0,2 Prozent als Grundlage für die Banken fest.

Neben der Verschärfung der Schuldenkrise unterstellt die Behörde einen durchschnittlichen Rückgang der Aktienkurse in der Eurozone um 15 Prozent. Außerdem untersuchte sie die Folgen eines Schocks am Immobilienmarkt. Auch eine Abwertung des Dollars wird in die Szenarien miteinbezogen.

Nicht getestet wurde allerdings eine Staatspleite Griechenlands. Allerdings verschärfte die EBA eigenen Angaben zufolge die Kriterien des Tests. Die Ergebnisse würden somit Investoren die Möglichkeit geben, sich auch ein Bild zu machen von den Auswirkungen der Griechenland-Krise auf die Staatsanleihen in den Büchern der Banken. 

Welche Banken nahmen in diesem Jahr an dem Test teil?

Wie im vergangenen Jahr haben auch 2011 insgesamt 91 europäische Banken bei den Tests mitgemacht. Aus Deutschland beteiligten sich ursprünglich 13 Unternehmen: die Deutsche Bank, die Commerzbank, die Hypo Real Estate, die Zentralinstitute der Volks-, Raiffeisen- und Spardabanken (die DZ Bank und die WGZ Bank), das Zentralinstitut der Sparkassen (die Deka Bank) sowie sechs Landesbanken.

Die Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) zog sich allerdings nach einem Streit mit der EBA selbst aus dem Test zurück. Das Institut hatte der neu geschaffenen Behörde untersagt, seine Zahlen zu veröffentlichen, wenn eine Stille Einlage des Landes Hessen von 1,92 Milliarden Euro nicht eingeschlossen würde. Offenbar hätte die Helaba dann den Test nicht bestanden.

Wie haben die Banken abgeschnitten?

Bis auf die Helaba, die sich dem Test entzog, haben alle deutschen Banken den Test bestanden. Am besten schnitt von ihnen die Landesbank Berlin ab, die auf eine Kernkapitalquote von 10,4 Prozent kam. Die Deutsche Bank erreichte 6,5 Prozent. Europaweit hielten acht Institute den Kriterien nicht stand: Fünf Banken aus Spanien, zwei aus Griechenland und eine aus Österreich. 16 weitere Banken erfüllten die Anforderungen laut EBA nur knapp, darunter die HSH Nordbank mit 5,5 Prozent und die NordLB mit 5,6 Prozent.

 

Die acht Durchgefallenen

Folgende Banken sind bei dem Test durchgefallen. Die Angaben in Klammern beziehen sich auf die Kernkapitalquoten:

ATE Bank, Griechenland (-0,8 Prozent)
Caja de Ahorros del Mediterranéo, Spanien (3,0)
Banco Pastor, Spanien (3,3)
Goupo Caja3, Spanien (4,0)
Österreichische Volksbanken (ÖVAG), Österreich (4,5)
Caixa d'Estalvis Unio des Caixes de Manlleu, Sabadell i Terrassa, Spanien (4,5)
Caixa d'Estalvis de Catalunya, Tarragona i Manresa, Spanien (4,8)
EFG Eurobank Ergasias, Griechenland (4,9)

Was passiert mit den Banken, die durchgefallen sind?

Angesichts der Eurokrise wollen die EU-Finanzminister nicht noch mehr Öl ins Feuer gießen - und versuchten schon vorab, die Märkte zu beruhigen. Im Notfall stünden die Staaten bereit, mit weiteren Finanzspritzen den Banken zu helfen, teilten sie mit. Allerdings drängen die Minister darauf, dass die entsprechenden Banken zunächst versuchen, privates Kapital aufzunehmen, um die Schieflage in den Griff zu bekommen. Des Weiteren will die EBA von den Instituten und den nationalen Aufsichtsbehörden einen Plan verlangen, wie sie die größten Mängel beheben wollen. Es sei "zwingend erforderlich", dass die Banken dort Kapital aufstockten, wo sich Lücken aufgetan hätten.  

Welche Kritik gibt es am Stresstest?

Einige Kritiker halten die Tests für zu ungenau. Sie argumentieren, dass die Prognosefähigkeit der Modelle äußerst begrenzt ist. Als Beispiel führen sie an, dass 2010 irische Banken den Test bestanden - kurze Zeit später aber dennoch ins Straucheln gerieten und die irischen Staatsfinanzen in die Krise stürzten.

Hans-Peter Burghof, Professor für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der Universität Hohenheim, hält die angewandte Methode für ein "grobes Instrument". "Die Basis für die Stresstests ist zu dünn", sagt er im Gespräch mit tagesschau.de.

Seiner Ansicht nach wären feinere Rechenmodelle, in denen genauer auf die Lage der Banken eingegangen wird, der bessere Weg. Zudem befürchtet er, dass "aus politischer Rücksichtnahme" die Tests milder gestaltet wurden, um mögliche Wackelkandidaten doch noch über die Hürde springen zu lassen.

Kritik kommt auch von der deutschen Bankenaufsicht: Der Chef der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Jochen Sanio, wirft der EBA vor, die künftigen Eigenkapitalstandards (Basel III) "auszuhebeln". "Ohne jede gesetzliche Zuständigkeit, geschweige denn Legitimation", habe die Behörde eigene Eigenkapitalregeln entworfen. Denn der Starttermin für die Basel-III-Regeln ist erst das Jahr 2013. Die Kernkapitalquote soll dann stufenweise ansteigen, wofür die Banken zehn Jahre Zeit haben.

Die deutschen Banken - unterstützt von Sanio - kritisieren deshalb, dass der aktuelle Stresstest diese Regeln vorwegnimmt - und sie vorzeitig dazu zwingt, strengere Kriterien einzuhalten. EBA-Chef Andrea Enria weist die Kritik zurück: Aus dem Jahr 2010 seien Lehren gezogen worden, weshalb den Tests jetzt eine "sehr konservative Definition" zugrunde liege. Damit spielt er unter anderem auf die Fünf-Prozent-Forderung bei der Kernkapitalquote an, die teilweise auf Widerstand stößt.

Zusammengestellt von Jörn Unsöld, tagesschau.de