Strategie "Europa 2020" vorgestellt EU will den Staaten Wachstumsziele vorschreiben

Stand: 03.03.2010 13:48 Uhr

Mit "Europa 2020" zieht die EU-Kommission Konsequenzen aus der gescheiterten Lissabon-Strategie. Sie will den Mitgliedsstaaten Wachstumsziele vorgeben und deren Umsetzung überwachen. Wer die Vorgaben nicht erfüllt, soll verwarnt werden.

Von Wolfgang Landmesser, WDR-Hörfunkstudio Brüssel

Klarere Ziele, bessere Koordination: EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso will Wachstum und Beschäftigung in Europa zentral steuern. Das sei die Lehre aus der Finanz- und Wirtschaftskrise. "Bei den weltweiten Auswirkungen der Krise müssen wir akzeptieren, dass unsere wirtschaftliche Abhängigkeit zugenommen hat und eine zielgerichtetere und zusammenhängende politische Reaktion erfordert", sagt er.

Klimaziele als Wachstumsziele

"Smart growth", cleveres Wirtschaftswachstum, lautet das Schlagwort des Kommissionschefs. So müsse Europa auf Umwelttechnologien setzen. Deswegen hat die Kommission auch die Klimaziele in ihre neue Wirtschaftsstrategie "Europa 2020" gepackt - also die Ziele, bis 2020 die Treibhausgase im Vergleich zu 1990 um 20 Prozent zu senken und die Energieeffizienz um 20 Prozent zu erhöhen.

Um mehr Wirtschaftswachstum zu erreichen, seien messbare und klare Ziele notwendig. Neben den bereits beschlossenen Klimazielen lauten diese: Auf drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts sollen die Ausgaben für Forschung und Entwicklung steigen; derzeit sind es nicht mal zwei Prozent. Der Anteil der Erwerbsfähigen, die einen Arbeitsplatz haben, soll ebenfalls steigen. Im Moment haben nur zwei Drittel der Europäer im Alter zwischen 20 und 64 einen Job. Dieser Anteil soll künftig 75 Prozent erreichen. Außerdem müsse die Zahl der Menschen sinken, die von Armut bedroht sind - und zwar um 20 Millionen. Vor der Wirtschaftskrise waren es 80 Millionen.

EU gibt Ländern Ziele vor

Praktisch soll das so funktionieren. "Die EU-Kommission wird den Mitgliedsstaaten länderspezifische Ziele vorgeben", sagt Barroso. "Wir werden außerdem Warnungen veröffentlichen, wenn die Länder nicht entsprechend reagieren."

Die Kontrolle soll nach dem Vorbild des Stabilitäts- und Wachstumspakts funktionieren. Dessen Vorgaben zufolge droht Ländern, die sich übermäßig verschulden, ein sogenanntes Defizitverfahren. Und die Kommission kann Länder verwarnen, deren Wirtschaftspolitik für die ganze EU gefährlich wird. Zum ersten Mal hat die Behörde das im Fall Griechenland getan.

"Notwendigkeit für gemeinsames Handeln ist klarer"

Schon die vorangegangene Lissabon-Strategie hatte wirtschaftliche Ziele formuliert, diese aber zum großen Teil nicht erreicht. Das habe vor allem an der mangelnden Kontrolle gelegen, so Kommissionspräsident Barroso. Vor der Wirtschaftskrise seien die Mitgliedsstaaten mehrheitlich gegen eine zentrale Steuerung aus Brüssel gewesen. Das habe sich jetzt grundsätzlich geändert. "Die Notwendigkeit, gemeinsam zu handeln, ist jetzt viel klarer geworden. Deswegen denke ich, dass dieser Ansatz jetzt von allen europäischen Regierungen akzeptiert wird", erklärt Barroso.

Auch Deutschland befürwortet eine sogenannte europäische Wirtschaftsregierung. Mit den Plänen der Kommission ist die Bundesregierung im Detail aber nicht einverstanden. So ist sie dagegen, den Anteil der jungen Menschen mit Universitätsausbildung auf 40 Prozent festzulegen. Dazu sei das deutsche Hochschulsystem zu kompliziert.