Finanzministertreffen in Luxemburg Euro-Rettungsschirm in Zweckgesellschaft besiegelt

Stand: 08.06.2010 13:03 Uhr

Mit ihrer Unterschrift haben die Euro-Finanzminister in Luxemburg die Zweckgesellschaft gegründet, die im Notfall den Rettungsschirm über wankende Euro-Staaten öffnen soll. Außerdem verständigten sich die Finanzminister auf die Grundzüge einer Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts.

Der Rettungsschirm von 750 Milliarden Euro zur Absicherung kriselnder Euro-Staaten steht endgültig. Die Euro-Finanzminister gründeten in Luxemburg mit ihrer Unterschrift eine Zweckgesellschaft, die Wackelkandidaten unter den Euro-Ländern notfalls mit Krediten versorgt.

Der beispiellose Rettungsschirm war von der EU Anfang Mai unter dramatischen Umständen vereinbart worden. Seitdem verhandelten Experten wochenlang über Einzelheiten. Mit dem System soll die Stabilität des Euro abgesichert werden. 500 Milliarden Euro entfallen auf die Europäer, die restlichen 250 Milliarden Euro auf den Internationalen Währungsfonds (IWF).

Der Rettungsschirm - eine Gesellschaft nach luxemburgischen Recht

Zentraler Baustein des europäischen Rettungsschirms ist die neue Aktiengesellschaft nach luxemburgischen Recht. Diese kann im Namen aller Euro-Länder bis zu 440 Milliarden Euro leihen und an finanzschwache Länder weitergeben. Die Anleihen sollen ein "optimales Rating" erhalten, um die Kosten zu begrenzen. Die Euro-Länder müssen bei der Finanzgesellschaft das Geld nicht auf den Tisch legen. Sie treten vielmehr als Garanten für das zu leihende Geld auf.

Schirm ist wasserdicht

"Es gibt nun keine Unsicherheit mehr, dass dem Versprechen über 440 Milliarden Euro nachgekommen werden kann", sagte EU-Währungskommissar Olli Rehn. Bevor die Finanzgesellschaft tätig wird, sollen bis zu 60 Milliarden Euro an Krediten von der EU-Kommission kommen - so wie sie bisher schwächelnden Nicht-Euro-Länder wie Ungarn, Lettland und Rumänien als Zahlungsbilanzhilfen gewährt wurden. In Deutschland sind die anteiligen Kreditgarantien von bis zu 148 Milliarden Euro bereits von Bundestag und Bundesrat gebilligt worden.

EU-Stabilitätspakt soll verschärft werden

Die EU-Finanzminister verständigten sich auch auf eine härtere Gangart gegen Defizitsünder. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy sagte nach einem Treffen der hochrangigen Finanz-Arbeitsgruppe in Luxemburg, die Minister hätten sich auf einen Katalog neuer Sanktionen geeinigt, um den Stabilitäts- und Wachstumspakt zu stärken. Nach seinen Angaben Angaben sollen künftig nicht erst dann Strafen verhängt werden, wenn ein Land gegen die Defizit-Höchstgrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) verstößt. Wenn die Gesamt-Verschuldung eines Landes über 60 Prozent steigt, könnten seinen Worten zufolge ebenfalls Sanktionen beschlossen werden.

Zudem soll die Haushaltskontrolle verschärft werden. Dazu erhält das europäische Statistikamt Eurostat echte Buchprüfungs-Vollmachten: Die Behörde soll künftig auf alle Haushaltsdaten von der Bundes- bis zur Gemeindeebene zugreifen. Im begründeten Verdachtsfall können die Luxemburger Kontrolleure auch Inspektionen in den Mitgliedstaaten durchführen. Vor sechs Jahren war ein ähnlicher Vorstoß der EU-Kommission unter anderem am Widerstand Deutschlands gescheitert. Auch die EU-Kommission soll künftig über verstärkte Kontrollrechte verfügen. Die EU-Staaten müssen demnach in jedem Frühjahr ihre Haushaltspläne in Brüssel vorlegen.

Schäuble sieht "sehr viel Dynamik"

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zeigte sich sehr zufrieden mit den Ergebnissen der Arbeitsgruppe. Es gebe derzeit "sehr viel Dynamik" für Reformen, sagte Schäuble. Die deutsche Forderung nach einer Änderung der EU-Verträge ist nach Van Rompuys Angaben allerdings vorerst vom Tisch. "Wir konzentrieren uns auf das, was wir kurzfristig und im Rahmen der geltenden Verträge tun können", sagte der Belgier.

Euro mit plötzlichen Abstürzen

Sorgen macht im gemeinsamen Währungsgebiet mit 330 Millionen Menschen der jähe Kursverfall des Euro. Der Chef der Eurogruppe, Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker, sagte: "Ich bin nicht besorgt über den aktuellen Wechselkurs. Ich bin aber besorgt über die Plötzlichkeit, mit der der Euro fällt." Am Montag rutschte die Gemeinschaftswährung zeitweilig unter die Marke von 1,19 US-Dollar und damit auf ein neues Vier-Jahres-Tief. Befürchtungen über einen drohenden Staatsbankrott im Nicht-Euro- Land Ungarn wurden bei der Konferenz zurückgewiesen. "Ich glaube nicht, dass aus Ungarn eine neue Gefahr ausgehen kann", sagte der österreichische Ressortchef und Vizekanzler Josef Pröll.