interview

Zukunft der Deutschen Bank "Bei Abspaltung im Prinzip tot"

Stand: 24.04.2015 04:46 Uhr

Der Aufsichtsrat der Deutschen Bank steht vor einer wichtigen Richtungsentscheidung. Sogar die Abspaltung des gesamten Privatkundengeschäfts wird diskutiert. Dann sei die Bank im Prinzip tot, meint der Ökonom Max Otte im Interview mit tagesschau.de.

tagesschau.de: Die Deutsche Bank steht vor wichtigen Weichenstellungen. Als wahrscheinlich gilt, dass die Postbank verkauft oder an die Börse gebracht wird. Sogar die Abspaltung der gesamten Privatkundensparte steht zur Diskussion. Was halten Sie von einem solchen Schritt?

Max Otte: Die Deutsche Bank steht wie kaum ein anderes Unternehmen für die Deutschland AG, für das Modell Deutschland und die Stärke des deutschen Wirtschaftsmodells. Sie war auch mal Anfang der 80-er Jahre nach Bilanzsumme die stärkste Bank der Welt. Heute ist sie irgendwo auf Platz 50 oder so. Diese Bank wird international stark unter Druck gesetzt - vor allem aus dem angelsächsischen Raum. Das ist die einzige international wirklich noch funktionierende Bank in Deutschland. Wenn die weg ist, ist unsere Wirtschaft extrem geschwächt. Und in diesem große Kontext sehe ich jetzt auch diese Aufspaltung.

Max Otte
Zur Person

Max Otte unterrichtet als Professsor für allgemeine und internationale Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Worms und Professor für quantitative und qualitative Unternehmensanalyse und –diagnose an der Universität Graz. 2006 veröffentlichte er das Buch "Der Crash kommt", das sich monatelang auf den Bestsellerlisten hielt.

tagesschau.de: Und wie bewerten sie dann eine mögliche Abspaltung der Postbank?

Otte: Ich sehe das als einen Schritt, der auf Grund der Verhältnisse notwendig geworden ist. Ich war selber völlig überrascht, als ich von den Spekulationen hörte. Es kann sein, dass die Bank dem Druck jetzt weicht und einen Befreiungsschlag versucht. Möglicherweise kann sie gar nicht mehr anders handeln.

tagesschau.de: Von wem geht denn dieser Druck Ihrer Meinung nach aus?

Otte: Das sind zum Beispiel amerikanische Gerichte. Da kommt eine Klage nach der anderen. Oder die Zwangsverwaltung der Finanzmärkte, die das Kreditgeschäft und das klassische Privatkundengeschäft belastet und auch die Universalbanken. Das ist ja das angelsächsische Modell, in dem Investment-Banking und Kreditbanking getrennt sind, während in Deutschland immer alles unter einem Dach war. Aufgrund der Vorgaben aus Brüssel sowie Washington und London wird das deutsche Modell, das 150 Jahre super funktioniert hat, jetzt unter Druck gesetzt und zerlegt.

Ungünstige Bedingungen für Universalbanken

tagesschau.de: 2008 erschien der Schritt der Deutschen Bank, die Postbank zu kaufen, als durchaus sinnvoll. Wieso ist das nicht so aufgegangen wie erwünscht?

Otte: Ich habe das damals kritisch gesehen, weil ich eine noch größere Machtkonzentration befürchtete. Aber aus Sicht der Bank war das eine gute Sache. Anscheinend haben die gesetzlichen und regulatorischen Vorgaben Wirkung gezeigt. Die ungünstigen Bedingungen für Universalbanken, die bewusst politisch außerhalb Deutschlands gestaltet wurden, haben diese Rechnung nicht aufgehen lassen.

tagesschau.de: Während der Bankenkrise sahen viele die Universalbanken im Vorteil, die mit einem starken Privatkundengeschäft die Risiken des Investmentbankings ausgleichen konnten. Ist dieses Prinzip jetzt hinfällig?

Otte: Das ist nicht hinfällig. Das Argument ist nach wie vor richtig. Aber angesichts der juristischen Risiken und aufsichtsrechtlichen Regelungen soll das Universalbanking von politischer Seite aus bewusst zerstört werden.

"Die Deutsche Bank ist Opfer"

tagesschau.de: Hat denn die Deutsche Bank gar keine Fehler gemacht?

