Kolumne Euroschau Bis der Tresor in die Luft fliegt

Stand: 09.03.2016 17:54 Uhr

Die EZB wird mit großer Wahrscheinlichkeit heute den Negativ-Zins weiter verschärfen. Die Banken sind in Aufruhr: Denn dadurch wird es nicht nur teurer, das Geld dort zu parken. Auch die Panzerknacker könnten wieder hellhörig werden.

Von Klaus-Rainer Jackisch, HR

Die maskierten Räuber kamen am frühen Morgen und machten nicht viel Firlefanz: Sie ketteten den Geldautomaten an einen Traktor, traten aufs Gaspedal und rissen das Monstrum aus der Verankerung. Dann luden sie die Beute auf einen Kleintransporter und rasten davon. Hinter sich ließen sie eine verwüstete Filiale der Sparkasse Düren. Wie viel sie erbeuteten, ist noch unklar.

Der Coup ist kein Einzelfall. Im vergangenen Jahr schlugen gut organisierte Ganoven mit Brachialgewalt mehr als 130 Mal zu: Sie jagten Geldautomaten in die Luft, zertrümmerten Tresore und legten Filialen in Schutt und Asche, vor allem in Nordrhein-Westfalen und in Norddeutschland.

Die Branche ist in heller Aufregung, denn die rabiaten Attacken sind ziemlich teuer. Längst gibt es Arbeitskreise der Bankenverbände, dem Phänomen Herr zu werden. Die Geldautomaten-Hersteller sprühen vor neuen Ideen und wittern das große Geschäft.

Noch mehr Angst macht Draghi

Trotz dieser Entwicklung überlegen die Sparkassen ernsthaft, künftig deutlich mehr Bargeld im eigenen Haus zu bunkern. Der Grund ist ein Mann, der ihnen das Geld nicht mit Brachialgewalt, sondern eher nach Rififi-Methode stibitzt: EZB-Chef Mario Draghi.

Seit Banken für ihr bei der EZB geparktes Geld auch noch zahlen müssen (Negativ-Zins), ächzt und stöhnt die Branche. Schon jetzt kostet dieser Strafzins richtig Geld. Für eine Million Euro, die bei der EZB lagern, werden 3000 Euro fällig.

In einem internen Schreiben rechnete der bayerische Sparkassenverband kürzlich schon mal durch: Trotz Einbruch-Risiko und Versicherungsschutz könnte die Bargeld-Lagerung im eigenen Tresor billiger sein, als das Geld bei der EZB zu parken. Ende dieser Woche dürfte es sich noch mehr lohnen.

Noch mehr Negativ-Zins

Mit großer Wahrscheinlichkeit wird EZB-Chef Mario Draghi eine weitere Verschärfung des Negativ-Zinses im Zentralbankrat durchdrücken. Sein Ziel: Das Geld soll nicht einfach rumliegen, sondern in Umlauf kommen - etwa als Kredite für Verbraucher und Unternehmen. Damit soll Europas schleppende Wirtschaft angekurbelt werden.

Bislang ist diese Idee aber fast folgenlos verpufft: Zwar läuft die Kreditvergabe etwas besser als noch vor Monaten. Doch den großen Durchbruch gibt es nicht. Viele Banken zahlen lieber eine Strafe, die sie weitergeben. Der Phantasie sind kaum Grenzen gesetzt, wenn treue Kunden immer neue Gebühren aufgebrummt bekommen.

Damit nicht genug: Draghis EZB dürfte diese Woche auch ihre Anleihekäufe noch einmal aufstocken. Schon jetzt pumpt sie monatlich 60 Milliarden Euro ins System. Vielleicht senkt sie auch noch einmal die Qualitätsanforderungen der zu kaufenden Anleihen.

Europas Wachstum schwächelt

Der große Erfolg ist auch hier ausgeblieben. Europas Wachstum schwächelt. Die ständige Hilfe der EZB hat den Reform-Eifer in Spanien, Portugal und Italien ermüden lassen, von Griechenland zu schweigen. Gleichzeitig sinkt die Inflationsrate immer weiter auf derzeit minus 0,2 Prozent. Ursache ist der fallende Ölpreis.

Die EZB lockert ihre Geldpolitik immer weiter, um ein Phänomen zu bekämpfen, das sie nicht in beeinflussen kann. Mario Draghi argumentiert, dies sei notwendig. Der fallende Ölpreis führe auch zu Preissenkungen bei anderen Waren. Die Gefahr sei Deflation. Doch wohin man auch schaut: Eine Deflationsspirale ist in Europa nun wirklich nicht auszumachen.

Rechnet man den Ölpreis aus der Inflationsrate heraus, liegt die Preissteigerung bei 0,7 Prozent. Das ist zwar auch vom gesetzten Ziel von knapp zwei Prozent entfernt. Es zeigt aber: Die Preise steigen, wenn auch moderat.

Als Folge brechen die Börsen ein

Gleichzeitig führt die EZB-Politik zu immer stärkeren Blasen am Aktien- und Immobilienmarkt. Ihre Kurse schnellten in den vergangenen Jahren künstlich in die Höhe, da die EZB so viel Geld in die Märkte pumpte. Weil die Kurskapriolen auf Sand gebaut sind, wird es manchen Anlegern jetzt zu heiß. Die Börsen brechen ein.

Am Immobilienmarkt steht der Knall noch bevor: In deutschen Großstädten sind die Preise für Wohnungen und Häusern in den vergangenen fünf Jahren um 45 Prozent gestiegen. Auch in mittleren Lagen gibt es Aufschläge von bis zu 35 Prozent. Mit einer Blase am Immobilienmarkt und ungezügelter Verschuldung begann auch die Finanzkrise von 2007/2008 in den USA.

Die lockere Geldpolitik, insbesondere die quasi Null-Zins-Politik, bringt auch die Altersvorsorge Millionen argloser Arbeitnehmer in Gefahr. Wann Lebensversicherungen und Pensionskassen die ersten Zusammenbrüche melden, dürfte nur eine Frage der Zeit sein.

Draghi hat längst Carte blanche

Trotzdem setzt Mario Draghi seinen Weg unbeirrt fort. Politiker haben ihm längst Carte blanche gegeben. Sie sind froh, sich mit dem Euro nicht beschäftigen zu müssen - schließlich gibt es mit der Flüchtlingskrise über den Schengen-Kollaps bis zum "Brexit" schon genug andere Probleme.

Auch der schärfste Widersacher ist vorerst ausgeschaltet: Bundesbankpräsident Jens Weidmann darf im EZB-Rat dieses Mal nicht mitstimmen. Seit der Aufnahme Litauens in den Euroraum im Jahr 2015 gilt das Rotationsprinzip. Seitdem muss die Bundesbank bei jeder fünften Ratssitzung mit geldpolitischen Beschlüssen aussetzen.

So wird die EZB ihre Geldpolitik diese Woche erneut lockern und damit das Fundament für eine neue Krise legen. Bezahlen werden dies die Bürgerinnen und Bürger in Europa. Frohlocken können auch die rabiaten Panzer-Knacker: Sie haben allen Grund, ihr Lager an Sprengstoff kräftig aufzufüllen.