Kolumne Euroschau Irland treibt EZB zur verbotenen Staatsfinanzierung

Stand: 06.03.2013 13:27 Uhr

In der Euro-Rettung hat die Europäische Zentralbank die Grenzen der EU-Verträge erreicht. Ein fragwürdiger "Deal" zwischen Irlands Regierung und der Notenbank des Landes kommt einer verbotenen Staatsfinanzierung gleich. Dass die EZB vorgibt, nichts damit zu tun zu haben, ist absurd.

Von Klaus-Rainer Jackisch, HR

In wenigen Tagen ist es wieder soweit. Dann hat die Farbe "grün" Hochkonjunktur: Denn am 17. März feiern Iren rund um den Globus den St. Patrick's Day - mit Paraden in Dublin, Chicago, New York und London, aber auch in München. Sie gedenken des irischen Bischofs Patrick. Der hatte das Land im fünften Jahrhundert missioniert und gilt seither als der Schutzpatron der Grünen Insel.

Dieses Jahr dürfte das ausschweifende Gelage noch größer ausfallen. Denn Dublin hat allen Grund zu feiern. Nach abenteuerlichen Verhandlungen ist es gelungen, die Europäische Zentralbank übers Ohr zu hauen und an den Rand der Verfassungsmäßigkeit zu bringen.

Notkredite der irischen Notenbank

Was ist geschehen? Als Sorgenkind der Eurokrise bekam Irland 2010 ein Rettungspaket. Schnell wurde deutlich, dass die rund 68 Milliarden Euro vorne und hinten nicht reichen würden. Also wurde dem aufgeblähten und maroden Bankensektor als Kern der Irland-Krise zusätzlich geholfen: Notkredite der irischen Notenbank flossen mit Tolerierung der EZB an die Regierung in Dublin. Die nahm das Geld, um den Bankensektor zu stützen. Der rechtlich umstrittene Schuldschein galt als akzeptabel angesichts der schweren Verwerfungen, die ein Zusammenbruch der irischen Banken in der Eurozone ausgelöst hätte.

Schnell wurde klar: Dublin würde die Schulden niemals zurückzahlen können. Nachdem die Eurogruppe vor allem Griechenland großzügig unter die Arme gegriffen hatte, gab es dazu auch keine Bereitschaft mehr.

Schäuble stemmte sich gegen Aufstockung des Rettungspakets

Deshalb verhandelte die irische Regierung rund anderthalb Jahre mit dem Ziel, den Schuldschein in Staatsanleihen umzutauschen. Der Vorteil: Durch die Umwandlung könnte die Rückzahlung auf rund 40 Jahre gestreckt werden. Dadurch würde Dublin etwa 20 Milliarden Euro einsparen. EZB und irische Notenbank weigerten sich. Die Regierung wusste weder ein noch aus.

Eigentlich hätte nun das Rettungspaket für Irland durch die Eurogruppe aufgestockt werden müssen. Das wäre eine saubere Finanzierung gewesen. Doch dagegen wehrte sich vor allem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble vehement. Zum einen, weil er das deutschen Steuerzahlern nicht zumuten wollte. Zum anderen, weil es den Mythos der erfolgreichen Sanierung Irlands zerstört hätte.

Irische Notenbank knickte ein

Stattdessen fädelte er ein, dass sein damaliger Staatssekretär Jörg Asmussen Verhandlungen mit den Iren aufnahm. Die Gespräche des heutigen EZB-Direktoriumsmitglieds und Außenministers der EZB führten vor wenigen Wochen zum Erfolg. Plötzlich knickte die irische Notenbank ein. Sie akzeptierte, dass der Schuldschein der irischen Regierung in Staatsanleihen umgetauscht würde. Aufatmen in Dublin.

Der "Deal", wie ihn die irische Regierung offen nennt, sollte nicht an die große Glocke gehängt werden. Offiziell zeigte sich EZB-Präsident Mario Draghi konsterniert: Der EZB-Rat habe das  Ergebnis lediglich "zur Kenntnis" genommen, würgte er alle kritischen Nachfragen ab. Er tat so, als habe die EZB mit dem Handeln der irischen Notenbank nichts zu tun.

Deal am Rande der Verfassungsmäßigkeit

Das ist natürlich absurd. Würden Draghis Aussagen stimmen, hätte er faktisch keine Kontrolle mehr über die nationalen Notenbanken der Eurozone. Denn nach seiner Argumentation hätte die irische Notenbank nach eigenen Willen geschaltet und gewaltet.

Das mag glauben, wer will. Tatsächlich muss der EZB-Rat dem von Asmussen eingefädelten Deal zugestimmt haben, wenn auch nur zähneknirschend. Vermutlich hat er darauf gehofft, die abenteuerliche Konstruktion würde wenig Beachtung finden. Denn sie ist in ihrer Struktur extrem komplex und daher schwer zu durchschauen. Mario Draghi weiß nur zu genau, dass der Deal am Rande der Verfassungsmäßigkeit steht.

Massive finanzielle Vorteile

Durch den Tausch des Schuldscheins in Staatsanleihen entstehen Dublin massive finanzielle Vorteile. Faktisch bestehen sie aus dem entgangenen Gewinn der irischen Notenbank. Somit handelt es sich um Staatsfinanzierung. Die ist nach Paragraph 123 des EU-Vertrages eindeutig verboten.

Verständlich, dass die EZB nicht viel Wind um die Affäre machen will. Auch deshalb nicht, weil nun andere Länder scharf auf weitere Erleichterungen sind. In Lissabon wurde das auf den Demonstrationen vom Wochenende nur zu deutlich. Auch die Portugiesen sind am Ende ihrer Geduld: Die solventen Länder sollen tiefer in die Tasche greifen.

EZB als williger Gehilfe der Politik

Mit ihrem neuen ordnungspolitischen Sündenfall öffnet die EZB Tür und Tor für weitere Ansinnen aus anderen südeuropäischen Staaten. Durch das fragwürdige Manöver gibt es keine Trennung mehr zwischen Fiskal- und Geldpolitik. Sie wurde aber von den Gründervätern des Euro eindeutig ins Stammbuch geschrieben. Die EZB wird immer mehr zum willigen Gehilfen und Spielball der Politik. Die wiederum schert sich wenig darum, endlich Strukturen zu entwickeln, um die Eurozone auf ein solides Fundament zu stellen. Ein fataler Teufelskreis.

Die Iren freilich können sich erst einmal ein Guinness mehr genehmigen: St. Patrick's Day wird dieses Jahr ein rauschendes Fest.

Klaus-Rainer Jackisch schreibt bei tagesschau.de regelmäßig seine Kolumne Euroschau, in der er einen Blick auf die monatliche EZB-Ratssitzung wirft