Menschen gehen durch den Großen Basar in Teheran
FAQ

Wirtschaftsbeziehungen zum Iran Wie wirken die US-Sanktionen?

Stand: 06.08.2018 16:56 Uhr

Während des Atomabkommens waren Sanktionen gegen den Iran ausgesetzt, nun treten amerikanische Strafmaßnahmen wieder in Kraft. Was genau bedeutet das für die deutsch-iranischen Wirtschaftsbeziehungen?

Von Maiken Nielsen, tagesschau.de

Warum haben die USA das Atomabkommen einseitig aufgekündigt?

Bei der Aufkündigung im Mai kritisierte US-Präsident Donald Trump unter anderem, dass durch das Abkommen wichtige Sanktionen ausgesetzt wurden. Diese Strafmaßnahmen - die nun schrittweise wieder eingesetzt werden - hätten aus seiner Sicht in Kraft bleiben sollen, um die Regierung in Teheran zu einer anderen Nahostpolitik zu zwingen. Der US-Präsident kritisierte außerdem, dass das Abkommen den Iran nicht daran hindere, doch eine Atombombe herzustellen.

Die Internationale Atomenergieagentur (IAEA) bescheinigte dem Iran allerdings wiederholt, sich an die Abmachungen im Atomabkommen zu halten. Darin unterwarf der Iran seine Urananreicherung bis zu 25 Jahre lang einem mehrstufigen System von Beschränkungen und Kontrollen durch die IAEA.

Welche Sanktionen treten nun wieder in Kraft?

In einer ersten Runde wollen die USA erreichen, dass der Iran keine US-Dollar erwerben und nicht mehr mit Gold und Edelmetallen handeln kann. Auch der Handel mit anderen Metallen, Rohstoffen und Industriesoftware soll unterbunden werden. Zudem wird der Import iranischer Lebensmittel und Teppiche in die USA untersagt. 90 Tage später sollen dann besonders schmerzhafte Sanktionen wieder eingesetzt werden, mit deren Hilfe die Ölimporte anderer Länder aus dem Iran auf Null reduziert werden sollen.

In einer zweiten Sanktionsrunde im November wollen die USA den internationalen Zahlungsverkehr mit dem Iran lahmlegen.

Frauen kaufen im Basar von Teheran ein.

Auch der Handel mit Metallen soll unterbunden werden

Müssen sich deutsche Firmen an die US-Sanktionen halten?

Theoretisch sind sie dazu nicht verpflichtet. Allerdings würden die US-Behörden sie bei Verstößen von Geschäften in den USA ausschließen - und der US-Markt dürfte für die allermeisten deutschen Firmen wichtiger sein als der iranische.

Für Unternehmen, die keine Geschäfte mit den USA betreiben, seien die US-Sanktionen jedoch irrelevant, erklärt Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) im Gespräch mit tagesschau.de. Sie könnten mit dem Iran durchaus Geschäfte machen. Das sei nach deutschem und europäischem Recht absolut legal.

Für Unternehmen mit Sitz in Deutschland seien die US-Sanktionen rechtlich nur dann bindend, wenn sie in US-Besitz sind, über eigene Niederlassungen in den USA verfügen oder US-Personen als Mitarbeiter haben, sagt Michael Tockuss, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der deutsch-iranischen Handelskammer, im Gespräch mit tagesschau.de. Die USA würden aber mit der Drohung von Strafzahlungen oder "Blacklistungen" den Eindruck erzeugen, dass alle Unternehmen betroffen seien.

Wansleben rät deutschen Unternehmen, ihre Situation zu analysieren, um herauszufinden, welche Märkte in den USA oder im Iran welche Perspektiven haben, um ihr Unternehmen entsprechend auszurichten.

Wie beurteilen Deutschland und die EU die Abkehr der USA von dem Abkommen?

Die EU bedauert die Wiedereinsetzung der US-Sanktionen gegen den Iran "zutiefst". Die EU sei "entschlossen", europäische Unternehmen, die an "rechtmäßigen" Geschäften mit dem Iran beteiligt seien, vor negativen Auswirkungen der US-Entscheidung zu schützen, erklärte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. Deswegen werde ab Dienstag (7. August 2018) gleichzeitig mit dem Beginn der US-Sanktionen das überarbeitete Blockadestatut in Kraft treten.

Kann das EU-Blockadestatut verhindern, dass deutsche Unternehmen, die mit dem Iran handeln, in Konflikt mit US-Sanktionen geraten?

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) beurteilt das Blockadestatut der EU-Kommission in einer schriftlichen Stellungnahme als "nachvollziehbar". Es sollte aber so umgesetzt werden, dass mögliche Schäden für die heimische Wirtschaft minimiert werden.