Otte: Natürlich haben die Fehler gemacht, genauso wie die eine oder andere Bank in den USA. Vor allem im Investmentbereich gab es immer wieder Betrug, betrugsähnliche Fälle oder Manipulationen. Die gibt es in dieser Branche immer. Vielleicht war es auch ein Fehler, insgesamt so stark auf das Investmentgeschäft zu setzen. Man hätte womöglich nicht so sehr nach London schielen, sondern noch mehr auf Bodenständigkeit setzen sollen. Die Deutsche Bank ist aber vor allem Opfer der internationalen Macht- und Interessenverhältnisse.

tagesschau.de: Wie schätzen Sie in dieser Hinsicht die Rolle von Co-Vorstands-Chef Anshu Jain ein, der ja aus dem Investmentbanking kommt?

Otte: Der ist ja nur Exekutor dieser Strategie, dieser Verlagerung nach London. Klar, der ist ein vaterlandsloser Geselle letztlich. Der verdient viel, viel Geld. Wenn man sagt, man macht aus diesem Institut ein englisches mit Hauptsitz London, dann verzichtet man auf den Rückhalt im deutschen Privatkundengeschäft. Wenn ich einen strategischen Fehler sehe, dann vielleicht den, so massiv auf das Investmentbanking gesetzt zu haben. Das aber war Ackermanns Fehler.

tagesschau.de: Auch der ganz große Schritt wird bei der Deutschen Bank diskutiert: die Ausgliederung des gesamten Privatkundengeschäfts. Wäre das nicht konsequent?

Otte: Eine konsequente Notmaßnahme aufgrund des internationalen Drucks, der zwar nie so offen thematisiert wird, aber da ist. Ich finde das ganz schrecklich: Deutschland ist mit Universalbanken zur leistungsstärksten Volkswirtschaft der Welt geworden vor 140 Jahren. Das war unser Weg. Das hat bis in die 90er Jahre gut funktioniert. Ich sehe das als weiteren Sargnagel in unserem eigentlich sehr gut austarierten Wirtschaftssystem.

Zerstörung des Bankensystem

tagesschau.de: Ist die Universalbank hierzulande also ein Auslaufmodell?

Otte: Sieht so aus. Eigentlich fand ich die Universalbank eine tolle Sache. Wir hatten ein Super-Bankensystem in Deutschland - etwa mit Genossenschaftsbanken und Sparkassen für den regionalen Verkehr. Die werden auch zerstört, weil Kleinkredite und Kredite für den Mittelstand über Brüssel erschwert werden. Dann hatten wir noch ein paar international aktive Universal- und Spezialbanken. Das zerlegen wir jetzt Schritt für Schritt.

tagesschau.de: Welche Zukunft sehen Sie für die Postbank?

Otte: Man weiß ja noch nicht genau, was geplant ist. Wenn die Postbank an die Börse gebracht werden sollte, wird sich im Zweifel ein Private-Equity-Haus oder irgendeine andere internationale Bank daran beteiligen, und dann wandert die Postbank von einer Hand in die andere. Wir haben die Banco Santander, die HSBC, wir haben viele ausländischen Banken aktiv hier in Deutschland. Wenn man ein Wirtschaftssystem übernehmen will, muss man erstmal das Finanzwesen übernehmen. Ich sehe hier kein deutsches Institut, das die Postbank übernehmen könnte.

tagesschau.de: Die Commerzbank scheint nicht uninteressiert...

Otte: Finde ich spannend, kann ja passieren. Aber die Commerzbank ist nun mal nicht besonders finanzkräftig. Die müssten dann ja auch für sich selbst eine komplette Neuausrichtung bekannt geben.

tagesschau.de: Die jetzige Phase wird von Beobachtern als ganz entscheidende in der 145-jährigen Geschichte der Deutschen Bank eingeschätzt. Ist das angemessen?

Otte: Die Deutsche Bank ist ein Schatten ihrer selbst. Das sind jetzt Nachspiele. Die Deutsche Bank hat 30 Jahre Abstieg hinter sich.

tagesschau.de: Wo sehen Sie die Deutsche Bank in zehn Jahren?

Otte: Ob es sie dann noch in der bisherigen Form gibt, sei mal dahingestellt. Wenn sie die Bank jetzt aufspalten, ist sie im Prinzip tot.

Das Interview führte Bernd Wode, tagesschau.de.