Gipfel zur Schuldenkrise EU einigt sich auf neuen Vertrag - ohne London

Stand: 09.12.2011 06:53 Uhr

Der EU-Gipfel hat sich auf einen neuen Fiskalpakt mit Schuldenbremsen und automatischen Strafen für Defizitsünder geeinigt. Soweit haben sich Deutschland und Frankreich durchgesetzt. Aber nicht alle 27 Staaten sind, wie von ihnen gewünscht, zu Vertragsänderungen bereit: Mindestens Großbritannien macht nicht mit.

Der EU-Gipfel hat sich grundsätzlich auf einen neuen Haushaltspakt für die Euroländer geeinigt. Bundeskanzlerin Angela Merkel und EZB-Präsident Mario Draghi begrüßten dies als wichtigen Schritt zur Stabilisierung der Euro-Zone.

Deutschland und Frankreich erreichten aber nicht, dass dafür die EU-Verträge mit Zustimmung aller 27 EU-Länder geändert werden - das scheiterte, weil die Forderungen des britischen Premierministers David Cameron nach Sonderkonzessionen nicht erfüllt wurden. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy bezeichnete diese als nicht akzeptabel. Über das Thema wird nun im Kreis der 17 Euroländer sowie mit sechs weiteren EU-Ländern diskutiert.

"Wir hätten eine Vertragsänderung zu 27 bevorzugt, aber das war nicht möglich", sagte Sarkozy. Auch Ungarn lehne dies aber ab. Schweden und Tschechien müssten ihre Parlamente konsultieren. Merkel sprach von einem "sehr, sehr wichtigen Ergebnis, weil wir aus der Vergangenheit und aus den Fehlern lernen." Die 17 Staaten der Eurogruppe müssten Glaubwürdigkeit zurückgewinnen. "Und ich glaube, mit den heutigen Beschlüssen kann und wird das gelingen."

Schuldenbremse und automatische Defizitstrafen

Zu dem Fiskalpakt gehören eine gesetzlich verankerte Schuldenbremse in den Mitgliedstaaten und automatische Strafen für Defizitsünder, deren Neuverschuldung drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts übersteigt.

Die Schuldenbremse war eine besondere Forderung der Regierungen in Berlin und Paris für den Gipfel gewesen. Nach einem Entwurf der Abschlusserklärung des EU-Gipfels sieht der Haushaltspakt vor, dass jeder Eurozonen-Staat in der Verfassung oder in einem gleichwertigen Gesetz festschreibt, dass der nationale Haushalt "im Prinzip ausgeglichen sein soll". Die EU-Kommission soll die Grundsätze der Schuldenbremse festlegen, der Europäische Gerichtshof soll deren Umsetzung in nationales Recht überprüfen.

Die Eröffnung eines Defizitverfahrens soll demnach künftig nur noch mit einer qualifizierten Mehrheit der Mitgliedstaaten gestoppt werden können. Bisher galt die umgekehrte Mehrheitsregel nur beim Verhängen von Sanktionen.

Martin Bohne, M. Bohne, MDR Brüssel, 09.12.2011 09:56 Uhr

Nur noch 0,5 Prozent Defizit

Die Euro-Staaten wollen sich laut Textentwurf zudem verpflichten, ihr strukturelles Defizit auf maximal 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung zu begrenzen. Beim Strukturdefizit werden konjunkturelle und Sondereffekte ausgeklammert. Dieser Wert ist nicht zu verwechseln mit der Defizitobergrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Zur Gipfel-Einigung gehört auch, dass der dauerhafte Rettungsschirm ESM um ein Jahr auf Mitte 2012 vorgezogen werden soll. Zudem soll der IWF mit bilateralen Krediten um bis zu 200 Milliarden Euro aufgestockt werden, um sich stärker an der Rettung von Euro-Krisenstaaten zu beteiligen, wie EU-Ratschef Herman Van Rompuy erklärte.

Ein Europa der zwei Geschwindigkeiten

Das Scheitern der gemeinsamen Lösung ist ein schwerer Rückschlag für die gesamte EU, die sich nun wohl in zwei Geschwindigkeiten bewegen wird: Die Euro-Staaten und die sechs Länder, die dazugehören wollen, werden ihre Wirtschaften enger verzahnen. Die übrigen Länder bleiben außen vor. Merkel und Sarkozy hatten eine Änderung der EU-Verträge gefordert, um die Haushaltsdisziplin in der Eurozone zu stärken. Um möglichst großes Vertrauen in das Krisenmanagement der Europäer zu schaffen, hatten sie die Zustimmung aller 27 EU-Länder gefordert.

Doch der innenpolitisch unter dem Druck der Eurokritiker in der eigenen konservativen Partei stehende Cameron hatte im Vorfeld des Treffens klargemacht, dass ein Ja aus London nur schwer zu erreichen sei. Er forderte Sonderrechte für die Regulierung des britischen Finanzmarkts.

Falls die 17 Eurostaaten allein vorgehen, müssen sie einen neuen Vertrag schaffen. Das könnte laut Experten zu zahlreichen rechtlichen Problemen führen, denn die Bestimmungen dürfen Regeln der EU-Verträge nicht widersprechen.