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FAQ

EU-Urheberrechtsreform Was regelt der strittige Artikel 13?

Stand: 21.03.2019 12:36 Uhr

Mit der Urheberrechtsreform will die EU die Ansprüche des Urheberrechts an die heutige Zeit anpassen. Heftig umstritten ist Artikel 13 der neuen Richtlinie. Was regelt er und welche Folgen hat er?

Was regelt Artikel 13?

Nach dem reinen Wortlaut verpflichtet die Vorschrift zunächst einmal Plattformen dazu, nicht mehr unerlaubt urheberrechtlich geschützte Werke zugänglich zu machen. Sie sollen sich die Genehmigung bei Urhebern besorgen, etwa durch Lizenzverträge. Wenn eine Plattform das nicht macht, soll sie für künftige Urheberrechtsverletzungen haften. Jedenfalls dann, wenn sie sich gemäß Art. 13 Absatz 4 nicht ausreichend um eine Genehmigung bemüht hat.

Außerdem - und dieser Punkt ist für die Diskussion entscheidend - müssen die Plattformbetreiber verhindern, dass die Werke auf ihren Plattform dann noch abrufbar sind. Wie sie das hinbekommen, schreibt die Richtlinie nicht vor.

Da EU-Richtlinien - anders als Verordnungen - in Deutschland nicht unmittelbar gelten, muss die neue Richtlinie zur Urheberrechtsreform nach der Verabschiedung auf EU-Ebene noch ins deutsche Recht umgesetzt werden. Dabei hat der Gesetzgeber einen gewissen Spielraum. Zu beachten ist dabei, dass die Maßnahmen mit Blick auf die Größe der Plattform, die Anzahl ihrer User und auf die entstehenden Kosten auch verhältnismäßig sein muss, Artikel 13 Abs. 4a.

Welche Plattformen sind betroffen?

Nur die, die mit den urheberrechtlich geschützten Werken Geld verdienen. Artikel 2 der Richtlinie nimmt nicht-kommerzielle Plattformen wie Online-Enzyklopädien aus. Wikipedia würde also nicht unter Artikel 13 fallen. Ebenso fallen Online-Händler wie Ebay aus der gesetzlichen Regelung heraus. Es gibt noch eine weitere Ausnahme in Artikel 13 selbst: Nicht betroffen sind neue Plattformen in den ersten drei Jahren, wenn ihr Jahresumsatz unter zehn Millionen Euro liegt.

Wikipedia-Logo auf einem Computerbildschirm

Für Online-Enzyklopädien gelten ausdrücklich Ausnahmeregeln.

Ist der Einsatz von Upload-Filtern vorgeschrieben?

Ausdrücklich ist das in der Richtlinie nicht vorgeschrieben. Da die Plattform aber ohne Genehmigung den Zugang zu den urheberrechtlich geschützten Werken verhindern muss, ist der Einsatz von Filtertechnik wahrscheinlich. Der Rechtswissenschafter Matthias Leistner von der Ludwig-Maximilians-Universität München sagte tagesschau.de, dass bereits heute Plattformen erhebliche Filterpflichten haben:

Die bisherige Rechtslage beruht auf einer Abmahnung mit der Pflicht, das Material herunterzunehmen ('notice & takedown'). In Deutschland und anderen Mitgliedstaaten ist das aber schon zum 'notice & staydown' ausgebaut. Das heißt, ist Material einmal als illegal dem Plattformbetreiber mitgeteilt, muss dieser im Rahmen automatischer Filterung auch für die Zukunft dafür sorgen, dass nicht das gleiche Material wieder abrufbar ist.

Schränkt die Richtlinie die Meinungsfreiheit der User ein?

Nein, wenn es um unveränderte Werke wie ganze Filme oder Musikstücke geht. Problematisch ist es mit einzelnen Teilen des Werks oder satirischen Verarbeitungen. Kritiker der Urheberrechtsrichtlinie befürchten aber, dass diese zulässigen Veränderungen am Werk vorsorglich mitgefiltert werden.

"Dass eine rein automatisierte Filterung unbeabsichtigte Kollateralschäden erzeugt, leuchtet ein", erklärt der Rechtswissenschaftler Mario Martini von der Universität Speyer. "Das heißt aber noch nicht, dass sich die Meinungsfreiheit der Nutzer immer gegen den Urheberrechtsschutz der Künstler und Autoren durchsetzen muss. Erforderlich ist vielmehr ein wirksamer Verfahrensmechanismus, der einen Ausgleich zwischen den kollidierenden Gütern erzielt."

Jedenfalls gehe das Interesse der Nutzer nicht zwangsläufig vor, so auch der Jurist Karl-Nikolaus Peifer von der Universität Köln:

Wer die Netzdienstleister deswegen von der Haftung befreit, muss erklären können, warum die Urheber ungeschützt bleiben sollen. Diese Gratwanderung erfordert auch eine politische Lösung, die Art 13 trifft.

Kann es zu einem sogenannten Overblocking kommen?

Sollten Filtersysteme zum Einsatz kommen, können durchaus auch Inhalte betroffen sein, die eigentlich urheberrechtlich erlaubt sind. Prof. Malte Stieper von der Universität Halle erinnert an den Fall der Hamburger Schülerband Pinkstinks, die sich in einem Clip kritisch mit der Sendung "Germanys Next Topmodel" auseinandergesetzt hat.

Der Clip wurde bei Youtube gesperrt wegen angeblicher Urheberrechtsverletzung. Die neue Richtlinie versucht, solche Konflikte zu lösen, indem sie den Plattformbetreibern auch einen Beschwerde- und Rechtsbehelfsmechanismus vorschreibt, wenn zu viel gefiltert wird. Wie schnell so ein Mechanismus Zweifelfälle tatsächlich klärt und wie er genau arbeitet, wird am Ende maßgeblich sein.

Ändert die Urheberrechtsrichtlinie den Charakter des Internets?

Rechtswissenschaftler Leistner von der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität geht nicht davon aus: "Die gesetzliche Forderung nach geeigneten Maßnahmen zur Sperrung von Inhalten ist nichts fundamental Revolutionäres."

Artur Wandtke, Jurist an der Humboldt-Universität Berlin, glaubt sogar, dass sich an der deutschen Rechtslage wegen der bereits bestehenden Verpflichtungen nicht besonders viel ändern würde.

Was geschieht beim Scheitern der Richtlinie?

Die Haftung von Providern wird nicht völlig unangetastet bleiben. Nach einer Vorlage des Bundesgerichtshofs an den Europäischen Gerichtshof wird voraussichtlich noch dieses Jahr entschieden werden, ob es für die Plattformbetreiber weiterhin gesonderte Haftungsregelungen geben wird oder nicht.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten Deutschlandfunk am 15. Februar 2019 um 08:22 Uhr und Deutschlandfunk Kultur am 04. März 2019 um 19:05 Uhr.