Kolumne Euroschau Die Strategie der römischen Kaiser

Stand: 15.07.2015 15:34 Uhr

Trotz der Einigung mit den Geldgebern, Griechenland hängt weiter am Tropf. Die Banken werden künstlich am Leben gehalten von den ELA-Notkrediten der EZB. Das verdankt Athen vor allem dem EZB-Präsidenten Draghi.

Von Von Klaus-Rainer Jackisch, HR

Die Poster fielen sofort ins Auge: Sie hingen an verschlissenen Mauern, bunten Litfaßsäulen, sogar an der Wand einer Kirche im Zentrum von Neapel. Darauf ein milde lächelnder Mario Draghi, geschmückt mit einem Lorbeerkranz – ganz in der Pose römischer Kaiser, die sich so gern porträtiert sahen. Die Plakate stammten von Draghi-Kritikern, die im vergangenen Herbst den Einzug des EZB-Präsidenten in den Palazzo del Quirinale in Rom fürchteten, dem Amtssitz des italienischen Präsidenten. Denn Draghi stand hoch im Kurs für dieses Amt.

Kaiser Mario von Gottes Gnaden

Ganz unpassend ist das Bild wahrlich nicht. Denn als Kaiser Mario von Gottes Gnaden dürfte sich Draghi auch in seiner jetzigen Position fühlen. Liegt es doch letztendlich an ihm, ob Griechenland aus dem Euro katapultiert wird oder nicht. Auch wenn in Brüssel, Athen, Berlin und Paris hektisch verhandelt wurde. Die eigentliche Schlüsselrolle in der griechischen Tragödie hatte und hat die Europäische Zentralbank in Frankfurt am Main.

Nur weil es Draghi erneut gelang, im EZB-Rat den Ton vorzugeben, ist Griechenland heute noch Euro-Mitglied. Denn durch die ELA-Notkredite werden die eigentlich bankrotten Banken Hellas über Wasser gehalten. Das rettet nebenbei auch das ganze Land vor der Staatspleite.

Draghi hat alle Einwände abgewehrt

Dabei gibt es im EZB-Rat durchaus heftigen Widerstand gegen diese Notkredite. Sie umfassen rund 89 Milliarden Euro. Deutschland haftet im schlimmsten Fall mit knapp einem Drittel. Nicht nur Bundesbank-Präsident Jens Weidmann läuft bereits seit dem Frühjahr Sturm dagegen. Auch bei Finnen, Niederländern und vor allem bei den Balten gibt es heftigen Protest.

Die Kritiker sehen die beiden Grundbedingungen für Notkredite schon lange nicht mehr gegeben. Erstens dürfen sie nur vorübergehend gewährt werden. Im Fall von Griechenland sind sie mittlerweile aber Dauerzustand. Zweitens dürfen die Kredite nur gezahlt werden, wenn die betroffenen Banken generell zahlungsfähig sind. Weit gefehlt in Griechenland: Die Banken sind bankrott. Draghi hat alle Einwände erfolgreich abgewehrt. Die Zwei-Drittel-Mehrheit ist ihm immer noch sicher.

Augen zu und durch

In der EZB haben viele leitende Mitarbeiter Magenschmerzen, die Kredite zu gewähren. Die seit vergangenem Herbst ebenfalls bei der EZB angesiedelte Bankenaufsicht drückt ohnehin alle Augen zu. Die vollmundigen Ankündigungen ihrer Chefin Danièle Nouy, man werde ohne Skrupel marode Banken sofort schließen, sind Schall und Rauch. Von Frau Nouy ist weit und breit nichts zu sehen und zu hören.

Noch nie wurde der immer wieder bestrittene Interessenkonflikt zwischen dem geldpolitischen Arm und der Bankenaufsicht der EZB deutlicher als im Griechenland-Drama. Der eine Arm verteilt fröhlich Notkredite. Der andere ist unbeweglich in einen Pressverband gezwungen. Allein dieser Umstand zeigt, was für ein schwerer Fehler es war, die Bankenaufsicht in die Hände der EZB zu geben und nicht in einer unabhängigen Institution anzusiedeln.

Es bleibt ein fader Beigeschmack

Allerdings kann man auch ein gewisses Verständnis für Draghis Rolle aufbringen. War es doch gerade er, der alles Mögliche unternommen hat, um den Euro zu retten und den Euroraum zu stabilisieren. Hätte Draghi Hand an Griechenland angelegt, hätte er gleichzeitig auch sein Lebenswerk zerbröselt. Eine ganz besondere Tragik, die für griechische Dramen und italienische Opern taugen mag – für den Italiener im Frankfurter Eurotower aber keinen Charme hat.

Es bleibt ein fader Beigeschmack: Wieder einmal wurden Regeln ohne Wimpernzucken missachtet und gebrochen. Wieder einmal zeigt sich, dass die EZB eine Machtfülle hat, die demokratisch nicht legitimierbar ist. Wieder einmal wird aber auch deutlich, dass die EZB keineswegs so unabhängig ist, wie sie das selbst gerne darstellt. Denn am Ende richtet Draghi seine Geldpolitik auch immer nach der EU-Politik aus.

In Italien ist Korruption Gang und Gäbe

Dabei dürfte der EZB-Präsident auch seine eigene Zukunft im Blick haben, womit wir wieder in Italien wären. Denn seine Ambitionen auf ein politisches Amt in seinem Heimatland sind weiterhin groß. Auch in Italien ist Steuerhinterziehung Volkssport, Korruption Gang und Gäbe. Und auch dort stehen die maroden Banken mit dem Rücken zur Wand. Auch in Rom werden Reformen groß angekündigt und schlapp umgesetzt. Die Verschuldung ist eine der höchsten im Euroraum. Gut möglich also, dass Italien schon bald der nächste Krisenkandidat ist. Da macht es sich gut, bei reformunwilligen Ländern wie Griechenland Milde walten zu lassen. Teile und herrsche, doch schmiede auch Bündnisse. Nach dieser Strategie operierten auch schon Roms alte Kaiser.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 15. Juli 2015 um 16:00 Uhr.