Kolumne Euroschau Einsamer Aufstand gegen Draghi

Stand: 05.09.2012 11:22 Uhr

Morgen könnte die Europäische Zentralbank ein neues Ankaufprogramm für Staatsanleihen beschließen. Bundesbankpräsident Weidmann läuft Sturm gegen die Pläne von EZB-Chef Draghi. Doch er ist isoliert und wird demonstrativ vorgeführt. Seine Kritik trifft trotzdem den Kern des Problems.

Von Klaus-Rainer Jackisch, HR

Aufruhr in der Deutschen Bundesbank: Ausgerechnet die Institution, die sich sonst gerne vornehm und etwas arrogant in ihren Elfenbeinturm zurückzieht, probt den Aufstand gegen EZB-Präsident Mario Draghi. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann ließ in den vergangenen Wochen keine Chance ungenutzt, um gegen die Politik der EZB Sturm zu laufen. Er wehrt sich vehement gegen den geplanten Kauf von Staatsanleihen kriselnder Euroländer.

Hohe Inflation droht

Draghi erhofft sich von dem Kauf, dass die Krisenstaaten dann an den Kapitalmärkten deutlich weniger Zinsen für frisches Geld zahlen müssen. Weidmann befürchtet, dass dies wie eine Droge ist, von der die betroffenen Staaten nicht wieder ablassen werden. Die mögliche Folge: ein Heißlaufen der Notenpresse und Inflation.

Tatsächlich könnte dauerhafte Preissteigerung das Schicksal der Währungsunion werden, wenn Draghis Pläne umgesetzt werden. Welches Krisenland hätte noch einen Anreiz, Wirtschafts- und Strukturreformen umzusetzen, wenn das Geld auch ohne Anstrengungen fließt? Auf die deutschen Steuerzahler kämen erneut Milliarden-Risiken zu.

Kauf von Staatsanleihen wäre verbotene Staatsfinanzierung

Mitreden dürfen sie eh nicht mehr: Entscheidungsprozesse würden endgültig vom Parlament in die wenig legitimierten Gremien von Notenbankern wandern. Die nächste Verfassungsklage wäre programmiert. Denn der Kauf von Staatsanleihen wäre direkte Staatsfinanzierung durch die EZB. Dies ist aber im Maastrichter Vertrag verboten. Da kann EZB-Präsident Draghi so viel heruminterpretieren wie er will.

Fraglich ist auch, ob die Maßnahmen tatsächlich das Vertrauen in die Währungsunion wiederherstellen können. Anglo-amerikanische Investoren ziehen sich bereits seit Monaten aus großen Teilen der Eurozone zurück. Sie gehen von einem Zusammenbruch des Euros aus. Wieso sollte eine Geldflut mit drohender Inflation ein Anreiz sein, diese Strategie zu ändern?

Bundesbankpräsident Weidmann ist isoliert

Jens Weidmann steht mit seiner Position ziemlich alleine da. Er verweist zwar gerne darauf, dass einige seiner Kollegen im EZB-Rat ähnlich denken wie er. Tatsächlich gibt es immer wieder mal kritische Stimmen aus Finnland, auch Niederländer und Slowaken sind besorgt. Doch wenn es ernst wird, macht keiner von ihnen den Mund auf. Bei Abstimmungen im EZB-Rat war Jens Weidmann zuletzt allein und isoliert.

Nach der vergangenen EZB-Sitzung ließ es sich EZB-Chef Draghi nicht nehmen, die Bundesbank in ihrer Isolation genüsslich vorzuführen - ein Tabubruch. So etwas gab es noch nie. Den Vorgängern Duisenberg und Trichet wäre es nicht im Traum eingefallen, ein Mitgliedsland der Eurozone bloß zu stellen. Auch das zeigt, wie sich der Ton in der EZB geändert hat. Die Bundesbank beeilte sich hinterher, den Tabubruch als normalen Vorgang herunterzuspielen. Man wolle ja mehr Transparenz. Aber diese Art der Offenheit ist der Sache nicht dienlich.

Kein Wunder, dass angesichts der verfahrenen Situation vor wenigen Tagen Gerüchte aufkamen, Weidmann wolle seinen Hut nehmen. Dies wäre nach Ex-Bundesbank-Präsident Axel Weber und Ex-EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark der dritte Deutsche, der wegen der Position Deutschlands das Handtuch werfen würde. Angeblich hat die Bundeskanzlerin Weidmann überredet, im Amt zu bleiben. Zu groß war die Angst, dass bei einem erneuten Rücktritt auch der letzte Deutsche merken würde, dass die Eurozone am Abgrund steht.

Aber vielleicht war das Ganze auch nur eine große Show, die die Strippenzieher in der Bundesbank trefflich in Szene zu setzen wussten. Bei anderen Gelegenheiten hat Weidmann schließlich nie den Anschein gegeben, dass er über einen Rücktritt nachdenke. Was sollte der auch noch bewirken?

Ist der Preis für die Euro-Rettung zu hoch?

Wo immer die Wahrheit liegt, ist unerheblich. Faktum ist, dass die Bundesbank zu Recht erhebliche Risiken im eingeschlagenen Weg zur Euro-Rettung sieht und mit ihrer Position im EZB-Rat allein dasteht. Faktum ist auch, dass es durchaus legitim ist zu fragen, ob der Preis für die Euro-Rettung nicht zu hoch ist?

Was bringt eine Gemeinschaftswährung, die im schlimmsten Fall ihre Kaufkraft durch Inflation verliert? Welche Vorteile hat die deutsche Wirtschaft durch den Euro wirklich, wenn die Bürgerinnen und Bürger der Eurozone die produzierten Waren aufgrund hoher Inflation nicht mehr kaufen können? Was ist das für ein Europa, in der nicht-legitimierte Notenbanker und nicht der Souverän über das Wohl und Wehe von Millionen Menschen entscheiden? Wie soll Vertrauen in eine Währungsunion wiederhergestellt werden, in der ein Vertrag nach dem anderen gebrochen wird?

Die Eurozone ist auf dem Holzweg. Der unbegrenzte Kauf von Staatsanleihen kann nicht die Lösung sein. Die Notenbank kann nicht die Probleme lösen, die die Politik verursacht hat, indem sie eine Währungsunion ohne politisches Fundament konstruiert hat. Dieses Problem kann nur die Politik selbst lösen. Es wäre schön, wenn man das in Berlin, Athen, Brüssel, Rom und Madrid endlich erkennen würde.

Klaus-Rainer Jackisch schreibt bei tagesschau.de regelmäßig seine Kolumne Euroschau, in der er einen Blick auf die monatliche EZB-Ratssitzung wirft.