Ein Verkehrsschild in der Nähe der deutsch-österreichischen Grenze
FAQ

Österreich klagt gegen Pkw-Maut Dürfen die das überhaupt?

Stand: 12.10.2017 16:32 Uhr

Österreich zieht gegen die deutsche Pkw-Maut vor den Europäischen Gerichtshof. Mit welcher Begründung? Und darf ein anderes Land überhaupt gegen ein nationales Gesetz klagen? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Christoph Kehlbach, ARD-Rechtsredaktion

Was ist der Streitpunkt?

Innerhalb der Europäischen Union herrscht das "Diskriminierungsverbot aus Gründen der Staatsangehörigkeit". Das bedeutet: Bürger eines (anderen) EU-Mitgliedsstaates dürfen nicht schlechter behandelt werden als die Bürger des eigenen Landes. Sowohl offene als auch verdeckte Diskriminierung darf es nicht geben.

Österreich sagt, genau das sei aber bei der deutschen Pkw-Maut der Fall: Sie gelte faktisch nur für Ausländer. Denn die Kosten der Maut-Plakette soll deutschen Staatsbürgern ja auf die Kfz-Steuer angerechnet werden. Sie müssten also nicht "draufzahlen", weil sie an anderer Stelle entlastet werden. Österreicher oder andere Ausländer, die mit ihrem Auto nach Deutschland fahren, werden dagegen voll zur Kasse gebeten. Deshalb würden sie diskriminiert, also schlechter gestellt als Deutsche.

Wieso kann Österreich überhaupt gegen ein deutsches Gesetz klagen?

Natürlich ist das "Gesetz zur Einführung einer Infrastrukturabgabe für die Benutzung vom Bundesfernstraßen" (so die offizielle Bezeichnung der Pkw-Maut) ein deutsches Gesetz. Allerdings dürfen nationale Gesetze nicht EU-Recht zuwiderlaufen. Verstößt ein Staat gegen seine Verpflichtungen aus den EU-Verträgen, besteht die Möglichkeit, ein sogenanntes Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten. In der Praxis ist es meistens die EU-Kommission, die ein solches Verfahren eröffnet. Aber auch andere EU-Staaten haben das Recht dazu. Dass sie davon Gebrauch machen, geschieht extrem selten. Österreichs Klage gegen die Pkw-Maut ist erst das siebte Vertragsverletzungsverfahren überhaupt, das ein Mitgliedsstaat gegen einen anderen anstrengt.

Gab es nicht schon mal ein EU-Verfahren wegen der Pkw-Maut?

Ja. Die EU-Kommission hatte schon im Juni 2015 ein eigenes Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Auch damals ging es um die Diskriminierung von EU-Ausländern. Im Ergebnis hat der deutsche Gesetzgeber das ursprüngliche Gesetz nachgebessert: Die zunächst geplante 1:1-Entlastung der deutschen Steuerzahler wurde verworfen.

Stattdessen wurde eine Staffelung der Entlastung in das Gesetz geschrieben, die sich an der Umweltfreundlichkeit der jeweiligen Autos orientiert. Außerdem wurden neue Preisstufen für die Maut-Vignetten geschaffen. Auch diese berücksichtigen nun die Umwelteigenschaften der Autos. Für die Kommission und den deutschen Gesetzgeber schien damit alles geregelt. Österreich dagegen hält auch das nachgebesserte Gesetz für rechtswidrig, darum jetzt die Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH).

Und wie geht es nun weiter?

Es beginnt ein gerichtliches Verfahren vor dem EuGH. Bevor ein Staat dort Klage erheben kann, muss er allerdings die EU-Kommission anrufen. Bleibt diese untätig und gibt innerhalb von drei Monaten keine Stellungnahme ab, kann der Staat, der sie angerufen hat, direkt Klage erheben. Genau so war es jetzt im Falle Österreichs.

Das nun startende gerichtliche Verfahren wird etwa 18 bis 20 Monate dauern. Zunächst findet ein schriftliches Verfahren statt, unter bestimmten Voraussetzungen kommt es dann zu einer mündlichen Verhandlung im Luxemburg. Falls dabei neue Rechtsfragen auftauchen, wird der Generalanwalt am EuGH sein Gutachten dazu abgeben, dann sprechen die Richter ihr Urteil.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR aktuell am 12. Oktober 2017 um 12:09 Uhr, 13:07 Uhr und 14:10 Uhr.