Kolumne Euroschau Die Rettung Europas sieht anders aus

Stand: 02.12.2015 15:00 Uhr

Er wirkt unscheinbar, doch er hat es in sich: EZB-Chef Draghi. Anfang des Jahres setzte er gegen Widerstand im EZB-Rat den umstrittenen Kauf von Staatsanleihen durch. Und er wird wohl auch weiter seine Politik durchboxen.

Von Klaus-Rainer Jackisch, HR

Er ist klein, etwas dicklich und hat einen Schnauzbart. Sein Gesicht lächelt den Betrachter freundlich an. Der italienische Klempner ist etwas unscheinbar. Doch der Mann im roten Dress mit dickem "M" auf der Brust ist nicht zu unterschätzen. Denn Super Mario setzt mit einem verbalen "Mamma Mia" oder "It's a me, Mario" immer wieder an, die Welt zu retten. Mit Erfolg!

Super Mario ist für Generationen von Playstation-Spieler der Inbegriff des Guten und des globalen Retters. Dies ganz zur Freude des Erfinders, eines japanischen Herstellers von Videospielen. Bei dem klingeln seit Jahrzehnten kräftig die Kassen.

Manchmal unscheinbar

Auch den Spekulanten an den europäischen Börsen flimmern derzeit die Euro-Scheine vor den Augen. Auch sie haben einen "Super Mario". Der ist zwar nicht dick und Klempner, aber auch Italiener, lächelt freundlich und wirkt manchmal unscheinbar. Auch er hat es in sich. Er will zwar nicht die Welt, aber doch schon Europa retten. Sein Name ist Mario Draghi und er ist Präsident der Europäischen Zentralbank.

EZB-Chef Mario Draghi

EZB-Chef Mario Draghi wird wohl die Geldschleusen weiter öffnen.

Anfang des Jahres öffnete er massiv die Geldschleusen. Gegen deutlichen Widerstand im EZB-Rat setzte er den umstrittenen Kauf von Staatsanleihen durch. Damit wurde der Euro weiter geschwächt, um die Konjunktur anzukurbeln. Das soll die Inflationsrate treiben.

Bislang ist das Projekt zwar kein Fehlschlag. Doch die Rettung Europas sieht anders aus. In einigen Eurostaaten zieht die Wirtschaft an, etwa in Spanien oder Irland. In Problemländern wie Frankreich und Italien sieht es hingegen düster aus.

Geldschleusen weiter öffnen

Die Inflationsrate liegt nur bei 0,1 Prozent. Rechnet man den Effekt des niedrigen Ölpreises heraus, liegt die sogenannte Kerninflation bei 1,1 Prozent. Beide Werte sind vom selbstgesteckten Ziel einer Inflationsrate nahe zwei Prozent weit entfernt. Deshalb will Mario Draghi die Geldschleusen nun noch weiter öffnen: Das Anleihe-Kaufprogramm wird vermutlich erweitert, die zeitliche Begrenzung gestrichen. Noch wirksamer soll eine andere Waffe sein: Der Zinssatz der Einlagen von Banken bei der EZB soll noch weiter ins Minus gedreht werden.

Schon jetzt müssen Banken einen Strafzins zahlen, wenn sie Geld bei der EZB parken. Denn die Währungshüter möchten, dass viel Geld von den Banken in Form von Krediten an Unternehmen und Verbraucher gezahlt werden. Die sollen es verpulvern und die Wirtschaft ankurbeln. Doch genau dieser Mechanismus funktioniert nicht. Deshalb sollen die Daumenschrauben angezogen und der Strafzins erhöht werden. Sorgen macht das vor allem Bürgerinnen und Bürger. Wegen der Geldpolitik der EZB bekommen sie schon jetzt kaum noch Zinsen aufs Sparbuch, wackelt ihre Lebensversicherung und steht ihre Pensionskasse am Rande des Abgrunds.

Mit Verschärfung des Strafzinses erhöhen sich die Kosten der Banken, die sie früher oder später an die Kunden weiterreichen dürften: in Form noch weniger Zinsen, im schlimmsten Fall in Form von Gebühren fürs Einzahlen aufs Sparbuch. Bislang halten sich die deutschen Banken wegen des scharfen Wettbewerbs noch zurück. Doch irgendwann könnten die Dämme brechen.

Fatale Entwicklung für den Immobilienmarkt

Fatal auch die Entwicklung der EZB-Geldpolitik für den Immobilienmarkt: In den vergangen Jahren hat sich in den deutschen Großstädten eine Immobilienblase entwickelt. Die Preise liegen selbst nach Einschätzung der Bundesbank rund 20 Prozent über den realen Werten. Auch in mittelgroßen Städten gehen mittlerweile die Preise drastisch hoch.

Auch der Höhenflug des Deutschen Aktienindex ist nur durch die EZB getrieben. Den Bezug zur tatsächlichen Wirtschaftslage bei den Unternehmen hat er längst verloren. Immer mehr Anleger werden von Banken und Anlageberatern in den Aktienmarkt getrieben und verdienen daran zunächst prächtig. Woanders gäbe es schließlich keine Rendite mehr, so ihre Argumentation. Und viele folgen wie die Lemminge. Damit ist der Crash schon programmiert.

Mittlerweile wird der Kanon der Kritiker der EZB immer lauter. Auch Ökonomen, die Super Mario in der Vergangenheit unterstützt haben, werden nachdenklich. Wenn die Blasen am Immobilien- und Aktienmarkt platzen, ist die Europa-Rettung im Eimer. Die Euro-Krise wäre wieder da.

Widerstand im EZB-Rat

Deshalb gibt es deutlichen Widerstand im EZB-Rat: Bundesbank und Notenbanken der baltischen Staaten und Sloweniens sind schon länger gegen die lockere Geld- Politik. Doch Super Mario weiß Widersacher stets geschickt auszuschalten: Weil er schon vor dem offiziellen Beschluss die Finanzmärkte mit großem Getöse auf seine Politik öffentlich einstimmt, können die Gegner im EZB-Rat gegen Mario Draghi nicht viel ausrichten. Wer möchte schon als Nestbeschmutzer dafür verantwortlich sein, dass die Finanzmärkte heftig reagieren, wenn "Super Mario" seine Versprechen nicht einlöst?

So wird der Mann wohl auch dieses Mal seine Politik durchboxen. Ob er damit die Eurozone wirklich zu stabilisieren vermag, darf bezweifelt werden. Mamma Mia!