Kolumne Euroschau Profiteure, Spekulanten, Retter - und viel Unfug

Stand: 08.02.2012 08:49 Uhr

Obwohl sie es nicht darf, hat die EZB auch griechische Staatsanleihen gekauft. Jetzt wird gefordert, dass sie einen Abschlag hinnimmt und sich so an einem Schuldenschnitt beteiligt. Völlig unmöglich, meint Klaus-Rainer Jackisch. Aber einen Ausweg gibt es doch.

Von Klaus-Rainer Jackisch, HR

Es bildet sich eine fatale Koalition: Anhänger ungehemmter Staatsschulden, Euro-Retter um jeden Preis und angebliche Sachverständige, die alle Prinzipien über Bord werfen. Eine Koalition wirtschaftlicher und politischer Unvernunft.

Ihr neuestes Projekt: Immer mehr Druck auf die Europäische Zentralbank. Die EZB soll auf einen Gutteil des Werts ihrer ohnehin faulen Griechenland-Staatsanleihen verzichten. Die EZB soll sich also am Schuldenschnitt beteiligen. Das sei doch nur recht und billig, heißt es. Schließlich würde die Zentralbank an der Griechenland-Misere heftig verdienen.

EZB kann sich nicht am Schuldenschnitt beteiligen

Was für ein Unfug! Tatsächlich könnte die EZB langfristig mit ihrem umstrittenen Griechenland-Engagement Gewinn einfahren - allerdings nur, wenn alles gut geht. Seit Mai 2010 kauft die Notenbank Staatsanleihen klammer Euro-Staaten, um sie zu stützen. Das verstößt zwar gegen die EU-Verträge. Aber wen schert das schon. Am Schuldenschnitt will und kann die EZB sich nicht beteiligen. Denn das wäre direkte Staatsfinanzierung, die der Zentralbank aus gutem Grund untersagt ist.

Wie viele griechische Staatsanleihen mittlerweile in den Depots des Frankfurter Eurotowers liegen, weiß nur die EZB selbst. Sie verrät den Betrag nicht - trotz ihrer selbst immer wieder hoch gepriesenen Transparenz. Veröffentlicht wird lediglich der Gesamtwert aller Staatsanleihen. Experten schätzen den Anteil des Griechenland-Engagements auf 40 und 55 Milliarden Euro.

Ziel war nicht Reibach

Aufgrund der prekären Lage in dem südeuropäischen Land hat die EZB die Anleihen mit Kursabschlägen erworben. Sie wurden also unter ihrem Ausgabepreis gekauft. Die Währungshüter gehen aber davon aus, dass die Papiere bei Ablauf von Athen zum vollen Nennwert zurückgenommen werden. Aus dieser Differenz zwischen niedrigerem Kurs und Nennwert ergibt sich dann der mögliche Gewinn. Ganz kluge Rechner taxieren ihn bereits auf zehn Milliarden Euro. Was für ein Skandal, schreien die Kritiker: Aus dem Schaden auch noch Profit ziehen!

Die Empörung ist völlig unangebracht: Die EZB hat die Anleihen nicht gekauft, um großen Reibach zu machen. Sie hat sie vielmehr erworben, um Griechenland und die Finanzmärkte zu stützen. Und sie hat dafür einen sehr hohen Preis gezahlt. Denn mit dem Geschäft hat die EZB ihre Gründungsverträge auf politischen Druck gebrochen. Ein Gutteil ihrer politischen Unabhängigkeit ist geopfert worden.

Große Unsicherheiten

Gewinn ist bislang ohnehin hypothetisch. Niemand weiß, ob er am Ende wirklich anfällt. Griechenland kann oder will die Anleihen möglicherweise gar nicht zum Nennwert zurücknehmen. Wenn Athen vorher pleite macht, kann von Profit sowieso keine Rede mehr sein. Dann sind sie Anleihen gar nichts mehr wert.

Der EFSF könnte die Anleihen übernehmen

Moralischen Vorhaltungen sind also fehl am Platz. Trotzdem hat die Debatte einen Vorschlag hervorgebracht, der ordnungspolitisch sehr zu begrüßen ist. Und der allen hilft. Er stammt vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln: Danach überträgt die EZB ihre Griechenland- Anleihen an den Rettungsschirm EFSF - und zwar zum tatsächlich erworbenen Kurs. Die EZB gewinnt und verliert also nichts. Der EFSF versucht, die Anleihen bei Ablauf zum vollen Nennwert wieder loszuwerden. Die Differenz wird aber schon jetzt aus den Mitteln des EFSF genommen und an Griechenland sofort ausgezahlt. Damit wird die Schuldenlast Athens reduziert. Es wäre sozusagen ein indirekter Schuldenschnitt der öffentlichen Hand. Ähnlich könnte man mit Staatsanleihen anderer Länder vorgehen.

Natürlich könnte auch bei dieser Variante der eigentliche Nennwert am Ende nicht zu erzielen sein. Dann müsste der Steuerzahler aufkommen. Das würde er indirekt aber auch, wenn die Anleihen bei der EZB blieben und die Sache schief geht.

Befreiungsschlag für die EZB

Die Idee des IW hat dennoch einen großen Vorteil: Sie würde die EZB auf einen Schlag von der Last der Anleihen und ihrer politischen Bürde befreien. Sie würde die Zentralbank aus dem Dunstkreis der Staatsfinanzierung herausnehmen. Damit wäre die EZB das leidige Thema endlich los. Der Vertragsbruch wäre geheilt und die Notenbank könnte ihre politische Unabhängigkeit wieder zurückgewinnen.

Es wäre schlichtweg der Befreiungsschlag für die EZB. Denn der Kauf von Staatsanleihen zur Stützung der Märkte ist nicht Sache der Zentralbank - sondern die eines Rettungsschirms.

Klaus-Rainer Jackisch schreibt bei tagesschau.de regelmäßig seine Kolumne Euroschau, in der er einen Blick auf die monatliche EZB-Ratssitzung wirft.