EU-Bericht zur Wirtschaftslage Krise ohne Beispiel

Stand: 12.02.2009 19:24 Uhr

Ob Autokonzerne, Stahlproduktion oder Chemieindustrie: Die Rezession schlägt massiv auf die Industrie durch. In einem dramatischen Bericht beschreibt die EU-Kommission eine Wirtschaftskrise neuer Dimension. Ausmaß und Tempo seien völlig neu.

Von Peter Heilbrunner, ARD-Hörfunkstudio Brüssel

Diese Wirtschaftskrise übertrifft alles bisher dagewesene - so das Fazit eines dramatischen Lageberichts von EU-Industriekommissar Günter Verheugen. Ausmaß und Geschwindigkeit der Krise seien völlig neu, heißt es in einem Papier, das Verheugen in der wöchentlichen Kabinettssitzung der EU-Kommission vorgestellt hat und das der ARD vorliegt.

Besonders hart hat die wirtschaftliche Vollbremsung die Autobranche getroffen. In der europäischen Schlüsselbranche ist die Nachfrage bei einzelnen Herstellern um die Hälfte zurückgegangen. Und Lastwagen werden in der Rezession gar nicht mehr geordert, schreibt Verheugen. Noch im Januar 2008 seien demnach 38.000 LKW bestellt worden, im November seien es gerade noch 600 gewesen. Die Nachfrage ist quasi auf Null zurückgegangen, sagte Verheugen vor wenigen Tagen.

50 Prozent Minus in der Stahlbranche

Dem jüngsten Bericht zufolge sieht es in allen europäischen Wirtschaftszweigen ähnlich trostlos aus. Minus 50 Prozent in der Stahlbranche, die Chemieindustrie hat die Herstellung von einzelnen Produkten um zwei Drittel zurückgefahren. Diese drastischen Anpassungen haben Folgen für den Arbeitsmarkt: Im vierten Quartal des Vorjahres wurden europaweit 130.000 Jobs gestrichen. Nur wenige Monate zuvor sah das noch anders aus: Da wurden in der EU noch neue Stellen geschaffen.

Keine falschen Erwartungen wecken

Die Kommission will im Kampf gegen Rezession und Jobabbau nicht untätig bleiben. Das machte Verheugen in dem Bericht noch einmal deutlich. Gleichzeitig warnte der Vertreter Deutschlands in der Kommission davor, dabei die ordnungspolitischen Prinzipien über Bord zu werfen. Auch dürfe die Politik nicht Erwartungen wecken, die sie am Ende nicht erfüllen könne, erklärte der SPD-Politiker.

Verheugen zeigte sich dennoch davon überzeugt, dass die EU gestärkt aus der Wirtschaftskrise hervorgehen werde - auch wenn er davon ausgeht, dass nicht alle Automobilstandorte den Abschwung überleben werden. Ökonomischer Nationalismus sei darauf jedoch die falsche Antwort, so Verheugen.

Barroso warnt vor Protektionismus

Eine Sicht, die sich auch der Präsident der EU-Kommission, José Manuel Barroso zu eigen gemacht hat. "Prinzipiell haben wir nichts dagegen, wenn die Mitgliedsstaaten ihre Industrie unterstützen", betonte Barroso. Aber das müsse in voller Übereinstimmung mit den Regeln und Vorschriften der Europäischen Union geschehen. Eine Spitze an die Adresse Frankreichs. Präsident Nicolas Sarkozy hatte sich mit den Kreditauflagen für die heimischen Autobauer in Europa unbeliebt gemacht.

Ihr weiteres Vorgehen in der Krise wollen die Staats- und Regierungschef der 27 EU-Länder am 1. März bei einem Sondergipfel in Brüssel abstimmen. Dabei soll es auch um die Frage gehen, wie dem fortschreitenden Protektionismus in Europa ein Riegel vorgeschoben werden kann.