Kolumne Euroschau Warum die Zyprer die EZB verachten

Stand: 04.03.2015 20:43 Uhr

Zweimal im Jahr trifft sich der EZB-Rat außerhalb Frankfurts - diesmal ist die Mittelmeerinsel Zypern das Ziel. Klaus-Rainer Jackisch nimmt dies zum Anlass, auf die umstrittene Einteignung vieler zyprischer Sparer vor zwei Jahren zurückzublicken.

Von Klaus-Rainer Jackisch, HR

Seit dem Altertum ist die Insel Zypern ein Urlaubsparadies: Verwöhnt von Sonne und Meer herrscht hier der ewige Frühling. Selbst die Götter waren schon Gast. Aphrodite, die Göttin der Liebe, ließ sich im Westen an den Strand spülen und entstieg mit großem Tamtam einer Muschel.

Geholfen hat das den Zyprern freilich wenig. Vor zwei Jahren erlebten die rund 800.000 Einwohner der 1960 gegründeten Insel-Republik die schwerste Wirtschaftskrise ihrer jungen Geschichte. Der völlig aufgeblähte Bankensektor, gespeist mit Geld teils zweifelhafter Herkunft, brach zusammen. Das Land stand vor dem Kollaps und vor dem Austritt aus dem Euro. EU, EZB und IWF statuierten ein Exempel. Zwar gab es Hilfskredite für das östlichste Euro-Mitglied. Doch die Sparer mussten bluten: Einlagen bei Banken über 100.000 Euro wurden teilweise enteignet. Das gab es im Euroraum noch nie.

Die EZB spielte ein fragwürdiges Spiel ...

Die Verbitterung darüber ist auch heute noch groß. Viele Menschen verloren einen Großteil ihrer Ersparnisse. Auf die EZB, die diese Woche ihre Ratssitzung in der Hauptstadt Nikosia abhält, sind viele Zyper nicht gut zu sprechen. Das hat auch andere Gründe. Immer mehr Einzelheiten kommen zu Tage, welch fragwürdiges Spiel die EZB mit Zypern auf dem Höhepunkt der Krise spielte. Deshalb zogen einige Zyprer vor den Europäischen Gerichtshof.

Der Vorwurf gegen die EZB und das damalige deutsche Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen wiegen schwer: Sie hätten die Krise verschärft. Die EZB habe zusammen mit der Eurogruppe verlangt, dass Zyperns Großbanken ihr Griechenland-Geschäft aufgeben. Erst dadurch seien sie richtig ins Schlingern geraten. Nur deshalb hätten die Sparer dran glauben müssen.

Tatsächlich war die Lage komplex. Wegen der engen Verbindung zyprischer mit griechischen Banken wollten die Währungshüter Griechenland vor dem Zypern-Schock abschotten. Daher gab es Geld für Nikosia nur unter einer Bedingung: Die zyprischen Banken mussten ihr umfangreiches Griechenland-Geschäft zum Schleuderpreis an die griechische Piraeus-Bank verkaufen.

... was aber nichts mir einer Verschwörung zu tun hatte

Andererseits kann nicht ernsthaft eine Verschwörung des internationalen Kapitals gegen Banken Zyperns behauptet werden. Sitzungsprotokolle des EZB-Rates zeigen: Auch für das Gegenteil spricht einiges. Die sind eigentlich streng geheim, wurden aber gezielt an die "New York Times" lanciert. Demnach hatte die EZB die schwer angeschlagene Laiki-Bank schon vor der Krise monatelang mit Notkrediten gestützt. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann lief in dieser Frage im EZB-Rat Sturm. Doch die Mehrheit des EZB-Rates winkte die Maßnahme durch. Fraglich ist, ob das in Ordnung war. Denn die EZB darf nur Banken stützen, die Chance auf Rettung haben. Nicht aber solche, die ohnehin verloren ist  

Die Zyprer sind jedenfalls verbittert und schätzen die Damen und Herren von EZB & Co gering.  Während die Insulaner tief in die Tasche greifen mussten, würden die Griechen auf Wattebäuschchen getragen, heißt es.

Zypern und Griechenland sind also die großen Sorgenkinder des Euroraums, die sich gegenseitig argwöhnisch betrachten. Für den EZB-Rat wird der Trip nach Nikosia somit auch eine Reise in das Zentrum des Euro-Sumpfes. Niemand weiß, was der noch hervorbringt. Nicht einmal die Aphrodite. Doch die hat ja eh anderes im Sinn.