Tockuss von der deutsch-iranischen Handelskammer sagt, dass das Statut nur eine überschaubare Wirkung habe, wenngleich er es als wichtiges politisches Zeichen deutet. Die EU zeige damit, dass sie US-Sanktionen in der EU zurückweist. Das Blockadestatut sieht er in jenen Fällen als hilfreich an, in denen US-Geschäftspartner von deutschen Unternehmen verlangen, keine Geschäfte mehr mit dem Iran zu machen.

Wansleben vom DIHK kritisiert das Blockadestatut als eine "hilflose, politische Reaktion", die zeigen soll, dass sich die EU den US-Sanktionen nicht beuge. Für die einzelnen Unternehmen habe das Statut keine Relevanz.

Welche Wirtschaftszweige sind besonders betroffen?

Alle, die seit dem Inkrafttreten des Atomabkommens mit dem Iran am 14. Juli 2015 Aufträge im Iran akquiriert haben. Das betrifft insbesondere Stahl- und Aluminiumgüter, die an die iranische Ölindustrie und die Automobilindustrie geliefert werden, außerdem Zulieferer für die Gas- und Erdölindustrie, aber auch Bildungsdienstleister.

Welche Probleme kommen auf Unternehmen zu, die mit dem Iran handeln?

Viele Unternehmen, die Geschäfte mit dem Iran gemacht haben, würden jetzt keine Bank finden, um die Euro oder Dollar nach Deutschland zu transferieren, erklärt Wansleben vom DIHK. Keine Bank in Europa sei derzeit bereit, Geschäfte mit dem Iran finanziell zu begleiten.

Zudem hätten Investoren im Iran derzeit wenig Planungssicherheit, weil sie nicht wüssten, in welche Richtung sich die Volkswirtschaft entwickeln würde. Bereits jetzt wäre das Iran-Geschäft um vier Prozent zurückgegangen.

Besonders betroffen seien Unternehmen, die mit eigenen Niederlassungen in den USA vertreten sind, die US-Bürger im Management oder als Mitarbeiter haben oder gar in den USA börsennotiert sind, erklärt Tockuss. Allerdings gibt er sich auch moderat optimistisch. "Eine große Anzahl an mittelständischen Unternehmen führt die Iran-Geschäfte weiter", sagt er. "Sie haben eine gewisse Erfahrung, denn von 2012 bis zum Abschluss des Atomabkommens 2015 sahen sie sich UN-, EU- und USA-Sanktionen ausgesetzt und konnten dennoch legale Geschäfte fortführen."

Was bedeuten die Sanktionen für die Zahlungsabwicklung?

Bislang wickelten Sparkassen, Volksbanken und kleine Privatbanken die Zahlungen für Iran-Geschäfte ab. Tockuss bestätigt, dass sich durch die US-Sanktionen nun viele Banken zurückziehen würden. Es blieben jedoch Institute, die für Bestandskunden weiterhin Zahlungen abwickeln würden. Alternativ böten sich auch Banken in der Schweiz und Liechtenstein für Iran-Geschäfte an.   

Eine Hand hält ein Bündel Geldscheine in der Hand.

Wegen der US-Sanktionen hat die iranische Währung Rial seit April die Hälfte an Wert verloren.

Welche Rolle spielt der Währungsverfall des Rial?

Für iranische Kunden, die nur in der iranischen Währung zahlen können, bedeutet das, dass ausländische Produkte um 40 bis 60 Prozent teurer werden. Das heißt, dass weniger iranische Kunden sich deutsche Maschinen, deutsche Autos oder deutsche Chemie leisten können.

Was passiert, wenn Geschäftspartner im Iran jetzt nicht zahlen können?

Wie aus Zahlen des Bundeswirtschaftsministeriums hervorgeht, sichert der Bund mit staatlichen Exportgarantien - sogenannten Hermes-Bürgschaften - derzeit 57 Geschäfte im Iran mit einem Gesamtvolumen von 911 Millionen Euro ab. Der BDI fordert die Bundesregierung auf, sicherzustellen, dass deutsche Unternehmen, die mit dem Iran weiterhin Geschäfte machen, alle Instrumente der Außenwirtschaftsförderung nutzen können.

Was müssen deutsche Unternehmen mit Firmensitz im Iran jetzt beachten?

"Die Riesenfrage ist: Inwiefern erfüllt ein Firmensitz im Iran schon jetzt den Tatbestand eines Verstoßes gegen US-Sanktionen?", so Wansleben. Fest stünde, dass Unternehmen, die kein US-Geschäft haben, ihr Büro im Iran aufrecht erhalten. Das sei legal und in Ordnung. Alle andere zögen sich nun zurück.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 06. August 2018 um 17:00 Uhr.