EU-Gipfel berät Euro-Stabilisierung Der Kampf um die Wirtschaftsregierung

Stand: 04.02.2011 05:07 Uhr

Die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Länder sind zu einem Gipfeltreffen in Brüssel zusammengekommen, um über die Euro-Stabilisierung zu sprechen. Nach den Euro-Turbulenzen im vergangenen Jahr sollen die 17 Euro-Länder mit der Einheitswährung eine Wirtschaftsregierung erhalten. Doch im EU-Parlament regt sich Widerstand.

Weitere Themen des Gipfels sind die Ägypten-Krise sowie eine sicherere Energieversorgung und die Investitionen dafür.

Von Wolfgang Landmesser, WDR-Hörfunkstudio Brüssel

Eine europäische Wirtschaftsregierung, das war bisher eine ziemlich vage Geschichte. Aber langsam wird klar, wie sich die Kanzlerin das so vorstellt: "Wir müssen ein Stück von dem nachholen, was wir bei der Einführung nicht ausreichend gemacht haben, nämlich politische Zusammenarbeit, politische Koordinierung", sagte Angela Merkel vergangene Woche auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos.

Merkel verlangt Anhebung des Rentenalters

Zusammen mit den anderen Regierungschefs der Eurozone will sie die Route vorgeben, um einzelne Länder wettbewerbsfähiger zu machen: "Ich sage ein Beispiel: Sie können nicht eine gemeinsame Währung haben und völlig auseinanderklaffende soziale Sicherungssysteme. Man sollte in einer Währungsregion erwarten, dass Pensionsalter und demographische Situation was miteinander zu tun haben."

Sprich: Das Rentenalter in anderen Euroländern muss rauf. Modell könnte die deutsche Rente mit 67 sein. Auch die in der deutschen Verfassung verankerte Schuldenbremse wird in Regierungskreisen als Vorbild für andere genannt. Und mit an die Inflation gekoppelten Löhnen wie in Portugal oder Belgien müsse Schluss sein.

Deutschland ein Vorbild - oder nicht?

Ist Deutschland also eine Blaupause für schwächere Kandidaten in der Eurozone? So nun auch wieder nicht. Auch Deutschland sei nicht auf allen Gebieten Spitze, ist aus dem Kanzleramt zu hören. Kritik an den deutschen Leistungsbilanz-Überschüssen will Berlin dagegen nicht gelten lassen. Mit seinen starken Exporten sei Deutschland die Lokomotive in der Eurozone, und in den letzten Monaten sei auch die Binnennachfrage wieder angesprungen.

Alleingänge machen unbeliebt

Den französischen Präsidenten hat die Kanzlerin im Prinzip auf ihrer Seite. Gemeinsam mit Nicolas Sarkozy will sie ihr Projekt heute Mittag vorstellen. Nicht nur im Kreis der Euro-Partner könnte dann Murren zu hören sein. Auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso ist nicht begeistert von einem Alleingang der Staats- und Regierungschefs bei der wirtschaftlichen Steuerung: "Ich hoffe, dass es einen Fortschritt geben und die wirtschaftliche Koordinierung gestärkt wird: eine richtige Wirtschaftsregierung für die Eurozone und die EU insgesamt - selbstverständlich mit einem europäischen Ansatz und mit Respekt vor der Gemeinschaftsmethode."

Das heißt: Barrosos Behörde und das EU-Parlament müssten auch eingebunden sein. Doch die EU-Kommission hat nach Merkels Konzept ausschließlich dienende Funktion. Sie soll die wirtschaftlichen Fortschritte der Mitgliedsstaaten analysieren und Berichte liefern.

Eine breite Allianz gegen die Wirtschaftsregierung

Das letzte Wort hätten die Chefs. Auch das EU-Parlament spielt bei der Wirtschaftsregierung à la Merkel keine Rolle. Und das ärgerte diese Woche gleich drei Abgeordnete aus Österreich. Ein Konservativer, ein Sozialdemokrat und eine Grüne machten gemeinsam Front - eine seltene Allianz.

Parlamentarier fühlen sich übergangen

Die Wirtschaftsregierung an sich sei eine gute Idee, meint Ulrike Lunacek, außenpolitische Sprecherin der Grünen/EFA-Fraktion im Europaparlament, - aber nicht so: "Das ist etwas als Parlamentarierin, wo ich sage: Hier braucht es die Öffentlichkeit der Parlamente und vor allem die Kommission. Der Rat alleine wird daran scheitern, das funktioniert so nicht mehr nach dem Lissabonvertrag."

Seit Inkrafttreten des Lissabonvertrages spielt das EU-Parlament eine deutlich wichtigere Rolle. Wenn die Regierungschefs ihr wirtschaftspolitisches Süppchen kochten, sei das zutiefst undemokratisch, sagt der konservative Abgeordnete Othmar Karas: "Ich möchte keine Parallelregierung haben, keine intransparente Einstimmigkeit und Erpressbarkeit haben, sondern ich möchte mehr Europa haben und dafür treten wir ein."

Die Möglichkeiten der EU sind begrenzt

Doch die Vision der Europa-Abgeordneten ist schwer zu realisieren. Um wirtschaftspolitische Entscheidungen wirklich auf europäische Ebene zu verlagern, müssten die Verträge geändert werden: Haushalts-, Steuer- und Finanzpolitik sind Domänen der Mitgliedsstaaten, in die Brüssel nur begrenzt hinein regieren darf.

Das zu ändern, sei praktisch gar nicht möglich, heißt es aus deutschen Regierungskreisen. Zu groß sei der Widerstand, nationale Kompetenzen abzugeben. Schon daran, den jetzt gültigen Lissabonvertrag durchzubringen, wäre die EU fast gescheitert. Und deswegen müssten jetzt die Staatschefs ran, um alle Länder wirklich fit zu machen für den Euro.