Stadt macht Bank für Verfall verantwortlich Cleveland verklagt Deutsche Bank

Stand: 07.10.2010 16:26 Uhr

Zwangsräumungen, Plünderungen, Spekulationsruinen: In Cleveland im US-Bundesstaat Ohio hat die Immobilienkrise ihre Spuren hinterlassen. Die Stadt hat einen Schuldigen ausgemacht: Cleveland verklagt die Deutsche Bank wegen Beihilfe zum Spekulationsgeschäft.

Von Ralph Sina, WDR-Hörfunkstudio Washington

David gegen Goliath: Die verarmte Stadt Cleveland, Ohios Zentrum der Immobilienkrise, der Zwangsversteigerungen und Obdachlosen klagt gegen die Deutsche Bank. "Wir haben keine große Chance gegen den Giganten aus Frankfurt", sagt Clevelands Rechtsdezernent Robert Triozzi. Aber vor Gericht werde man kämpfen.

Regelrecht wütend auf die Deutsche Bank und deren Boss Josef Ackermann ist Rechtsdezernent Triozzi, wenn er durch die verrottenden Viertel von Cleveland fährt. Denn der Frankfurter Geldkonzern hat aus Sicht von Clevelands Stadtvätern Beihilfe zum Spekulationsgeschäft mit den sogenannten Schrottkrediten geleistet, bei denen skrupellose Broker völlig mittellosen Hausinteressenten sechsstellige Hypotheken vermittelten.

Eine gigantische Immobilienblase, ihr Platzen nur eine Frage der Zeit. Dennoch half die Deutsche Bank US-Brokern wie Ameriquest, Countrywide und New Beach bei der wundersamen Verwandlung der Betrugskredite in scheinbar strukturierte Anleihen und konstruierte 25 hochkomplexe Immobilienwertpapiergeschäfte.

Familien müssen ihre Häuser verlassen

"Die Beihilfe der Deutschen Bank provozierte hier in Cleveland eine regelrechte Krise", sagt Rechtsdezernent Triozzi. Die Familien  konnten irgendwann die Zinsen der Betrugskredite nicht mehr bezahlen und mussten auf Druck des Treuhänders Deutsche Bank ihre Häuser verlassen.

"Nur Teddybär und Puppe sind noch da"

Zum Beispiel das Haus 5041 in Clevelands Finn Avenue. "Die Familie wurde auf die Straße gesetzt. Kurze Zeit später kamen Plünderer, um alles herauszureißen, was nicht niet- und nagelfest war. Einschließlich der Gasleitungen", berichtet ein Mitarbeiter der Clevelander Stadtverwaltung dem nationalen Radiosender NPR. Er berichtet aus dem verlassenen Haus: "Es riecht völlig verrottet. Alle Fenster, Türen und Kabel sind verschwunden. Nur ein Teddybär und eine Puppe sind noch da." 

Immobilien-Sondermüll vergiftet ganze Viertel

Clevelands Zwangsversteigerungs-Ruinen sind mittlerweile ein Eldorado für Brandstifter und Drogengangs, die bereits ganze Viertel terrorisieren. Der Zwangsversteigerer Deutsche Bank kümmere sich keinen Deut um seinen Immobilien-Sondermüll, der große Teile der Stadt vergifte und alle Häuser in der Nachbarschaft dramatisch entwerte, sagt Toni Brancatelli, zuständig für Clevelands Problemviertel Slavic Village. "Die Deutsche Bank sollte endlich Verantwortung übernehmen und sich entweder um die Häuser kümmern oder sie abreißen."

Keine Reaktion in den Bankentürmen

Doch weder die New Yorker noch die Frankfurter Zentrale der Deutschen Bank reagieren auf den Hilferuf aus Cleveland. Ungerührt sehen die Banker zu, wie die Stadt Cleveland immer weniger in der Lage ist, in Kindergärten und Schulen zu investieren. Einen Großteil ihrer Steuereinnahmen steckt sie in Polizei- und Feuerwehreinsätze, damit die sich das Chaosvirus aus den Zwangsversteigerungs-Vierteln nicht bis in den Stadtkern frisst.  

Klage wegen öffentlichen Ärgernisses

Die Deutsche Bank habe laut Staatsgesetz von Ohio ein öffentliches Ärgernis in Cleveland erregt. Und deshalb werde die Stadt durch alle Instanzen klagen. Und zwar auf Schadensersatz in dreistelliger Millionenhöhe, sagt Rechtsexperte Triozzi.

Spekulanten wittern Morgenluft

Doch die Deutsche Bank sieht der juristischen Herausforderung gelassen entgegen. Ein Gericht hat Clevelands Klage bereits abgeschmettert. Unterdessen verhökere das Geldinstitut via Internet Hunderte von zwangsgeräumten Häuser für eine Handvoll Dollar an Spekulanten, berichtet Brancatelli von der Stadtverwaltung. "Ich kenne Leute aus Kalifornien, die kaufen für ein paar Dollar von der Deutschen Bank online auf einen Schlag hunderte von Häuser in meiner Nachbarschaft, ohne diese Häuser jemals gesehen zu haben." Diese Online-Kunden der Deutschen Bank rührten keinen Finger, um die Häuser zu erhalten.