EU-Gipfel debattiert über Stabilitätspakt Flexibilität für die Schuldenmacher

Stand: 26.06.2014 17:35 Uhr

Kanzlerin Merkel stemmt sich gegen eine Aufweichung des Stabilitätspakts. Vor allem Italien und Frankreich wollen aber den Spardruck senken, um mehr Geld in das Wirtschaftswachstum zu investieren. Als Kompromiss zeichnet sich beim EU-Gipfel das Schlagwort Flexibilität ab.

Wer den Stabilitäts- und Wachstumspakt der EU ändern will, braucht die Unterstützung aller Mitgliedsstaaten. Eine mögliche Aufweichung der Defizitregeln wird aber am Widerstand Deutschlands scheitern. Das machte die Bundeskanzlerin im Vorfeld des EU-Gipfels deutlich. "Der Wachstumpskat erlaubt die notwendige Flexibilität, um eine wachstumsfreundliche Haushaltskonsolidierung zu ermöglichen", sagte Angela Merkel im Bundestag. Diese Möglichkeiten müssten genauso genutzt werden wie bereits in der Vergangenheit.

Italien und Frankreich haben in den Wochen vor dem Gipfel Druck gemacht. Sie wollen mehr Zeit bekommen, um die Vorgaben zum Schuldenabbau zu erfüllen. Ihr Ziel ist es, mehr Geld in das Wirtschaftswachstum investieren zu können. Angesichts des klaren "Nein" aus Berlin zu Änderungen der Regeln heißt das Zauberwort nun "Flexibilität".

Offiziell wollen Italien und Frankreich keine Änderung

Es gehe nicht um eine Änderung des Stabilitätspakts, versicherte der französische Finanzminister Michel Sapin. Frankreichs Präsident Francois Hollande forderte aber, die Regeln des Paktes "zugunsten von Investitionen und Arbeit" anzuwenden und die Flexibilität des Paktes voll auszuschöpfen. Der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi schlug in dieselbe Kerbe: "Die bisher verfolgte Wirtschafts- und Finanzpolitik hat den Euro erhalten, aber kein Wachstum zugelassen." Nun gehe es darum, "den bestehenden Spielraum der Flexibilität zu nutzen".

EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy hat für den Gipfel ein Strategiepapier vorbereitet, das die Staats- und Regierungschefs dem künftigen EU-Kommissionspräsidenten als mit auf den Weg geben sollen. In dem Entwurf schreibt er, dass mutige Schritte für mehr Arbeitsplätze und eine höhere Wettbewerbsfähigkeit notwendig seien. Grundlage dafür sollten die "die Regeln des bestehenden Stabilitäts- und Wachstumspakts und eine volle Nutzung ihrer eingebauten Flexibilität" sein. Von einer Änderung des Pakts ist keine Rede - und wie die Flexibilität genau genutzt werden soll, bleibt offen.

Investitionen ins Wachstum herausrechnen

Aus Italien und Frankreich waren bereits Ideen laut geworden, Investitionen in Wachstum, Infrastruktur und Forschung bei der Berechnung der Defizitgrenzen außen vor zu lassen. Sowohl bei der Feststellung eines übermäßigen Defizits als auch bei anderen EU-Auflagen zur Haushaltskonsolidierung hat die EU-Kommission aber schon jetzt erhebliche Spielräume. Die nutzte sie in der Vergangenheit und räumte unter anderem Frankreich zwei Jahre mehr Zeit ein, um die Neuverschuldung wieder unter den Grenzwert von drei Prozent zu drücken.

Viel Bewertungsspielraum bei den Zahlen

In den Verordnungen rund um den Stabilitäts- und Wachstumspakt sind viele Möglichkeiten vorgesehen, die es der EU-Kommission überlassen, wie sie etwa Investitionen und Reformen sowie besondere Faktoren bei der Bewertung der Haushaltspolitik berücksichtigt. Denn die 2011 verschärften Regeln erlauben zwar ein deutlich früheres Eingreifen der EU und erleichtern Sanktionen für Defizitsünder. Wenn ein Staat die Defizitkriterien verletzt, löst das aber nicht automatisch Konsequenzen aus.

Vorausgehen muss eine Bewertung der EU-Kommission. Und die kann in ihrem Urteil zum Beispiel gnädiger sein, wenn ein "außergewöhnliches Ereignis, das sich der Kontrolle des betreffenden Mitgliedsstaats entzieht", oder eine schwere Rezession Haushaltsprobleme auslöst. Auch sollen "größere Strukturreformen" und Investitionen berücksichtigt werden, die im Zusammenhang mit Infrastrukturprogrammen der EU stehen. Ganz allgemein sollen "einschlägige Faktoren" gebührende Beachtung finden. Italien und Frankreich wollen nun zumindest erreichen, dass diese Vorgaben so weit wie mögliche zugunsten der Mitgliedsstaaten ausgelegt werden.