EU-Gipfel zur Schuldenkrise 120 Milliarden Euro für mehr Wachstum

Stand: 28.06.2012 23:18 Uhr

Die EU-Staaten wollen die Konjunktur mit einem Wachstumspakt stärken. Sie einigten sich am ersten Tag des EU-Gipfels darauf, dass 120 Milliarden Euro in die Förderung der Wirtschaft und die Schaffung von Arbeitsplätzen fließen sollen. Kaum Fortschritte gab es bislang bei den strittigen Maßnahmen gegen die Schuldenkrise.

Auf dem EU-Gipfel in Brüssel haben sich die Staats- und Regierungschefs auf einen Pakt für Stabilität und Wachstum verständigt. Er soll am Freitag formal beschlossen werden, nachdem auch die Maßnahmen für eine Stabilisierung der Eurozone besprochen worden sind. Diplomaten zufolge halten vor allem Spanien und Italien ihre endgültige Zustimmung noch zurück, um ihren Forderungen nach mehr Unterstützung in der Schuldenkrise Nachdruck zu verleihen.

Die EU-Kommission und EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy verkündeten am ersten Abend des zweitägigen Gipfels die erwartete Grundsatzeinigung. Das Geld solle in "unmittelbare Wachstumsmaßnahmen" investiert werden, erklärte Van Rompuy.

Ziel ist die Schaffung von Arbeitsplätzen

Der Wachstumspakt soll den Fiskalpakt ergänzen, der die Staaten mit einer Schuldenbremse zur Sanierung ihrer Haushalte zwingen soll. Er sieht Ausgaben von 120 Milliarden Euro vor. Mit dem Geld sollen die europäische Konjunktur angekurbelt und neue Arbeitsplätze geschaffen werden.

Das Vorhaben geht auf eine gemeinsame Initiative von Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien zurück. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte zum Auftakt des EU-Gipfels nochmals für den Pakt geworben. "Es ist klar, dass wir auf der einen Seite solide Haushalte brauchen, als zweite Seite der Medaille aber auch mehr Arbeitsplätze schaffen wollen", sagte die Kanzlerin.

Zehn Milliarden Euro mehr für die Europäische Investitionsbank

Zu den Elementen des Wachstumspakts zählt eine Aufstockung des Kapitals der Europäischen Investitionsbank (EIB) um zehn Milliarden Euro. Das soll dazu führen, dass die EIB in den kommenden drei Jahren zusätzliche Kredite in Höhe von 60 Milliarden Euro vergeben kann. Etwa 55 Milliarden Euro sollen aus bislang ungenutzten EU-Töpfen kommen und gezielt investiert werden, um Wachstum und Beschäftigung zu fördern. Weitere fünf Milliarden Euro sind bereits für sogenannte Projektbonds verplant, mit denen Privatinvestoren für die Finanzierung von Infrastrukturprojekten angelockt werden sollen.

Keine Annäherung bei Streitthemen in Sicht

Während mit einer Einigung auf den Wachstumspakt gerechnet wurde, zeichnet sich bei den Streitthemen des Gipfels bislang keine Einigung ab. Im Mittelpunkt steht dabei die Forderung Italiens und Spaniens nach mehr Unterstützung bei der Aufnahme neuer Kredite. Beide Staaten kämpfen mit dem Problem, dass die Käufer ihrer Staatsanleihen hohe Zinsen verlangen. Damit wird es für beide Länder sehr teuer, sich frisches Geld zu leihen. Nach Angabe von Diplomaten pocht Italiens Ministerpräsident Mario Monti darauf, dass die Europäische Zentralbank Staatsanleihen von Euro-Ländern kauft, wenn eine gewisse Zinsschwelle erreicht ist. Die Rettungsschirme EFSF und ESM sollten diese Käufe garantieren. Auf diese Weise könnten die Zinsen der Staatsanleihen sinken.

Deutschland dringt weiter darauf, dass die bestehenden Instrumente genutzt werden sollen. Die Gipfelteilnehmer beraten offenbar über die Möglichkeit, den Weg für den Kauf neu ausgegebener Staatsanleihen durch den EFSF freizumachen. Das ist unter den bisherigen Vorgaben bereits möglich - der Streit kreist aber um die Frage, ob Regierungen den Einsatz des EFSF beantragen müssen und im Gegenzug Auflagen erfüllen müssen.

Italien hofft auf Hilfe ohne Auflagen

Italien hofft, sich mit schnellen Maßnahmen Luft verschaffen zu können, ohne wie Griechenland, Irland oder Portugal ein klassisches Hilfsprogramm aus den Rettungsfonds beantragen zu müssen. Bundeskanzlerin Angela Merkel ist aber strikt gegen solche Schritte, gegen neue Instrumente und gegen eine Vergemeinschaftung der Schulden in Form der ebenfalls diskutierten Eurobonds.

Für diese Linie erhielt Merkel Rückendeckung aus den Niederlanden. "Der einzige Weg für Italien und Spanien ist es, die Zähne gegen den Schmerz zusammenzubeißen und die Reformen endlich durchzuziehen", sagte Ministerpräsident Mark Rutte. Er sehe "überhaupt keinen Grund, um über neue Instrumente nachzudenken". Wer es aus eigener Kraft nicht schaffe, für den stehe schließlich der Rettungsschirm mit seinen Werkzeugen bereit.

Doch auch Monti und Rajoy erhielten viel Unterstützung: Neben einer mittelfristigen Vision und Wachstumsimpulsen solle sich der Gipfel auf "Sofortmaßnahmen für die Länder, die sich angestrengt haben und trotzdem zu hohe Zinsen zahlen" verständigen, sagte Frankreichs Staatschef François Hollande. Der Rat müsse präzisieren, wie der ESM "effizient und schnell" eingesetzt werden könne. Noch weiter ging Österreichs Kanzler Werner Faymann. Er forderte die Schaffung eines europäischen Schuldentilgungsfonds und eine Bankenlizenz für den ESM. Es müssten ausreichend Mittel zur Verfügung gestellt werden, "um die Bevölkerung davor zu schützen, dass die Eurozone auseinanderbricht".