Kolumne Euroschau Reden, dinieren und palavern in der Hofburg

Stand: 02.06.2016 00:29 Uhr

Die Europäische Zentralbank hat im Grunde alle Register gezogen gegen die schwache Konjunktur in den Euroländern - ohne Erfolg. Wie geht es weiter mit der Geldpolitik? Der Rat trifft heute in der österreichischen Hofburg zusammen. Der Rat trifft heute in einem Land zusammen, das einst Musterschüler war: Österreich.

Von Klaus-Rainer Jackisch, HR

Seit Jahrhunderten gehen Kaiser, Fürsten, Diplomaten und Politiker hier ein und aus: die Hofburg war und ist das Machtzentrum Wiens. In hellem Glanz erstrahlt das massive, weiße Gebäude mitten in der Stadt, verwinkelt, sagenumwoben und Ausdruck für die Bedeutung des einstigen Habsburger Reichs. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges residiert hier der Bundespräsident. Auch die Spanische Hofreitschule und das Museum Albertina sind Teile des Bau-Komplexes - wie auch die Redoutensäle, in denen schon Kaiserin Maria Theresia Musiker und Schauspieler aufziehen ließ oder zum Tanz bat.

In solch prunkvoller Form erwartet Wien in dieser Woche den Rat der Europäischen Zentralbank. Präsident Mario Draghi, das Direktorium und die Notenbank-Gouverneure der 19 Euro-Staaten tagen einmal im Jahr auf Einladung der Notenbank eines Mitgliedslandes. Dieses Mal ist es die österreichische Zentralbank.

Goldenes Zeitalter vorbei

Spannender könnte das Umfeld kaum sein. Das Land, einst Musterschüler der EU, befindet sich wirtschaftlich und politisch in großen Turbulenzen. Noch vor zehn Jahren galt Österreich als das "bessere Deutschland" und sonnte sich in seinem Erfolg. Die Wirtschaft lief prima, die Arbeitslosigkeit war so niedrig wie nirgendwo sonst in Europa. In Wien herrschte Aufbruch-Stimmung. Austria positionierte sich zur Drehscheibe für Osteuropa, wollte viele Investoren anlocken.

Mittlerweile sieht das anders aus. Das goldene Zeitalter in Osteuropa entpuppte sich als Illusion: in den neuen EU-Ländern kam es zum Konjunktur-Einbruch, einige österreichische Banken fuhren das Geschäft an die Wand. Österreichs Wirtschaft wächst in diesem Jahr gerade mal um 0,7 Prozent. Nur Finnland und Griechenland schneiden in Europa noch schlechter ab. Finanz- und Schuldenkrise taten ihr übriges. Doch der eigentliche Grund, warum Österreich immer mehr zum Schlusslicht wird, liegt woanders: in fehlenden oder verkorksten Reformen, sei es bei Pensionen, Arbeitsmarkt, Gesundheit oder Steuern.

Viele Österreicher haben das Gefühl, dass in ihrem Land nichts mehr geht. Dies erklärt auch die dramatischen Watschen für die etablierten Parteien in den jüngsten Wahlen und den Aufstieg der rechtspopulistischen FPÖ.

Wirtschaft schleppt sich überall dahin

In diesem Umfeld tagen die Währungshüter über die weitere Geldpolitik. Große Freude macht das nicht. Denn nicht nur Österreich, auch andere Musterländer oder Hoffnungsträger im Euroraum stehen wieder schlechter da: seien es Finnland, Spanien oder Portugal. Ganz zu schweigen von Problemländern wie Italien oder Frankreich. Überall schleppt sich die Wirtschaft dahin und kommt nicht auf die Beine.

Auch die Inflationsentwicklung ist alles andere als auf Kurs: Denn trotz der massiven Geldflut fallen die Preise in der Euro-Zone immer weiter. Waren und Dienstleistungen kosteten im Mai durchschnittlich 0,1 Prozent weniger als im Vorjahresmonat. Was Verbraucher freut, sorgt die Währungshüter. Das selbst gesteckte Ziel von knapp zwei Prozent Preissteigerung ist weit entfernt. Das liegt vor allem an den niedrigen Kosten für Energie als Folge der geringen Rohölpreise.

Geldpumpen und Niedrigzins-Politik - ohne Erfolg

Immer mehr muss sich der EZB-Rat fragen, ob er nicht auf dem Holzweg ist: das ständige Geld-Pumpen in die Märkte und die Niedrigzins-Politik mit dramatischen Folgen für die Altersvorsorge bringt nicht den gewünschten Erfolg. Lediglich die Kreditvergabe der Banken hat sich etwas verbessert - doch auch die kurbelt die Wirtschaft nicht an.

So hoffen die Währungshüter nun auf wieder anziehende Preise an den Ölmärkten. In den vergangenen Wochen sind die Notierungen deutlich gestiegen. Gründe sind Engpässe in den Ölförderländern Venezuela und Nigeria, weniger Angebot aus den USA und weltweit etwas stärkere Nachfrage. Aus diesem Grund dürfte die EZB die Inflations-Erwartungen auch etwas hochschrauben - das erste Mal seit einem Jahr.

Keine weiteren Schritte erwartet

Angesichts dieser Hoffnungen kann die EZB auch leicht begründen, dass auf der Sitzung in Wien nicht viel passieren wird. Mit einer weiteren Öffnung der Geldschleusen wird nicht gerechnet, zumal die angekündigten außerordentlichen Maßnahmen noch gar nicht alle angelaufen sind - etwa das umstrittene Programm zum Kauf von Firmenanleihen. So ist es, wie so oft in Wiens schöner Hofburg: Es wird viel geredet, diniert und palavert - doch am Ende bewegt sich wenig.