Vor der Wahl in Griechenland EU streitet über den Schuldenschnitt

Stand: 19.01.2015 12:18 Uhr

Am Sonntag wird in Griechenland gewählt und Europas Politiker schauen ganz genau hin. Denn die Syriza-Partei, die einen Schuldenschnitt von der EU fordert, hat gute Chancen. Soll man den Griechen weiter entgegenkommen? Darüber wird nun kräftig gestritten.

Soll man den Griechen entgegenkommen? Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sagt: Nein. Etliche Europaparlamentarier und Wirtschaftswissenschafter sind dafür. Doch Schäuble bleibt unnachgiebig: Schuldenerlass? Diese Frage stelle sich nicht, gab er gerade im "Spiegel" einmal mehr zu Protokoll.

Es geht schließlich auch um einiges: Mit rund 220 Milliarden Euro steht Griechenland bei den Eurostaaten und dem IWF bereits in der Kreide. Für Deutschland stehen bis zu 80 Milliarden Euro auf dem Spiel. Null Flexibilität, das signalisiert daher auch der CSU-Europaparlamentarier Markus Ferber: "Griechenland hat in den letzten Jahren eine Vielzahl von Zugeständnissen erhalten, was die Laufzeiten und die Zinshöhe der öffentlichen Kredite betrifft. Das sind Dinge, die man nicht weiter verbessern kann".

Deswegen sei ein Schuldenschnitt keine Option, insbesondere dann nicht, wenn das Land seinen Stabilitätskurs verlassen wolle, so Ferber.

Zahlreiche Zugeständnisse gemacht

In der Tat sind die Eurostaaten den Griechen bei den Kreditkonditionen schon sehr weit entgegengekommen. Die Zinshöhe liegt nur minimal über den Zinsen, die der Eurorettungsfonds selbst bezahlen muss, um sich die Mittel für die Griechenland-Kredite auf dem Kapitalmarkt zu besorgen. Außerdem wurde die Zinszahlung für zehn Jahre gestundet. Und auch mit der Kredittilgung muss Athen erst im nächsten Jahrzehnt beginnen. Bis zur vollständigen Rückzahlung kann sich Griechenland bis zu 30 Jahre Zeit lassen.

"Dadurch sparen die Griechen Milliarden", sagt der Brüsseler Wirtschaftswissenschaftler Guntram Wolff: "Griechenland hat einen sehr hohen Schuldenberg, bald 180 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt. Gleichzeitig ist die eigentliche Zinslast relativ gering - im Vergleich zu vielen anderen Ländern mit niedrigeren Schuldenbergen. Wenn man das mit Portugal oder Italien vergleicht ist die Zinslast eben derzeit geringer". Dennoch ist sich Wolff sicher, dass man den Griechen noch weiter entgegenkommen muss.

Ebenso denkt Sven Giegold, der für die Grünen im Europaparlament sitzt: "Eine Form von Umschuldung wird es geben müssen, denn die Schuldenlast ist zu hoch und führt das Land in eine dauerhafte wirtschaftliche Krise", so Giegold. Der grüne Finanzexperte warnt allerdings das Linksbündnis Syriza davor, den angekündigten Zahlungsstopp tatsächlich einseitig durchzudrücken. "Das ist nicht akzeptabel. Umschuldung, das muss nicht notwendigerweise durch einen klaren Schuldenschnitt geschehen".

Anpassungen auf dem "kleinen Dienstweg"

Man könne auch noch weiter an Stellschrauben wie Zinshöhe, Laufzeiten und Tilgungsbeginn drehen, meint der Ökonom Wolff. Er glaube, dass das eher auf dem kleinen Dienstweg, in kleinen Häppchen in den nächsten Jahren immer wieder geschehen werde. Ein solches Vorgehen wäre auch leichter durchzusetzen, so der Brüsseler Politiloge Janis Emmanouilidis: "Und politisch hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass das der Weg ist, den man auch der eigenen Öffentlichkeit in den Geberländern vermitteln kann, wohingegen ein radikaler Schuldenschnitt in der aktuellen Situation sehr schwierig ist", meint Emmanouilidis.

Auch rechtlich ist es wesentlich weniger problematisch, die Zinshöhe zu verringern als Schulden zu erlassen. Der EU-Vertrag schließt ausdrücklich eine Haftung für die Schulden anderer Staaten aus. Der linke Europaparlamentarier Fabio de Masi ist jedoch überzeugt, dass es ohne einen richtigen Schuldenverzicht nicht gehen wird. Und das wäre letztlich sogar besser für den deutschen Steuerzahler.

"Griechenland wird die Schulden auch niemals bedienen können, wenn die Bevölkerung verarmt, das Wachstum weiter einbricht. Das heißt, wer es gut meint mit dem Steuerzahler in Deutschland, der muss dafür sorgen, dass wir in Griechenland wieder Wachstumskräfte haben und das diese Schulden bedient werden können", sagt Fabio de Masi.

Ganz radikal pro Schuldenschnitt tritt die Alternative für Deutschland auf. Das Geld sei ja ohnehin verloren, so AfD-Chef Bernd Lucke im Europaparlament. "Ich denke, es wäre gut, jetzt den juristischen Verzicht auf die nicht mehr einbringbaren Forderungen mit der Forderung zu verbinden, dass Griechenland aus dem Euro ausscheidet", so Lucke. Frei von Schulden und zurück zur Drachme - nur so könne Griechenland wieder auf die Beine kommen. Und für Lucke wäre das ein höchst willkommenes Argument, um die Eurorettungspolitik der Bundesregierung für krachend gescheitert erklären zu können.

Martin Bohne, M. Bohne, MDR BRüssel, 19.01.2015 12:00 Uhr

Dieses Thema im Programm: Dieser Beitrag lief am 19. Januar 2015 um 13:43 Uhr im Deutschlandfunk.